Tidjane Thiam ist wohl besser vernetzt als jeder andere CEO eines Schweizer Unternehmens. Seine Freundesliste reicht von Barack Obama über George Clooney bis hin zu Emmanuel Macron, wie die «NZZ am Sonntag» schreibt.
Noch nie hat es ein Manager mit afrikanischen Wurzeln in der Corporate Welt weiter nach oben geschafft als Thiam. Doch nun könnte er über die Beschattungs-Affäre stolpern – und ziemlich tief fallen. Die Entscheidung über seine Entlassung bei der Credit Suisse folgt nächste Woche.
Die letzte grosse Niederlage musste der CS-CEO im Jahr 1999 hinnehmen. Damals war er als Planungsminister der Elfenbeinküste tätig, als es zu einem Militärputsch kam. Thiam wurde unter Hausarrest gestellt – ein Verschulden traf ihn jedoch damals nicht. Ganz im Gegensatz zur Situation, in der er sich jetzt befindet.
Die scheinbar zentralen Fragen bei der Beschattungs-Affäre lauten: Hat Thiam die Beschattung von Iqbal Khan persönlich angeordnet – und waren der Grund gar private Rachegelüste? Doch viel bedeutender ist die Frage nach dem Ego und dem Machtstreben des Star-Managers.
Als Manager kann Thiam die erfolgreiche Sanierung der Credit Suisse vorweisen. Als Chef ist es ein autokratischer Führungsstil und eine Vorliebe für Selbstinszenierung. Im Umgang soll Thiam nicht leicht sein – was im Unternehmen laut der «NZZ am Sonntag» für Unmut gesorgt haben soll. Er selbst sagte in einem Interview mit dem TV-Sender Bloomberg: «Ich kann ungeduldig sein. Aber arrogant? Respekt gegenüber anderen Menschen ist ein zentraler Wert für mich.»
Thiam wurde vor vier Jahren von der britischen Versicherung Prudential abgeworben. Das liess sich die CS etwas kosten: 14 Millionen CHF kostete die Antrittsprämie. Trotzdem kam es im Jahr 2017 zu Diskussionen wegen seines Lohnes. Der Manager soll sogar mit Kündigung gedroht haben.
Doch langsam und im Hintergrund agierend baute der junge Banker Iqbal Khan seine Macht im Unternehmen aus. Er leitete die Abteilung für globale Vermögensverwaltung – eine reine Gewinnmaschine. Thiam wand sich selbst das Kränzchen für deren Erfolg – schliesslich war die Strategie seine Idee.
Als Khan im Juli die CS unerwartet verliess, liess sich Thiam als sein grosser Entdecker feiern, obwohl Khans Aufstieg bereits viel früher begann. 2013 wurde der Shootingstar von Ernst&Young abgeworben und als Private Banking Finanzchef eingesetzt. In seinem Posten war er sehr erfolgreich und der Gewinn seiner Abteilung stieg innerhalb von drei Jahren um 80 Prozent.
Der ehrgeizige, besonders eloquente und enorm selbstbewusst auftretende Khan, wollte jedoch weiter nach oben in der Chef-Etage. Dies tat er mit starken Nachdruck und erlaubte es sich – nicht auch weil er CS-Präsident Urs Rohners Rückhalt genoss – dem grossen Thiam die Stirn zu bieten. Das missfiel Tidjane Thiam und sorgte für Irritationen.
Neben der geschäftlichen Anfeindung kam es auch privat zu Problemen. Die beiden Alphatiere sind in Herrliberg ZH nämlich Nachbarn. Thiam soll sich über den Baulärm ausgelassen haben – privat und bei der Credit Suisse. Für Khan gab es nur eine Lösung für seine Probleme: Er musste die Credit Suisse verlassen. Er heuerte bei der grössten Konkurrenz, der UBS, an. Optimal für Thiam: Er konnte sein grosses Karriereziel wieder erreichen: Das Präsidium der Credit Suisse, da Rohner im Jahr 2021 von seinem Amt zurücktreten wird.
Nun scheint dieses Ziel wieder weit in die Ferne zu rücken. Im schlimmsten Fall wird Thiam die Beschattungs-Affäre den Job kosten. Alle Verdienste, die er für die CS geleistet hat, sind plötzlich nebensächlich. Es wäre ein herber Rückschlag für Thiam, jedoch nicht der erste.
Trotz den vielen Erfolgen, die Thiam vorweisen konnte, stand er immer wieder unter Kritik. «Er sei abgehoben und respektlos», schreibt die «NZZ am Sonntag». Er kann aber auch anders: Er kann auch sehr einnehmend und korrekt sein. Doch genau diese gegensätzlichen Charakterzüge, gepaart mit einem ordentlichen Selbstvertrauen, macht seinen Mitmenschen zu schaffen. Ähnlich ist es bei Iqbal Khan. Einst ein starkes Dreamteam, stolpern die beiden Manager über ihre gekränkten Egos – und bezahlen womöglich mit dem für sie höchsten Preis: Ihrer Karriere. (mim)
Das ist eben genau NICHT Selbstbewusstsein sondern schlicht Unsicherheit. Sehr typisch für Narzissten, wobei ich bei Thiam sogar in Richtung Soziopathie tendiere.