Wintersport

Warum die Holländer im Eisschnelllauf alle abtrocknen, aber im Eiskunstlauf nichts können

Bild
Die Orange Sportmacht

Warum die Holländer im Eisschnelllauf alle abtrocknen, aber im Eiskunstlauf nichts können

Ein Blick auf den Medaillenspiegel von Sotschi erstaunt: Holland mischt ganz vorne mit. Der Grund ist schnell gefunden. Von bisher neun Medaillen im Eisschnelllauf gingen deren sieben an Oranje. Und es dürfte noch besser kommen.
11.02.2014, 12:2011.02.2014, 12:54
Reto Fehr
Folge mir
Mehr «Wintersport»

Im Osten der Ukraine fiel die holländische Party 2012 an der Fussball-EM ins Wasser. Arjen Robben, Wesley Sneijder und Co. schieden sang- und klanglos in der Vorrunde aus. Fast zwei Jahre später walzt wieder eine orange Welle über die Region. Dieses Mal einige Kilometer weiter östlich. 

Grund sind die Eisschnellläufer in Sotschi. Und dieses Mal wird die Party mit sportlichen Erfolgen gepaart. Das Eisschnelllaufstadion bei Olympia ist fest in holländischer Hand – auf der Tribüne, wie auch auf dem Eis. Sieben der bisher neun verteilten Medaillen gingen an Holland. Auf der Tribüne feiern selbst König Willem-Alexander und Königin Maxima mit. 

König Willem Alexander und Königin Maxima sind Stammgäste beim Eisschnelllauf in Sotschi.
König Willem Alexander und Königin Maxima sind Stammgäste beim Eisschnelllauf in Sotschi.Bild: Getty Images Europe

Dass die holländische Dominanz so ausgeprägt sein wird, konnte in diesem Ausmass nicht erwartet werden. An den Spielen 2010 hatten die Flachländer nach den gleichen drei Wettkämpfen erst einen Podestplatz zu bejubeln. Jetzt wankt der Medaillenrekord der Holländer gewaltig. 

Sieben sind schon im Trockenen, 27 werden noch vergeben. Die bisherige Bestmarke datiert von 1998 mit elf Medaillen. Und Stars wie Mark Tuitert oder Koen Verweij haben noch kein Rennen absolviert. Kein Wunder sagt Erfolgstrainer Gerard Kemkers: «Wir sind hier noch lange nicht fertig. Wir fangen erst an.»

Holländische Siegesfeier mit Sven Kramer.
Holländische Siegesfeier mit Sven Kramer.Bild: AP/AP

Erdrückende Dominanz

Sowieso gewinnen die Holländer bei Olympischen Winterspielen praktisch nur auf dem Eis Medaillen. Deren 46 waren es seit 1994 insgesamt, nur Nicolien Sauerbreij brachte 2010 als Nicht-Eisschnelläuferin eine Medaille mit nach Hause. Der Alpin-Snowboarderin siegte in Turin im Parallel-Riesenslalom. Wir haben hier einige Fakten zu Holländern bei Winterspielen zusammengetragen, um die ausgesprochene Dominanz zu untermauern: 

1. Von bisher 86 Medaillen an Winterspielen holte Holland 82 im Eisschnelllauf 

2. Im ewigen Eisschnellauf-Medaillenspiegel führt Holland mit total 87 vor Norwegen mit 80 

3. Im ewigen Eisschnelllauf-Goldmedaillen-Ranking bei Olympia führt Holland mit 30 vor den USA mit 29 

4. An Olympischen Spielen holten bisher 62 Athleten eine Eisschnelllauf-Medaille, 43 davon waren Holländer 

5. Sieben der bisher neun Medaillen im Eisschnelllauf 2014 gingen an Holland 

6. Das holländische Olympiateam von Sotschi besteht aus 41 Athleten, 20 davon sind Eisschnellläufer 

Holländische Medaillengewinne bei Olympia seit 1994
1994: 4 Medaillen, alle im Eisschnelllauf
1998: 11 Medaillen, alle im Eisschnelllauf
2002: 8 Medaillen, alle im Eisschnelllauf
2006: 9 Medaillen, alle im Eisschnelllauf
2010: 8 Medaillen, 6 im Eisschnelllauf
2014: bisher 7 Medaillen, alle im Eisschnelllauf
Der Medaillenspiegel von Sotschi (Stand: 12 Uhr).
Der Medaillenspiegel von Sotschi (Stand: 12 Uhr).Screenshot: sochi2014.com

