Der englische Begriff «Coin» bedeutet zwar Münze, doch Bitcoins kann man bekanntlich nicht anfassen. Sie sind ein Software-Code. Am besten vergleicht man Bitcoins mit einer Steinwährung, welche die Bewohner der Südseeinsel Yap seit Urzeiten benutzten.
«Dies funktioniert, indem ein Insulaner nach einem Bezahlvorgang alle anderen auf der Insel informierte, wem er gerade einen Rai-Stein gegeben hatte», stellt Julian Hosp in seinem soeben erschienen Buch «Kryptowährungen» fest. «Es wurde also NICHT der Stein weitergegeben, sondern das Wissen darüber, wer einen Stein besass. Der Stein selbst blieb immer am selben Platz.»
Das gleiche Prinzip gilt auch für die Kryptowährungen. Das Wissen, nicht der physische Besitz zählt, und wer dieses Wissen darüber verliert, verliert auch sein Vermögen. Denn die Coins sind nicht physisch wie etwa Goldbarren in einem Banksafe gelagert, sondern in einem sogenannten virtuellen Wallet.
Dieses persönliche Wallet ist mit einem Passwort gesichert. Wer dieses Passwort vergisst, der kann es nicht einfach zurücksetzen lassen, denn es handelt sich um einen einmaligen, verschlüsselten Code.
Passwörter werden bekanntlich oft vergessen, auch bei Kryptowährungs-Wallets. Die auf Blockchain spezialisierte Beratungsfirma Chainalysis hat errechnet, dass derzeit Bitcoins im Wert von rund 25 Milliarden Dollar verloren sind. Konkret seien rund 3,7 Millionen der Münzen nicht mehr lokalisierbar, schreibt Hannah Murphy dazu in der «Financial Times».
Der grösste Teil der verschwundenen Bitcoins – rund 2 Millionen –, wird Sathosi Nakamoto, dem mysteriösen Erfinder der Kryptowährung, zugeschlagen. Doch auch beim verbliebenen Rest handelt es sich noch um einen zweistelligen Milliarden-Dollar-Betrag. Sie gehen in der Regel auf das Konto derer, die Bitcoins zum Spass erwarben, als diese noch kaum etwas wert waren.
Die Passwörter zu ihren Wallets haben diese Bitcoinbesitzer vor Jahren irgendwo verlegt und können sie nun nicht mehr finden. Daher treten vermehrt Jäger des Kryptowährungsschatzes auf den Plan. «Es gibt zahlreiche Webseiten, die anbieten, mit nackter Gewalt in die Wallets einzudringen», meldet die «Financial Times». «Sie benützen dabei Supercomputer, die endlose Passwort-Kombinationen durchrechnen.»
Nackte Gewalt führt jedoch kaum je zum Erfolg. Bitcoins sind extrem gut verschlüsselt. «Aus heutiger Sicht kann ein solcher Hack komplett ausgeschlossen werden», stellt denn auch Julian Hosp fest. Daher gibt es auch so genannte «Krypto-Hypnotiseure».
Sie versprechen, das unbewusste Wissen eines Menschen anzuzapfen und so das vergessene Passwort wieder in Erinnerung zu rufen. Ein gewisser Jason Miller im US-Bundesstaat South Carolina bietet diese Dienste via Skype an. Er verlangt allerdings einen happigen Preis dafür: Einen halben Bitocoin als Anzahlung – das sind gegenwärtig mehr als 3000 Franken – und 5 Prozent des Wertes der wiedergefundenen Coins.
Angesichts der Gewinn-Explosion der Kryptowährungen treten neuerdings auch Dienste auf, welche versprechen, die Coins sicher aufzubewahren. Verschieden Krypto-Wechselstuben bieten einen solchen Service an. Aber Vorsicht: Diese Dienste sind weniger sicher als ein privates Wallet und daher bevorzugte Ziele von Hackern.
Wer auf Nummer sicher gehen will, muss daher ein eher mühsames Prozedere wählen: das Paper Wallet. Man notiert sein Passwort auf verschiedene Zettel – mit Bleistift, nicht mit Kugelschreiber, denn Tinte verbleicht – und deponiert sie an verschiedenen Orten. «Paper Wallets sind heute noch gängig und gelten als eine der sichersten Möglichkeiten, den Private Key zu speichern», so Hosp.
Die Passwortfrage bleibt die Achilles-Ferse der Kryptowährungen, zumal wir in einer Gesellschaft leben, in der die Menschen immer älter werden. Alzheimer lässt grüssen. «Ohne einen einfacheren Weg, Krypto-Vermögen sicher und einfach aufzubewahren, werden es die digitalen Währungen es schwer haben, sich im Alltag durchzusetzen», stellt Hannah Murphy fest.