Wirtschaft
Analyse

Der Mann, der den Euro zu Fall bringen könnte

epa06736590 The League (Lega) party's leader Matteo Salvini addresses the media after a meeting with Italian President Mattarella at the Quirinale Palace, in Rome, Italy, 14 May 2018. (M5S) leade ...
Matteo Salvini vor dem Quirinalspalast in Rom. Der Lega-Chef hat bereits eine Hand an der Macht.Bild: EPA/ANSA
Analyse

Der Mann, der den Euro zu Fall bringen könnte

Matteo Salvini, der Führer der Lega, wird zum neuen starken Mann Italiens. Wie einst Griechenland fordert er die EU, die EZB und Deutschland heraus – aber er ist in einer viel stärkeren Position.
30.05.2018, 14:5931.05.2018, 06:39
Mehr «Wirtschaft»

Als Steve Bannon im Frühling seine Europa-Tournee absolvierte, schaute er nicht nur bei Roger Köppel vorbei, sondern auch bei Matteo Salvini. Trumps ehemaliger Chefstratege und der Lega-Chef verstanden sich blendend. Salvini hat die Lega als nationalistische, um nicht zu sagen faschistoide Partei in der europäischen Politlandschaft fest etabliert. Die Lega wird nun in einem Zug mit dem französischen Front National und der ungarischen Fidesz genannt.

«Die EU befindet sich in einer existenziellen Krise.»
George Soros

Vorläufiger Höhepunkt des unaufhaltsamen Aufstiegs Salvinis waren die Wahlen im vergangenen März. 17 Prozent der Wählerinnen und Wähler stimmten für die Lega, vor fünf Jahren waren es noch 4 Prozent.

Der nächste Quantensprung zeichnet sich bereits ab. In jüngsten Umfragen sprechen sich 28 Prozent für Salvini & Co. aus. Das könnte sehr bald Realität im Parlament werden. Nach der gescheiterten Regierungsbildung sind in Italien Neuwahlen ein realistisches Szenario geworden. Vielleicht finden sie noch vor den Sommerferien statt.

epa06762679 Five-Star Movement (M5S) leader Luigi Di Maio leaves Lower House in Rome, Italy, 25 May 2018. Premier designate Giuseppe Conte met the head of the 5-star Movement (M5S) Luigi Di Maio and t ...
Cinque-Stelle-Chef Luigi di Maio. Wird er von Salvini an die Wand gespielt?Bild: EPA/ANSA

Selbst Salvinis Koalitionspartner, den Cinque Stelle, wird sein Aufstieg unheimlich. Ihr Chef Luigi di Maio versucht neuerdings zu retten, was noch zu retten ist. «Wir wollen diese Krise lösen und die Märkte beruhigen», erklärte er am TV. «Lasst uns eine Regierung bilden, die bereits ein gemeinsames Programm erarbeitet hat.»

Salvini hingegen geht auf Konfrontationskurs. Für den 2. Juni hat er zu einer Grossdemonstration aufgerufen, zu einem «Marsch auf Rom». Das weckt unselige Erinnerungen. Im Oktober 1922 hat Mussolini mit einem solchen Marsch die Macht an sich gerissen.

Die EU hat schlechte Karten

Für die EU sind italienische Neuwahlen ein Albtraum. Gerade als es schien, dass sich die Turbulenzen um den Euro mehr oder weniger gelegt haben, bricht die Diskussion mit voller Wucht wieder aus. Die Lega hat sich den Kampf gegen die Einheitswährung auf die Fahnen geschrieben.

Brüssel und Berlin hingegen sind schlecht gerüstet. Angela Merkel ist angeschlagen. Sie unterstützt die vom französischen Präsidenten angestossene Reform des Euro nur halbherzig.

Unterstützung für den Euro bröckelt

Salvini hingegen spielt diese Entwicklung voll in die Karten. Der 45-jährige Mailänder sieht im Euro den Grund aller wirtschaftlichen Übel, welche die Italiener seit der Jahrhundertwende befallen haben. Lustvoll stürzt er sich deshalb in die Euro-Schlacht in der Gewissheit, dass er nur gewinnen kann.

Die Italiener haben einst den Euro freudig begrüsst. Rund 15 Jahre wirtschaftliche Stagnation haben jedoch die Zustimmung zur Einheitswährung bröckeln lassen. Gemäss dem im vergangenen Herbst erhobenen Eurobarometer befürworten nur noch 59 Prozent der Italiener die Zugehörigkeit zum Euro. Selbst in Griechenland ist die Zustimmung grösser.

