Keine Zeugen im Impeachment-Prozess, die Demokraten verkacken die Primärwahlen in Iowa, die Finanzmärkte stecken auch das Coronavirus locker weg, und bei der State-of-the-union-Rede kann sich der Präsident schamlos selbst rühmen: In den letzten Tagen schien alles für Trump zu laufen.
Dann kam Mitt Romney.
Vor der Abstimmung, ob der Präsident aus seinem Amt vertrieben werden sollte, stellte sich der republikanische Senator aus Utah ans Rednerpult und trug seine Rede vor. «Ich habe vor Gott einen Eid geschworen, ein unparteiisches Urteil zu fällen», sagte er. «Ich bin ein tief gläubiger Mensch. Mein Glaube bestimmt, was ich bin.»
Nach dieser mit stockender Stimme vorgetragenen Einleitung kam Romney zum Kern seiner «Hier-stehe-ich-und-kann-nicht-anders»-Rede: «Die schwerwiegende Frage, welche die Verfassung den Senatoren auferlegt, lautet, ob der Präsident etwas so Extremes und Schädliches getan hat, dass es die Kriterien von ‹hohe Verbrechen und Vergehen› erfüllt. Ja, er tat es.»
Damit hat Romney offen eingestanden, was seine Parteikollegen mit allen Mitteln unter den Tisch wischen wollten: Der Präsident hat die ihm zur Last gelegten Taten begangen. Sie wurden einwandfrei bewiesen, und gemäss Verfassung müssten ihn die Senatoren deswegen aus seinem Amt verjagen.
JUST IN: Mitt Romney becomes first GOP senator to say he'll vote to convict in Trump's impeachment trial.
— CNN (@CNN) February 5, 2020
“Corrupting an election to keep oneself in office is perhaps the most abusive and destructive violation of one’s oath of office that I can imagine.” https://t.co/G4oou9Qubc pic.twitter.com/FZwle2D1Y0
Romney weiss, dass er mit seiner Tat eine wahre Hassflut von Trump, seinen Kollegen in der Grand Old Party (GOP) und den konservativen Medien auslösen wird. Er werde wohl Beleidigungen vom Präsidenten hören, führte er aus. «Aber sollte ich für parteiische Zwecke alle Beweise ignorieren, dann würde ich meinen Charakter dem Tadel der Geschichte und der Zensur meines Gewissens aussetzen.»
Die Rache des Präsidenten folgte denn auch auf dem Fuss. Romney sei «ein heimlicher Trumpf der Demokraten», twitterte er umgehend. Sein Sohn forderte derweil den Ausschluss des Senators aus der GOP.
Auf Fox News überboten sich Sean Hannity, Laura Ingraham & Co. mit wüsten Beleidigungen an die Adresse von Romney. Er sei ein schlechter Verlierer und wolle sich dafür rächen, dass er 2012 gegen Barack Obama unterlegen sei, so die Erklärung für den vermeintlichen «Verrat».
Dabei hat Romney bloss ausgesprochen, was alle wissen. Sein Verbrechen besteht darin, dass er gegen die Partei-Loyalität verstossen hat. Kein einziges Mitglied der GOP dürfe mit dem Feind stimmen, so die Losung der Republikaner. Dieses Ziel hat Romney vermasselt und damit auch die Heuchelei aller anderen offen gelegt.
Deshalb geraten nun einige republikanische Senatoren in liberalen Bundesstaaten unter Druck, allen voran Susan Collins in Maine. Sie hatte zwar noch mit Romney dafür gestimmt, dass Zeugen vorgeladen werden sollen. In der Schlussabstimmung jedoch gab sie klein bei und sprach Trump ebenfalls frei, das Impeachment sei ihm eine Lehre gewesen. Das war so lachhaft, dass Collins wenige Stunden später zurückgekrebst ist.
Mitt Romney war nicht der einzige Held des gestrigen Tages. Doug Jones, Senator aus Alabama, stimmte wie alle Demokraten für eine Amtsenthebung des Präsidenten im Wissen, dass er damit wohl seinen Senatssitz im kommenden Herbst verlieren wird. «Viele werden mich nun wegen meines Muts rühmen», erklärte er. «Das stimmt nicht. Es geht darum, was richtig ist und was nicht.»
Das Impeachment des Präsidenten ist nun vorbei. Es hat die Politlandschaft kaum verändert. Wie die Armeen im Ersten Weltkrieg sind die Parteien tief in ihre Schützengräben eingebuddelt und in wenig fruchtbare Abnützungsschlachten verwickelt.
Die Scharmützel werden weitergehen. Die Demokraten im Abgeordnetenhaus wollen nun den ehemaligen Sicherheitsberater John Bolton vorladen, nachdem die republikanischen Senatoren dies verhindert haben. Die Republikaner im Senat ihrerseits wollen das Gleiche mit Hunter Biden tun.
Die entscheidende Schlacht wird jedoch am 8. November stattfinden. Dann werden die Amerikanerinnen und Amerikaner nach dem wohl dreckigsten Wahlkampf aller Zeiten zur Urne schreiten.
Einer ist bereits heute mit sich im Reinen. «Senator Mitt Romney hat die Ruhmeshalle der Legislatoren betreten, wie Männer wie John Quincy Adams oder John McCain, die Prinzipien über Parteiinteressen gestellt haben», stellt Dana Milbank in der «Washington Post» fest.
Chapeau den beiden, die Wahrhaftigkeit vor Kadavergehorsam gestellt haben.
Nun kriegt er sein Fett ab. Wie hässlich Rechtspopulisten mit "Kollegen", die nicht stramm auf Parteilinie sind umgehen, kennen wir ja auch von der SVP.