Die meisten präsidialen Tweets versinken inzwischen in der Bedeutungslosigkeit. Doch am vergangenen Freitag stach einer aus der Tweet-Flut heraus: Er werde eine Wahlkampf-Veranstaltung für Ted Cruz in Texas abhalten, kündigte Trump an. Und: «Ich werde das grösste Stadion auswählen, das wir finden können», fügte er hinzu.
Die Liebe des Präsidenten zum texanischen Senator kommt überraschend. In den Vorwahlen 2016 war Cruz der härteste Gegner von Trump und erhielt daher eine Sonderbehandlung. Trump nannte ihn Lügen-Ted (Lyin’ Ted), beschimpfte seine Gattin und unterstellte seinem Vater eine Beteiligung am Kennedy-Mord.
Cruz liess sich ebenfalls nicht lumpen. Am Parteikongress verweigerte er dem frisch gekürten Präsidentschaftskandidaten Trump seine Unterstützung. Inzwischen ist er eingeknickt.
Warum haben sich die beiden Erzfeinde plötzlich lieb? Der Grund hat einen Namen und heisst Beto O’Rourke. Dieser junge Mann kämpft gegen Cruz um einen Senatssitz in Texas, und er tut dies mit Erfolg. Jüngste Meinungsumfragen zeigen, dass er bloss noch einige Prozentpunkte hinter Cruz zurückliegt.
Dabei müsste O’Rourke eigentlich chancenlos sein. Er verkörpert das Gegenteil des Bildes, das man sich von einem Texaner macht: Der 45-jährige hat an der New Yorker Columbia University studiert, er spielte in einer Punk Band und macht kein Hehl daraus, dass er in seiner Jugend Hasch geraucht hat.
Auch sein politisches Programm müsste auf den ersten Blick in Texas ungläubiges Kopfschütteln auslösen: O’Rourke plädiert für härtere Waffengesetze, für einen Mindestlohn von 15 Dollar die Stunde – und er verteidigt den Protest der schwarzen Football-Spieler. Ein Video, in dem er diese Haltung begründet, ist der Renner auf YouTube.
Doch in Texas punktet auch, wer kein konventioneller Politiker sein will. So gesehen ist O’Rourke ein typischer Texaner. Er ist kein gemässigter Liberaler, der sein Heil in der politischen Mitte sucht. «In der Mitte der Strasse findet man eine gelbe Linie und tote Armadillos», lautet sein Credo.
Inzwischen wird O’Rourke bereits als neuer Star am amerikanischen Polithimmel gehandelt. Als er Gast beim Komiker Bill Maher war, wurde er vom Publikum wie ein Rockstar empfangen. «Es war wie einst bei den Beatles», staunten die Kritiker. Analysten, die das Gras wachsen hören, sehen in ihm bereits den nächsten Barack Obama.
Tatsächlich spricht viel für den Texaner. Junge Progressive sind derzeit gefragt. In New York hat Alexandra Ocasio-Cortez überraschend die Vorwahlen für einen Abgeordnetensitz gewonnen, in Florida kann sich Andrew Gillum Hoffnungen auf das Amt des Gouverneurs machen.
In Texas spricht nicht nur das Momentum für O’Rourke, sondern auch die Demografie. Die Bevölkerung wird immer brauner, sprich, die Hispanics sind im Vormarsch. Die grossen Städte wie Houston und Dallas sind keine Hochburgen der Republikaner mehr, die Hauptstadt Austin ist fest in der Hand der Progressiven.
Trump befindet sich derweil in einem Stimmungstief. Die jüngsten Meinungsumfragen zeigen, dass nur noch 36 Prozent der Amerikanerinnen und Amerikaner seine Politik unterstützen. Das Begräbnis von John McCain wurde gar zu einer eigentlichen Protestveranstaltung der anständigen Republikaner gegen den amtierenden Präsidenten.
In Texas hat man nicht vergessen, wie Trump Ted Cruz vor zwei Jahren behandelt hat. Eine Gruppe von Aktivisten will einen Tweet des Präsidenten aufblasen und ihn als Gedächtnisstütze auf die Billboards entlang der texanischen Highways platzieren.