Im Mittelalter haben die Ritter ihre Burgen gegen Angreifer geschützt, und zwar nach dem Motto: Je breiter der Graben, desto sicherer die Burg. Am vergangenen Wochenende haben sich Elon Musk und Warren Buffett ebenfalls über Wassergräben gestritten, allerdings im übertragenen Sinn.
Den Streit vom Zaun gebrochen hat Musk. Er hat sich darüber lustig gemacht, dass Buffett «Unternehmen mit sehr grossen Wassergräben» liebe, will heissen: Unternehmen, die sich sehr wirkungsvoll gegen die Konkurrenz abschotten. «Ich denke, Wassergräben sind für Weicheier», erklärte Musk an einer Telefonkonferenz mit Analysten.
Tatsächlich ist das «Orakel aus Omaha», wie Buffett oft genannt wird, das pure Gegenteil von Musk. Buffett hat kaum in Hi-Tech investiert, weil er davon nichts verstehe, wie er freimütig gesteht. Am Ursprung seines sagenhaften Vermögens stand eine Versicherung, weil dieses Geschäft einen grossen Cashflow generiert. Traditionsunternehmen wie Coca Cola sind Tragpfeiler seines Portefeuilles.
An der Jahresversammlung seiner Holding Berkshire Hathaway – gelegentlich auch «Woodstock der Kapitalisten» genannt – nahm Buffett den Fehdehandschuh auf. «Elon mag in manchen Bereichen die Dinge auf den Kopf stellen», frotzelte Buffett. «Aber er würde es nicht wagen, unser Candy-Geschäft anzugreifen.» Berkshire Hathaway kontrolliert sehr viele KMU, darunter auch eine Candy-Fabrik.
Musks Antwort erfolgte postwendend. Er werde auf der Stelle eine Candy-Fabrik starten, tweetete er. «Und sie wird einmalig sein.» Dann legte er noch einen drauf. Er plane das Unternehmen mit einem Wassergraben zu schützen, «und diesen mit Candy zu füllen». Dann werde sogar Buffett endlich bei ihm investieren.
Hinter dem launigen Wortgefecht der beiden Wirtschafts-Ikonen steht eine ernsthafte Frage: Wie weit können sich heute noch selbst grösste Unternehmen vom Wettbewerb abschotten? Kundenloyalität ist ein rares Gut geworden. Selbst der Weltkonzern Nestlé musste sich kürzlich den Forderungen von Coop beugen, weil ein Teil seiner Markenprodukte veraltet ist und von billigeren Nachahmeprodukten bedrängt wird.
Umgekehrt sind es gerade die führenden Hi-Tech-Unternehmen, welche die grössten Wassergräben besitzen. Die Faang-Gemeinde, wie die Abkürzung für Facebook, Apple, Amazon, Netflix und Google lautet, kauft alles auf, was sich bewegt, und ist im Begriff, ein sehr wirksames Oligopol zu errichten.
Umgekehrt hat gerade Musk bewiesen, dass selbst der grösste und tiefste Wassergraben überwunden werden kann. Immerhin hat er mehr oder weniger eigenhändig den staatlichen Weltraumkonzern NASA in die Knie gezwungen und der allmächtigen Autoindustrie das Fürchten beigebracht.
Musk, der Draufgänger, und Buffett, der Bewahrer – es braucht beide, um die Wirtschaftsordnung der digitalen Gesellschaft weiterzuentwickeln.