Nicht mal dem Zwillingsbruder wird der Erfolg richtig gegönnt

Auffallend bei den oben erwähnten 43 holländischen Medaillengewinnern ist die Tatsache, dass mit 18 fast die Hälfte davon nur einmal auf dem Podium stand. Dies zeigt die grosse Konkurrenz im Team und ist auch gleich ein Grund für die Dominanz Hollands. Alle pushen sich zu noch besseren Leistungen. 

Jeder will der Schnellste sein. Da hört gar die Bruderliebe auf. Ronald Mulder wird Dritter über 500 Meter und konnte sich nur halbwegs über Gold seines Zwillingsbruders Michel freuen: «Es wäre noch perfekter gewesen, wenn ich vor meinem Bruder oben auf dem Podium gestanden hätte», sagte er nach dem Rennen.  

Die Zwillinge Michel (l.) und Ronald Mulder bei der Blumen-Zeremonie. 
Die Zwillinge Michel (l.) und Ronald Mulder bei der Blumen-Zeremonie. Bild: AP/AP

Nicht nur Sportart, sondern auch Verkehrsmittel

Doch warum diese Dominanz? Das Land ist flach und im Winter kalt. Schnee fällt wenig, Skifahren ist keine Option. Dafür gefrieren die unendlichen Wasserwege Hollands schnell. Schlittschuhlaufen lernen die Holländer praktisch gleichzeitig mit Laufen, so ein weit verbreitetes Klischee. Nur Velofahren ist noch populärer.

Es ist daher nicht verwunderlich, dass Schlittschuhlaufen vor rund 1000 Jahren in Skandinavien und Holland entwickelt wurde. Die zugefrorenen Kanäle dienten im Winter als einfache Transportwege. Neben einer Sportart ist Eisschnelllauf daher auch eine Nahverkehrsvariante. 

Das holländische Volksfest
Die «Elfstedentocht» (Elf-Städte-Tour) ist nicht nur das wichtigste Langstreckenrennen auf Natureis, sondern in Holland ein wahres Volksfest mit rund 1,5 Millionen Zuschauern. Das letzte Mal konnte dieses Rennen allerdings 1997 durchgeführt werden, da seither nie mehr alle Grachten und kleinen Seen der Strecke gefroren. 

Im Eiskunstlauf läuft nichts

Das endlose Skaten auf den schmalen Kanälen liefert gleich noch eine Erklärung: Nämlich warum Hollland im Eiskunstlauf nicht zu den Spitzennationen zählt. In Sotschi stellen sie keinen Athleten, seit 1924 gewann Oranje nur vier Medaillen in dieser Sportart. Auf den Kanälen bieten sich Langstrecken-Wettbewerbe viel mehr an, als das platzraubende Eiskunstlaufen oder Eishockey.

Der Lichtblick für Nicht-Holländer

Zum Abschluss ein Lichtblick für alle Nicht-Holländer: Immer gewinnen die Holländer aber doch nicht. Vor allem in der Disziplin Shorttrack ist die Dominanz wie weggeblasen, es dominieren Südkoreaner und Amerikaner. Und dann sind sie auch mal ganz schlechte Verlierer. So wie Sjinkie Knegt hier nach einem verlorenen Wettkampf im Shorttrack Ende Januar 2014: 

Sjinke Knegt wurde nach dieser Aktion disqualifiziert.Video: Youtube/WorldMediaNews

PS: Knegt holte in Sotschi im Shorttrack über 1500 Meter keine Medaille. Auf die obszöne Geste hat er immerhin verzichtet. 

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
0 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!