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Wie Trump den Mueller-Bonus verzockt

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Wie Trump den Mueller-Bonus verzockt

Der Präsident startet einen neuen Angriff auf das Gesundheitssystem – sehr zur Freude der Demokraten.
27.03.2019, 14:2428.03.2019, 09:27
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Gestern feierte Nancy Pelosi, die Anführerin der Demokraten im Abgeordnetenhaus, Geburtstag. «Und Trump hat ihr das schönste Geschenk überreicht», titelt die «Washington Post» in einem Kommentar. Was ist passiert?

«Wir müssen unser Gesundheitswesen reformieren – nicht in die Luft sprengen.»
Tom Reed

Im vergangenen Herbst hat ein erzkonservativer Richter in Texas befunden, dass die Gesundheitsreform von Barack Obama – Obamacare genannt – gegen die Verfassung verstosse. Das Urteil wurde eher belächelt, da man allgemein davon ausging, dass es vom Obersten Gerichtshof wieder umgestossen würde. Die Bundesrichter hatten schon drei Mal ähnliche Angriffe auf Obamacare abgeschmettert.

Attorney General William Barr leaves his home in McLean, Va., on Sunday morning, March 24, 2019. Barr is preparing a summary of the findings of the special counsel investigating Russian election inter ...
Kaum im Amt, schon heiss umstritten: William Barr, der neue US-Justizminister.Bild: AP/FR171401 AP

Nun aber hat das amerikanische Justizministerium DoJ überraschend bekannt gegeben, dass es nicht gegen das Urteil des texanischen Richters ankämpfen werde. Will heissen: Trump und sein neuer Justizminister William Barr geben ihre Zustimmung zu einem Urteil, das Obamacare ausser Kraft setzen würde.

Es ist keineswegs sicher, ob das Oberste Gericht das Urteil auch diesmal kassiert. Trump ist es in der Zwischenzeit gelungen, zwei konservative Richter – Brett Kavanaugh und Neil Gorsuch – in dieses Gremium zu hieven.

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Demonstration für die Beibehaltung von Obamacare.Bild: EPA/EPA

Eine Annullierung von Obamacare hätte verheerende Folgen: 20 Millionen Amerikanerinnen und Amerikaner würden ihre Gesundheitsversicherung verlieren. Rund 130 Millionen müssten höhere Krankenkassenprämien bezahlen, wenn sie unter bestehenden Erkrankungen wie beispielsweise Diabetes leiden. Krankenkassen-Subventionen für Menschen mit tiefem Einkommen würden wegfallen.

Der erneute Angriff auf Obamacare kommt überraschend und erwischt selbst die Republikaner auf dem falschen Fuss. «Das ist nicht nur ein dummer politischer Schachzug», jammert etwa Tom Reed, republikanischer Abgeordneter aus New York. «Dieser Entscheid tut realen Menschen weh. Wir müssen unser Gesundheitswesen reformieren – nicht in die Luft sprengen.»

Im Wahlkampf hatte Trump versprochen, seine erste Amtshandlung werde es sein, Obamacare ausser Kraft zu setzen. Das hat er gründlich verkackt. Nach heftigen Bürgerprotesten bekamen genügend Republikaner kalte Füsse. Trump verlor die entscheidende Abstimmung im Senat, weil ihm John McCain die Gefolgschaft verweigerte.

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Inzwischen lieben die Amerikaner Obamacare.Bild: EPA/THE BOSTON GLOBE POOL

Weder Trump noch den Republikanern ist es zudem gelungen, eine glaubhafte Alternative zu Obamacare zu entwickeln. Im Gegenteil, die heftigen Auseinandersetzungen vor zwei Jahren haben aufgezeigt, wie hilflos die Grand Old Party in dieser Frage ist. Sie haben auch gezeigt, dass dieses Gesetz – neun Jahre nachdem es in Kraft gesetzt wurde – bei der Mehrheit der Amerikaner sehr beliebt ist.

Für die Demokraten ist der erneute Angriff auf Obamacare ein Geschenk des Himmels. In den Midterms haben sie einen Erdrutsch-Sieg eingefahren, weil sie dieses Gesetz vehement verteidigt haben. Indem er die Diskussion wieder auf das Gesundheitswesen fokussiert, hat Trump den Demokraten einen Steilpass gespielt, der von der festgefahrenen Russland-Affäre ablenkt.

«Die Position des Justizministeriums ist unverständlich», sagt Timothy Jost, emeritierter Professor und Gesundheitsrecht-Spezialist an der Washington and Lee University, in der «New York Times». «[…] Die Regierung verlangt von den Appellationsgerichten, ein komplexes Gesetz ausser Kraft zu setzen, ohne zu wissen, was die Folgen sind. Das ist verantwortungslos.»

Trump lässt dies kalt. «Die Republikanische Partei wird bald die Partei des Gesundheitswesens sein», tweetete er. Gleichzeitig stellte er sich uneingeschränkt hinter seinen neuen Justizminister Barr. «Ich liebe ihn», sagte er ihm Kreis von republikanischen Senatoren. «Er arbeitet sehr schnell.»

Auch beim Mueller-Report hat Barr sehr schnell gehandelt. Innerhalb von zwei Tagen fällte er eigenmächtig das kontroverse Urteil, wonach Trump keine Behinderung der Justiz vorzuwerfen sei. Der Sonderermittler hat nach 22-monatiger Untersuchungsarbeit diese Frage offen gelassen.

epa07465483 Democratic Speaker of the House Nancy Pelosi gestures during a press conference about strengthening the Affordable Care Act (ACA) at the US Capitol in Washington, DC, USA, 26 March 2019. P ...
Hat das Gesundheitswesen zur obersten Priorität erklärt: Nancy Pelosi.Bild: EPA/EPA

Dieser Blitzentscheid könnte sich rächen. Der Druck auf das Justizministerium, den gesamten Mueller-Report zu veröffentlichen, ist sehr gross geworden. Barr hat in Aussicht gestellt, dass er innerhalb von Wochen dem Kongress eine vollständige Version überreichen werde. Nur Passagen, die unschuldigen Menschen Unrecht zufügen könnten, werden eingeschwärzt. Sollte der Justizminister dieses Versprechen halten, werden auch die Diskussionen um den Mueller-Report neu entfacht.

Die Demokraten sind derweil glücklich, dass sie mit dem Angriff auf Obamacare nun wieder im Rennen sind. Trump hat – wie auch andere führende Republikaner – im Wahlkampf stets hoch und heilig versprochen, er werde mit allen Mitteln verhindern, dass bestehende Krankheiten zu höheren Krankenkassenprämien führen. «Wir werden die Amerikaner immer und immer wieder daran erinnern, dass er dieses Versprechen gebrochen hat», erklärt James Clyburn, demokratischer Abgeordneter aus South Carolina.

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62 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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El Vals del Obrero
27.03.2019 14:56registriert Mai 2016
Erinnert direkt an unsere SVP, die bei den Mindestfranchisen zurückkrebsen musste.

Offenbar klappt "Wir sprechen (ganz laut) über Migration, während wir (ganz leise) Geld nach oben umverteilen" in verschiedenen Ländern immer weniger.
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Sauäschnörrli
27.03.2019 15:09registriert November 2015
Die Dems haben aber auch nicht gerade wenig auf die Karte „Mueller-Report“ gesetzt.
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petrolleis
27.03.2019 15:38registriert August 2017
"Nur Passagen, die unschuldigen Menschen Unrecht zufügen könnten, werden eingeschwärzt."

Er meint Trump, oder?
😋
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