Nichts ist gefährlicher als ein Land, in dem es einen Überschuss an jungen Männern gibt, die keine Zukunftsperspektive und keinen Zugang zu Frauen haben. Ohne die mit Testosteron vollgepumpten und mit Nationalismus aufgeheizten jungen Männer wäre der Erste Weltkrieg genauso wenig möglich gewesen wie der «IS»-Terror.
Im überalterten Westen fehlt heute der Überschuss an jungen Männern. Das gibt Anlass zur Hoffnung, die Welt könnte friedlicher werden, denn es fehlt das Kanonenfutter für idiotische Kriege. Das könnte man meinen. Doch wir haben stattdessen einen Überschuss an alten Männern. Die aktuellen Ereignisse in den USA zeigen, dass auch sie über ein nicht zu unterschätzendes Gefahren-Potenzial verfügen.
Dass mit Donald Trump ein vulgärer und narzisstischer alter Mann im Weissen Haus sitzt, ist hinlänglich bekannt. Mit Rudy Giuliani hat er nun einen Juniorpartner erhalten, der ihm in nichts nachsteht. Und Robert de Niro hat mit seinen idiotischen Attacken auf den Präsidenten bewiesen, dass auch Linksliberalismus nicht vor Torheit schützt.
Der Wahnsinn gerät ausser Kontrolle: Täglich decken sich die Tattergreise mit vulgären Tweets ein oder beschimpfen sich gegenseitig am Bildschirm. Der politische Diskurs in den USA – nach wie vor die Supermacht nota bene – findet auf einer Ebene statt, deren Primitivität noch vor kurzem undenkbar gewesen wäre.
Das ist nicht nur abstossend, es zeigt auch Wirkung. Die Vereinigten Staaten, die Mutter aller Demokratien, befinden sich auf einem glitschigen Pfad in den Abgrund eines autoritären Staates.
Nicht mehr zu retten ist wahrscheinlich die Republikanische Partei. Einst hat die Grand Old Party (GOP) Abraham Lincoln hervorgebracht, den wohl bedeutendsten Präsidenten der Vereinigten Staaten. Mittlerweile ist sie zu einer Kultbewegung der schlimmsten Bewohner des Weissen Hauses verkommen, für Donald Trump.
Selbst der republikanische Senator Bob Corker räumt inzwischen ein: «Es ist nie gut, wenn eine Partei ein kult-artiges Verhalten gegenüber einem Präsidenten aus der gleichen Partei entwickelt.»
Republikaner, die heute auch nur leise Kritik an Trump vorbringen, begehen politischen Selbstmord, und zwar auf der Stelle. Das haben die Primärwahlen der letzten Tage gezeigt. Im Bundesstaat South Carolina wurde Mark Sanford von der Trump-Basis in die Wüste geschickt. Der stockkonservative Abgeordnete hatte es gewagt, eine leise Kritik am Präsidenten anzubringen.
In Alabama muss derweil die Abgeordnete Martha Roby in eine zweite Primärwahl-Runde steigen. Sie hatte sich nach der Veröffentlichung der «Access-Hollywood-Aufzeichnungen» – das Video-Filmchen, in dem Trump seine legendäre Grapscher-Bemerkung macht – von ihm distanziert und wurde deswegen abgestraft.
Der Präsident greift aktiv in diese Fehden ein. Er hat buchstäblich in letzter Stunde mit einem Tweet den Opponenten von Sanford unterstützt und brüstet sich nun damit, ihm zum Sieg verholfen zu haben.
In Virginia hat er sich mit Erfolg für den republikanischen Senats-Kandidaten Corey Stewart stark gemacht. Es handelt sich dabei um einen Vertreter der faschistoiden Rechten, der sich gerne mit der Flagge der Konföderation ablichten lässt, Sympathien für den Ku-Kux-Klan zeigt und die rechtsradikalen Demonstranten in Charlottesville unterstützt hatte.
Die wenigen gemässigten Mitglieder der republikanischen Partei wenden sich angewidert ab. «Unter Trump ist die GOP nicht mehr wiederzuerkennen», jammert etwa der ehemalige Parteistratege David Ramadan in der «New York Times». «Was sind die Prinzipien, nach denen wir heute unser Handeln richten? Freier Handel? Halten wir die Familienwerte hoch, wenn wir Kinder gewaltsam von ihren Eltern trennen? Sind wir für tiefere Steuern, wenn wir die Zölle erhöhen? Trump erhält, was er will.»
Der Personenkult um Trump könnte jedoch für die GOP gefährlich werden. Er führt dazu, dass in den Primärwahlen nur noch Kandidaten eine Chance haben, die den Präsidenten blind unterstützen. Für die machtentscheidenden unabhängigen Wähler sind diese Kandidaten jedoch nicht wählbar. Die Demokraten können daher hoffen, mit einer «blauen Welle» bei den Zwischenwahlen im November wieder die Kontrolle im Kongress zu erlangen.
Vielleicht sind es jedoch weder die Demokraten noch die Wähler, die den Präsidenten zu Fall bringen, sondern die Untersuchungsrichter und der Sonderermittler Robert Mueller. Trumps Fixer Michael Cohen hat soeben seine Anwälte ausgetauscht. Vieles deutet darauf hin, dass er bereit ist, die Seiten zu wechseln.
Cohen weiss, wo Trump seine Leichen begraben hat. Wenn er nun auspackt, könnte es für den Präsidenten sehr ungemütlich werden.