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Wie die Credit Suisse mit einem raffinierten Netz aus Scheinkonstrukten 10 Milliarden Dollar versteckte

Auszug aus dem Statement of Facts, dem Schuldeingeständnis.
Auszug aus dem Statement of Facts, dem Schuldeingeständnis.
Das Geständnis

Wie die Credit Suisse mit einem raffinierten Netz aus Scheinkonstrukten 10 Milliarden Dollar versteckte

Unzählige Credit-Suisse-Mitarbeiter haben über ein kompliziertes Netz von Scheinkonstrukten unter dem Deckmantel des Bankgeheimnisses Vermögenswerte von 10 Milliarden Dollar versteckt.
21.05.2014, 06:0021.05.2014, 08:27
Ein Artikel von Aargauer Zeitung
Aargauer Zeitung
Marc Fischer / Aargauer Zeitung
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Das US-Justizministerium hat in der Nacht auf Dienstag das Schuldeingeständnis der Credit Suisse, das sogenannte Statement of Facts, aufgeschaltet. Im Vorfeld wurde darüber gerätselt, wer das Statement unterzeichnen würde. Wer die Unterschrift von CS-Verwaltungsratspräsident Urs Rohner oder jene von CEO Brady Dougan erwartet hatte, wurde enttäuscht. Unterzeichnet wurde es von einem Konzernanwalt, einem gewissen Alan Reifenberg. 

Die damit anerkannten Vorwürfe sind happig. So habe die Schweizer Bank seit den 1930er-Jahren bis heute das Bankgeheimnis ausgenutzt. «Das Geheimnis ermöglichte es den US-Kunden, ihre Gelder vor der US-Justiz zu verbergen», heisst es im Statement. 

Die Credit Suisse und ihre im Statement nicht genannte Vorgängerorganisation Schweizerische Kreditanstalt sowie diverse spätere Tochtergesellschaften wie die Clariden Bank, Bank Leu, Bank Hofmann, die Banca di Gestione Patrimoniale und die zahlreichen Fides-Gesellschaften hätten sich «unrechtmässig, absichtlich, vorsätzlich und bewusst» verschworen, um US-Kunden mit Rat und Tat behilflich zu sein, den US- Fiskus zu betrügen. 

Desk am Flughafen

Für die Jahrzehnte vor 2009 seien es «Tausende» von Kunden gewesen, denen die Credit Suisse Konten mit nicht deklarierten Vermögen eröffnet habe. Im Jahre 2006 sind es gemäss dem Statement 22'000 Kunden gewesen von denen die Credit Suisse 10 Milliarden Dollar verwaltet habe. Hauptsächlich über verschiedene Büros in Zürich und Genf, inbegriffen ein «Desk» am Zürich Flughafen. «Das in der Schweiz ansässige North- America-International-Desk, intern als SALN bezeichnet, beschäftigte 15 bis 20 Relationship Manager, die auf US-Kunden fokussiert waren», heisst es im Statement. 

Daneben haben aber weitere 430 Relationship Manager ausserhalb der SALN-Abteilung US-Kunden betreut, «inklusive deklarierter und nicht deklarierter Konti». Von 2002 bis 2008 hätten Nicht-SALN-Mitarbeiter bis zu 4800 Kunden betreut mit einem Vermögen von rund 3 Milliarden Dollar. 

Vor 2007 habe die später in der Grossbank aufgegangenen Privatbank-Tochter Clariden Leu rund 240 Relationship Manager beschäftigt, die sich um US-Kunden kümmerten. Vor der Integration der Clariden Leu in die Credit Suisse, die 2012 vollzogen wurde, hätten Clariden-Leu-Mitarbeiter rund 1500 US-Kunden mit einem Vermögen von rund 2 Milliarden Dollar betreut, darunter Konten von Kunden, die nicht richtig bei der US-Steuerbehörde IRS deklariert worden waren. 

Anfänge der Scheingesellschaften bereits 1910

Und was haben die CS-Kundenbetreuer konkret gemacht? Sie haben den US-Kunden Anweisungen gegeben, wie sie Scheingesellschaften als wirtschaftlich Berechtigte nutzen können, um Gelder nicht deklarieren zu müssen. Sie haben Formulare falsch ausfüllen lassen, haben die notwendigen Informationen für die Konten nicht eingefordert oder Akten zerstört, die zur Kontrolle der Kunden in die USA geschickt worden sind. Die Kundenberater seien dafür in die USA gereist oder haben über Telefon, Fax, Mail kommuniziert. 

Bezüglich der Scheingesellschaften, mit denen die Credit Suisse operierte, schlägt das Statement of Facts den Bogen zurück bis in die 1910er-Jahre. Die rechtlichen Strukturen wurden von Credit Suisse Fides Trust, Fides Holding, Fides Trust umgesetzt. «Die Strukturen beinhalteten Stiftungen («Foundations»), Trust und Offshore-Gesellschaften», so das Statement. 1997, nach einer Serie von Untersuchungen durch die US-Steuerbehörde, seien diese Mandate in eine neue Gesellschaft ausgelagert worden: in die Dörig Partner AG, die von Josef Dörig, einem ehemaligen Fides-Mitarbeiter, geführt wurde. Dörig hat sich am 30. April 2014 der Beihilfe zur Steuerhinterziehung für schuldig erklärt. Er ist damit vorbestraft. Seine Strafzumessung wird im August verkündet. 

Von 1997 bis 2008 half der SALN-Abteilung bei der Betreuung der US-Kunden auch die Zürcher Sinco Treuhand-Gesellschaft von Beda Singenberger mit, «ähnlich Trust-Dienstleistungen zu erbringen». Singenberger ist im Mai 2013 als einziges Verwaltungsratsmitglied und Direktor bei Sinco ausgeschieden. Er wurde 2011 in New York angeklagt. Seither ist er, in den Augen der US-Justiz, flüchtig. Singenberger ist die Spinne im Netz. Sein Name taucht fast in sämtlichen Fällen des Steuerstreits irgendwo auf. 

Unterschrieben wurde das Statement of Facts am 19. Mai 2014. Mit der Unterschrift ihres Anwalts bestätigte die Grossbank, dass alle im Statement enthaltenen Vorwürfe «wahr und korrekt» sind. 

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