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Mögliche Strafzinsen der EZB sorgen für hitzige Diskussionen 

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Mögliche Strafzinsen der EZB sorgen für hitzige Diskussionen 

Am Donnerstag könnte die EZB die extrem tiefen Zinsen erneut drücken und eine Art Strafgebühr für Geld hortende Geschäftsbanken festlegen. Ökonomen warnen vor möglichen Folgen für die ohnehin schon schwer gebeutelten Sparer. 
02.06.2014, 09:3402.06.2014, 12:57
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Vor dem mit Spannung erwarteten Zinsentscheid der Europäischen Zentralbank (EZB) am Donnerstag hat die Debatte um den geldpolitischen Kurs in der Euro-Zone erneut Fahrt aufgenommen. Beobachter halten es für wahrscheinlich, dass die Notenbank im Kampf gegen die zu niedrige Inflation den bereits auf dem Rekordtief von 0,25 Prozent verharrenden Leitzins abermals senkt.

In der Diskussion um Strafzinsen für Geschäftsbanken, die grössere Geldbestände bei der EZB horten, warnen Ökonomen aber auch vor den möglichen Konsequenzen für Sparer und Inhaber von Kapitalanlagen. Der hohe Wechselkurs des Euro drückt zudem auf die Exporterlöse vieler Firmen.

«Den Schaden haben die Sparer»

Das ohnehin schon extrem niedrige Zinsniveau könnte unabhängig von der Leitzinsentscheidung weiter fallen, falls die Institute für ihre EZB-Depots einen sogenannten negativen Einlagezins zahlen müssten, fürchtet der Präsident des Münchner Forschungsinstituts IFO, Hans-Werner Sinn. «Den Schaden haben die Sparer, deren Zins nun noch weiter unter die Inflationsrate gedrückt wird», sagte er der «Wirtschaftswoche».

Sparkonten, aber auch andere Finanzprodukte werfen derzeit kaum Erträge ab. Dagegen befeuert das billige Zentralbankgeld die Aktienmärkte. Um die Banken zu einer stärkeren Kreditvergabe an Verbraucher und Unternehmen anzuregen, anstatt grosse Summen bei der EZB zu parken, wird die Einführung des Einlagezinses diskutiert.

Der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, äusserte sich ebenfalls skeptisch zu Strafgebühren auf Bankeinlagen bei der EZB. Der Kreditmarkt lasse sich so kaum zusätzlich ankurbeln, sagte der Ökonom der «Wirtschaftswoche»: «Es ist als symbolische Geste zu verstehen.» Mit Blick auf eine mögliche Leitzinssenkung verlangt der Bundesverband deutscher Banken von der Politik, staatliche Zinsersparnisse in Steuersenkungen umzumünzen.

Spekuliert wird überdies, dass EZB-Präsident Mario Draghi und seine Kollegen über den Leit- und Einlagezins hinaus weitere Massnahmen beschliessen. Dabei könnte Draghi etwa riesige Kapitalspritzen für den Finanzsektor – scherzhaft «dicke Bertha» genannt – im Blick haben. Als Bedingung sollen allerdings nur Geldhäuser, die anschliessend auch mehr Darlehen an Unternehmen geben, Aussicht auf Zusatzkredite haben.

Starker Euro belastet Exporte

Neben der Zinspolitik dürfte bei den Beratungen der Notenbanker auch der Euro-Kurs ein Thema sein, obwohl sie formal in erster Linie für die Preisstabilität in der Euro-Zone zuständig sind. Der anhaltend hohe Kurs des Euro etwa im Verhältnis zum US-Dollar belastet die Exporte aus der EU. Nach einer Studie des Beratungsunternehmens Ernst & Young, über die die «Welt» am Samstag berichtete, fielen viele Firmen der Euro-Zone im vorigen Jahr hinter die Konkurrenz aus den USA zurück.

Insgesamt mussten Europas 300 umsatzstärkste börsennotierte Konzerne demnach 2013 ein Gewinnminus von drei Prozent auf 643 Mrd. Euro hinnehmen. In den USA hätten die Top 300 jedoch einen fünfprozentigen Anstieg der Erträge auf in der Summe 831 Mrd. Euro verbucht. Firmen in Nicht-Euro-Ländern wie Grossbritannien und Schweden sei es besser gegangen als solchen in Euro-Ländern. Banken und Versicherer kamen in der Studie nicht vor.

Eine Aufweichung des Euro-Stabilitätspakts, über die im Zuge des Streits mit dem britischen Premier David Cameron über eine Wahl Jean-Claude Junckers zum Präsidenten der EU-Kommission spekuliert wurde, ist aus Sicht des deutschen Finanzministers Wolfgang Schäuble kein Thema. «Das dürfen wir nicht miteinander verknüpfen», sagte Schäuble dem «Focus».

Die Regeln der EU müssten eingehalten werden. «Sonst verspielen wir jegliches Vertrauen. Regeln machen nur Sinn, wenn sie unabhängig von den agierenden Politikern Bestand haben.» (kub/sda/dpa)

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