Hustet Amerika, hat der Rest der Welt eine Lungenentzündung, heisst es. Diese Küchenökonomie-Weisheit muss ergänzt werden, und zwar wie folgt: Wackelt China, dann zittern alle. China ist nicht nur politisch und technisch eine aufstrebende Supermacht. Es ist auch ein bedeutender Wirtschaftsfaktor geworden und ist für rund einen Drittel des Wachstums des globalen Bruttoinlandprodukts verantwortlich.
Wirtschaftsprofessoren und Börsenanalysten verfolgen deshalb mit Argusaugen die Entwicklung der chinesischen Wirtschaft. An den jüngsten Zahlen werden sie keine Freude haben: Im Dezember sind die Exporte um 4,4 Prozent, die Importe gar um 7,6 Prozent eingebrochen. «Der Handelskrieg allein kann diesen Einbruch nicht erklären», sagt Julian Evans Pritchard von Capital Economics in der «Financial Times». «Weltweit haben sich die Exporte abgeschwächt, und alles deutet auf eine schwächere Nachfrage am Ende von 2018 hin.»
Chinas Exportschwäche ist vor allem auch beunruhigend, weil die Strafzölle im vergangenen Jahr noch gar nicht in Kraft waren. Das ist erst seit dem Beginn dieses Jahres der Fall. Der Schwächeanfall kam deshalb für die Experten überraschend. Weil jedoch die Importe noch stärker schrumpften, verharrt der Überschuss der chinesischen Leistungsbilanz auf Rekordhöhe.
Der Rückgang der Importe macht den Experten daher am meisten Bauchweh. «Er geht einher mit einer kontinuierlichen Schwächung der chinesischen Wirtschaft», sagt Louis Kuijs von der Beratungsfirma Oxford Economics. «Wir gehen davon aus, dass das Wirtschaftswachstum sich im vierten Quartal 2018 weiter abgeschwächt hat und auch im neuen Jahr unter Druck ist.»
Diese Botschaft wird auf den Geschäftsleitungs-Etagen der internationalen Konzerne die Alarmglocken läuten lassen. Apple hat bereits eine Gewinnwarnung veröffentlicht, weil die iPhone-Verkäufe in China hinter den Erwartungen zurückgeblieben sind. Auch Autohersteller werden die neue Geiz-ist-geil-Mentalität der Chinesen zu spüren bekommen, genauso wie Mode- und Kosmetikhersteller.
Die Schweizer Uhrenindustrie muss mit einer bösen Überraschung rechnen, denn die Verkäufe in den Schmuckgeschäften in Hongkong sind am Boden – und sie gelten als vorlaufender Indikator für die Kauflust der Chinesen im Luxusgütersegment.
Kein Wunder also, ist die Stimmung unter den Ökonomen mies. Wirtschaftswachstums-Prognosen werden rund um den Globus nach unten revidiert. Die Weltbank hat kürzlich vor «Stürmen, die sich über der Weltwirtschaft zusammenbrauen», gewarnt.
Währenddessen wird die Stimmung durch die Ereignisse in den USA verstärkt weiter gedrückt. Die wirtschaftlichen Folgen des rekordlangen Shutdown von Teilen der Regierung sind zwar vernachlässigbar, doch sie erhöhen die Unsicherheit. Kommt dazu, dass im laufenden Jahr die amerikanischen Unternehmen nicht mehr von den Steuergeschenken der Regierung profitieren und ein weiteres Gewinnwachstum ausweisen können.
Die amerikanischen Konsumenten werden ebenfalls vorsichtiger. Zwischen Weihnachten und Neujahr waren die Verkaufszahlen enttäuschend. Angesichts der teils grotesken Kursausschläge an den Börsen ist die Unsicherheit gewachsen. Ebenso hat sich die Haltung der Investoren verändert: Früher waren Kurseinbrüche ein Zeichen für Schnäppchenpreise. Heute sind Kurssteigerungen ein Anreiz für Verkäufe.
Generell wächst das Gefühl, dass wir uns am Ende eines Konjunkturzyklus befinden. Das zeigt auch die jährliche Erhebung der Beratungsfirma Ernst & Young bei den Schweizer Banken. Die Finanzinstitute sind deutlich weniger euphorisch als im Vorjahr. Sorgen bereiten ihnen vor allem die weltweit nach wie vor steigenden Schulden und die geopolitischen Unsicherheiten.