Die Finanzmärkte nehmen die Angriffe auf den Euro inzwischen ernst. Am Dienstag kam es bei den italienischen Staatsanleihen zu einem eigentlichen Blutbad. Vor allem die Papiere mit zweijähriger Laufzeit erlebten den schlimmsten Tag seit Menschengedenken. Ihre Zinsen sprangen um 1,5 Prozent in die Höhe.

Die Dummheit des deutschen EU-Kommissärs

Salvini lässt sich davon nicht beeindrucken. Im Gegenteil, die Panik auf den Finanzmärkten liefert ihm neue Munition. Banken sind neben Ausländern und der EU seine liebsten Feinde. Die Dummheit seiner Gegner hilft ihm dabei. So sprach der deutsche EU-Kommissär Günther H. Oettinger im deutschen Radio doch tatsächlich davon, die Märkte würden den Italienern «eine Lektion erteilen».

George Soros, Founder and Chairman of the Open Society Foundations listens to the conference after his speech entitled "How to save the European Union" as he attends the European Council On  ...
Warnt vor Finanzkrise: George Soros.Bild: AP/AP

Für solche Torheiten ist die Lage zu ernst geworden. Der legendäre Financier George Soros warnt bereits vor einer «neuen grossen Finanzkrise». «Die EU befindet sich in einer existenziellen Krise», erklärte er an einer Tagung der Denkfabrik European Council of Foreign Relations. «Alles, was schief gehen konnte, ging schief.»

Bei den Grexit-Wirren 2015 schlossen Angela Merkel und Alexis Tsipras hinter dem Rücken ihrer beiden Finanzminister Wolfgang Schäuble und Yanis Varoufakis einen Deal, der es ihnen erlaubte, weiterzuwursteln. Auch diesmal hoffen das italienische Establishment und die EU-Technokraten, dass die Finanzmärkte den Italienern Angst einjagen und sie zum Umdenken bewegen werden.

Es ist eine trügerische Hoffnung. Auch die Italiener haben den Grexit-Film gesehen – und sind wenig begeistert davon. Sie wissen zudem, dass ein Italoexit der EU sehr viel mehr weh tun würde. Ohne Reformen und Zugeständnisse an Rom wird es sehr schwierig werden, den Euro ein weiteres Mal zu retten.

Italiens Regierungsbildung gescheitert – Neuwahl 2019

Video: srf
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
100 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Triumvir
30.05.2018 15:11registriert Dezember 2014
Weshalb sollte denn ein Italoexit so schlimm sein!? Lasst die Italiener doch gehen, wenn sie lieber alleine weiterwursteln wollen. Die Briten haben es schliesslich vor gemacht und auch dort ist (noch) kein wirtschaftlicher Weltuntergang eingetreten und die EU gibt's auch immer noch...Was jedoch allen Italienern klar sein sollte, dass ein Schuldenerlass sicher nicht in Frage kommt. Damit müssen sie dann auch alleine klar kommen.
14460
Melden
Zum Kommentar
avatar
FrancoL
30.05.2018 18:28registriert November 2015
Da hier viele eher Jüngere Schreiberlinge unterwegs sind, möchte ich noch erwähnen, dass vor dem Einführen des Euros, die Kapitalflucht in Italien ein riesen Problem war, vor allem in Norditalien und vor allem bei den KMUs die heute den Salvini stützen mögen.
Jeder der irgendwie etwas Geld hatte der unternahm das Mögliche und auch Unmögliche um keine Lire auf der Bank zu haben.
Heute 2 Jahrzehnte später würde genau das Gleiche ablaufen: Flucht aus der immer schwächer werdenden Lire.
Und nun soll mir einer erläutern wieso es, auch mit Arbeitsplatzzunahme, den Italienern besser gehen sollte?
416
Melden
Zum Kommentar
avatar
Zeit_Genosse
30.05.2018 16:58registriert Februar 2014
Die Mafia gedeiht im Chaos besser und Salvini wird noch an der langen Leine geführt.

Hätte man Italien in der EU mehr Wertschätzung und frühe Unterstützung bei der Flüchtlingssituation entgegengebracht, wäre das Volk nicht auf der Seite der Populisten. Italien ist so weit, dass etwas passieren muss. Es ist Egal wenn es sie selbst trifft, Hauptsache „jemand“ tut etwas. #irrational
378
Melden
Zum Kommentar
100
Exporte von Schweizer Süssigkeiten steigen an

Im vergangenen Jahr wurden mehr Süssigkeiten aus der Schweiz exportiert. So legten die Exporte der Schweizer «Zuckerwaren» im Jahr 2023 deutlich zu. Einbussen verzeichneten dagegen die «Dauerbackwaren».

Zur Story