In Texas waren die Midtermwahlen besonders heftig. Der demokratische Shootingstar Beto O’Rourke und das republikanische Schlachtross Ted Cruz lieferten sich einen Kampf auf Biegen und Brechen. In einigen Vorgärten von Houston war derweil ein seltsames Phänomen zu beobachten. Beto-Plakate standen friedlich neben solchen, auf denen Crenshaw zu lesen war.
Crenshaw? Bis vor einer Woche war dieser Name höchstens Politinsidern in Houston bekannt. Nun ist Dan Crenshaw national ein Begriff geworden. Schuld daran sind zwei Dinge: Erstens ist der Texaner kein typischer Trump-Anhänger und hat sich trotzdem durchgesetzt. Zweitens hat sich die beliebte Comedy-Sendung «Saturday Night Live» (SNL) einen peinlichen Ausrutscher mit ihm geleistet.
Aber der Reihe nach: Dan Crenshaw tat Militärdienst bei den Navy Seals, der legendären amerikanischen Elitetruppe. Er war im Irak und in Afghanistan im Einsatz und wurde schwer verletzt, als in seiner Einheit eine Bombe explodierte. In typischer Seal-Manier sagte er dem Sanitäter, der ihn rettete: «Schau, dass du nicht in die Luft gesprengt wirst. Es ist wirklich sch…»
Crenshaw verlor ein Auge. Daher wechselte der heute 34-Jährige in die Politik. In den Primärwahlen in seiner Heimatstadt Houston warf er eine etablierte Kandidatin aus dem Rennen, bei den Midterms setzte er sich gegen den demokratischen Gegner durch. Das war lokal eine Überraschung. National nahm davon niemand Kenntnis – bis SNL einschritt.
SNL hat einen hohen Stellenwert in der US-Politik. Wer kennt nicht die Trump-Imitation von Alec Baldwin? Oder Robert De Niro als Sonderermittler Robert Mueller? Oder die legendäre Episode, in der Lisa McCarthy den damaligen Pressesprecher Sean Spicer durch den Kakao gezogen hat?
Vor Wochenfrist war es wieder so weit. Pete Davidson, ein SNL-Star, machte sich über die Midterms lustig und erläuterte zu einem Foto von Crenshaw mit Piratenauge: «Es mag euch überraschen, dass das hier ein Abgeordneter aus Texas ist und nicht ein Schläger aus einem Pornofilm.»
Der Spruch kam ganz schlecht an. Nicht nur die konservativen Moderatoren bei Fox News liefen Amok. Auch in den linksliberalen Kanälen fand man es geschmacklos, sich über einen verdienten Veteranen so lustig zu machen.
Crenshaw hingegen reagierte cool. Ihn störe bloss, dass der Witz so schlecht gewesen sei, meinte er. Nun reagierte auch die Leitung von SNL cool. Sie entschuldigte sich und lud den frisch gebackenen Abgeordneten in die Sendung ein. Crenshaw akzeptierte und lieferte einen blitzsauberen Auftritt ab.
Anstatt über linksliberale Medien zu jammern, witzelte er zunächst mit Davidson, bevor er ernst wurde. Da die Sendung zufällig am Veterans Day ausgestrahlt wurde, dem Tag, an dem die Amerikaner ihrer Kriegsveteranen gedenken, sagte er ohne Ironie: «Ernsthaft, wir haben hier eine Lektion zu lernen. Nicht nur, dass Linke und Rechte sich manchmal einig sein können, sondern auch: Amerikaner können einander verzeihen. Wir können uns auf das besinnen, was uns vereint.»
Dan Crenshaw is basically Big Boss. Get this man elected. pic.twitter.com/wtz965AAdI
— Ian Miles Cheong (@stillgray) 6. November 2018
Wer sich bei einem Veteranen bedanken wolle, solle daher sagen: «Niemals vergessen.» Davidson, dessen Vater als Feuerwehrmann bei 9/11 starb, nahm den Ball auf und antwortete bloss: «Niemals vergessen.»
Crenshaw ist weder Trump-Fan noch ein Never-Trumper. 2015 hatte er ihn auf Facebook zwar als «Idioten» bezeichnet, doch heute sagt er, er unterstütze die Politik des Präsidenten, ausser den Handelskrieg. Mit seinem Stil kann er sich jedoch überhaupt nicht anfreunden. «Ich würde mich niemals so aufführen», sagt er in der «Washington Post». «Aber man kann ablehnen, was er täglich sagt und trotzdem seine Agenda unterstützen.»
So erfreulich die Episode mit Crenshaw und SNL ist, sie ist nicht mehr als ein Tropfen auf den heissen Stein. Mit der Ernennung von Matthew Whitaker zum vorläufigen Justizminister hat Trump den Demokraten mehr oder weniger den Krieg erklärt. Es ist offensichtlich, dass diese Ernennung nur ein Ziel hat: den Sonderermittler Robert Mueller aus dem Weg räumen.
Die Demokraten haben ihrerseits den Fehdehandschuh aufgegriffen und angekündigt, alles zu unternehmen, um Mueller zu schützen. Der demokratische Repräsentant Jerry Nadler, der wahrscheinlich das Justiz-Komitee präsidieren wird, bezeichnete Whitaker als «Lakaien» und erklärte auf CNN: «Der Präsident mag sich einbilden, er stehe über dem Gesetz und dass er nicht zur Verantwortung gezogen werde. Aber er wird es.»