Es ist eine weitere Ohrfeige für Coop: Nur wenige Tage nachdem der Basler Detailhändler sein Online-Warenhaus Siroop beerdigt hat, zündet die Migros mit ihrer Tochter Digitec Galaxus die nächste Stufe. Der Onlinehändler baut sein Sortiment deutlich aus und spannt dafür mit dem deutschen Online-Schuhhändler surf4shoes sowie dem Schweizer Traditionsgeschäft Vögele Shoes zusammen.
Während Vögele 600 Damen-, Herren- und Kinderschuhmodelle ins Sortiment einbringt, sind es von surf4shoes über 10'000 – von Sneakers über Gummistiefel bis zu Pumps und High Heels. Damit umfasst das Schuhsortiment auf Galaxus nun 19'000 Artikel, wie Firmenchef Florian Teuteberg gegenüber der «Schweiz am Wochenende» bestätigt. Und dabei soll es nicht bleiben. Der Ausbau des Schuhsortiments sei der erste Teil einer starken Expansion im Bekleidungsgeschäft, sagt Galaxus-Mitgründer Teuteberg. «In den kommenden Monaten werden wir viele Fashion-Anbieter anbinden.»
Heute bietet das Online-Warenhaus mehr als 1,6 Millionen Produkte an. «Bis Mitte Jahr sollen es über 2 Millionen sein», sagt Teuteberg. Vor einem Jahr waren es erst 700'000 Artikel. Der Ausbau soll wie im Falle von Vögele und surf4shoes vor allem mit Dritten gelingen. So wurde zuletzt das Sortiment vom Schmuck- und Uhrenanbieter Thomas Sabo integriert, des Haustiergeschäfts Qualipet, des Möbelspezialisten Beliani und dem Weinhändler Baur au Lac Vins.
Die Frage ist, wie gut es Galaxus gelingen wird, Mode-Platzhirsch Zalando Kunden streitig zu machen. Und noch zentraler: Kann Galaxus rechtzeitig aufrüsten, bevor Amazon hierzulande richtig in die Gänge kommt? Der US-Riese hat erst kürzlich mit der Schweizer Post einen Vertrag unterschrieben, um den Versand der Amazon-Pakete zu vereinfachen.
Es sind Fragen, die sich Coop mit Siroop nicht mehr stellen muss. Während die Migros sich 2012 bei Digitec Galaxus einkaufte und per 2015 mit 70 Prozent die Mehrheit an der Firma übernahm, blieb Coop das Nachsehen. Im Mai 2016 wagten die Basler dann aber zusammen mit der Swisscom – die wie Coop von Hansueli Loosli präsidiert wird – zum grossen Angriff: Sie lancierten den Online-Marktplatz Siroop als Schweizer Alternative zu Amazon, auf dem verschiedene Händler ihre Produkte verkaufen konnten. Doch auch eine kostspielige Marketingkampagne brachte das Konzept nicht zum Fliegen. Anfang dieser Woche wurde die Reissleine gezogen.
Fortan konzentriert sich Coop auf seine Onlineshops wie Interdiscount, Fust oder Microspot. Siroop ist der bisher grösste Flop in der Ägide von Coop-Chef Joos Sutter. Die «Handelszeitung» schätzt, dass sich der Detailhändler allein letztes Jahr rund 45 Millionen Franken ans Bein streichen musste. Insgesamt dürfte der schmerzhafte Verlust noch höher ausfallen.
Digitec Galaxus erzielte letztes Jahr einen Umsatz von 861 Millionen Franken, dürfte laut Branchenkennern aber noch nicht profitabel sein. Doch nach dem Siroop-Aus liegt der Vorteil nun klar bei der Migros-Tochter. Pikant: Um Zalando Mode-Kunden abzuluchsen, setzt Galaxus-Chef Teuteberg ausgerechnet auf die Technologie der Zalando-Tochter TradeByte – ein so genannter Datenintegrator für Marktplätze, der es Händlern ermöglicht, ihre Sortiment rasch einzubinden. «Sowohl Vögele Shoes als auch surf4shoes haben die technische Integration über TradeByte vollzogen», sagt Teuteberg.
Die beiden Schuhhändler sind für ihr Angebot auf Galaxus und den Versand selber zuständig. «Sie verkaufen in eigenem Namen und auf eigene Rechnung», sagt Teuteberg. Galaxus fungiere als Vermittler und stelle quasi das Schaufenster zur Verfügung. Ist Galaxus mit der Mode-Offensive erfolgreich, wäre es eine späte Genugtuung für die Migros, die im Modebereich bisher glücklos agierte. Ihre Millionen-Beteiligung an Charles Vögele musste sie abschreiben, und das Modehaus Schild wurde kürzlich zugunsten der Marke Globus aufgegeben.
Letzten September hat Digitec Galaxus in Wohlen AG sein Warenlager ausgebaut. Nun ist es so gross wie sieben Fussballfelder. Damit ist die Firma für eine Verdoppelung des Versandvolumens gerüstet. Denn noch 2018 ist der Start von Galaxus.de geplant, um auch in Deutschland Drohnen, Windeln und Sofas zu verkaufen.
Gestern gab die Migros-Tochter zudem bekannt, dass sie ein Logistikzentrum im süddeutschen Weil am Rhein in Betrieb genommen hat. Dieses soll den grenzüberschreitenden Verkehr vollautomatisiert abwickeln. Bisher hatte Digitec Galaxus nur wenige ausländische Handelspartner und der Import war kompliziert. Dank einer selber konzipierten Logistiklösung sei jetzt die Paketlieferung in die Schweiz innert maximal 24 Stunden möglich, ohne zusätzliche Zoll- oder Mehrwertsteuergebühren.