Was Donald Trump im Schilde führt, kann ein Blinder mit seinem Stock erkennen. Jetzt will er den Sonderermittler Robert Mueller loswerden. Auch die Motive des Präsidenten sind offensichtlich. Er will seine Familie und sein Imperium schützen. Seit Mueller der Spur des Geldes folgt, herrscht bei Trump Panik. Offenbar hat er diesbezüglich noch einige Leichen im Keller.
Der Präsident kann den Sonderermittler nicht direkt entlassen. Das muss sein Justizminister tun. Jeff Sessions ist jedoch in dieser Frage in den Ausstand getreten. Sein Stellvertreter Rod Rosenstein hat Mueller ernannt und mehrfach betont, dass er nicht daran denkt, ihn wieder zu feuern.
Trump sitzt in der Falle – und das macht ihn extrem wütend. In einer Serie von Tweets hat er seinen eigenen Justizminister aufs Übelste beleidigt und ihm Schwäche vorgeworfen. Er will ihn so zum Rücktritt mobben. Das ist nicht nur stillos, sondern auch verfassungswidrig.
In der «Washington Post» erteilt ein gewisser Kenneth Starr dem Präsidenten Nachhilfestunden in Sachen Verfassungsrecht. Starr ist nicht irgendwer. Er war der Sonderermittler, der Bill Clinton die Monica-Lewinsky-Affäre eingebrockt und ihn an den Rand eines Impeachments gebracht hat.
Unter der Schlagzeile «Mr. Präsident, bitte lassen Sie den Unsinn» stellt Starr fest: «Was Sie tun, beschädigt nicht nur Ihre Präsidentschaft, es steht auch im Widerspruch zu unserem Bekenntnis als freie Menschen und zum Rechtsstaat.»
Die amerikanische Verfassung ist das Werk der Gründerväter. Dazu gehören Benjamin Franklin, George Washington, Thomas Jefferson, John Adams, Alexander Hamilton und James Madison. Die beiden Letztgenannten haben die «federal papers» verfasst, in denen sie ein detailliertes Regelwerk definiert haben, wie die Grundsätze der Verfassung auch umzusetzen sind. Dieses Regelwerk wird «checks and balances» genannt.
Das wichtigste Prinzip eines Rechtsstaates ist die Gewaltentrennung. Der Justizminister befindet sich daher stets in einem Interessenkonflikt. Einerseits muss er die Interessen der Regierung vertreten, er muss aber auch dafür sorgen, dass die Regierung nicht gegen die Verfassung verstösst. «Als Mitglied des Kabinetts muss der Justizminister loyal zum Team des Präsidenten sein, er muss jedoch auch den Mut aufbringen, dem Präsidenten aufzuzeigen, was das Gesetz zulässt – und was nicht», stellt Starr fest.
Genau dies hat Sessions im Fall der Russland-Affäre getan. Er ist nicht nur in den Ausstand getreten, weil er bei seiner Anhörung im Senat Kontakte zum russischen Botschafter verschwiegen hat. Er musste auch in den Ausstand treten, weil das Gesetz es von ihm verlangt.
Nach Watergate hat der Kongress ein Gesetz verabschiedet, das verlangt, dass alle Mitglieder des Justizministeriums in den Ausstand treten, die irgendwie in Verbindung zu Personen stehen, gegen die ermittelt wird. Als Sessions erfuhr, dass das FBI in der Russland-Affäre eine Untersuchung wegen einer möglichen Zusammenarbeit des Trump-Teams mit den Russen eingeleitet hat, musste er in den Ausstand treten. Als jemand, der das Gesetz achtet, hat Sessions dies auch getan.
Diese Vorstellung von Verfassung und Gesetz ist Trump völlig fremd. Er verlangt von seinem Team absolute Loyalität, auch von seinem Justizminister, und kann den Zwiespalt, in dem sich Sessions befindet, nicht nachvollziehen. Er fühlt sich verraten und schlägt daher wild um sich. Mit anderen Worten: Trump handelt wie ein Strongman einer Bananenrepublik oder ein Mafia-Boss.
Obwohl er selbst von seinen engsten Beratern bestürmt wird, Sessions in Ruhe zu lassen, wird der Präsident dies kaum tun. Sollte er den Justizminister gar feuern – das wäre übrigens in seiner Macht –, dann würde er wahrscheinlich eine Verfassungskrise auslösen. Wenn es um juristische Fragen geht, dann ist der Amerikaner äusserst empfindlich.
Dazu kommt der politische Kollateralschaden. Bereits jetzt wird Trump von republikanischen Senatoren und Abgeordneten, aber auch von Fox-News-Moderatoren wie Tucker Carlson, Radio-Talkern wie Rush Limbaugh und selbst dem Onlineportal Breitbart aufgefordert, sich mit Sessions zu versöhnen.
Das Wirtschaftsestablishment wird ebenfalls unruhig. Trumps Streit mit seinem Justizminister lenkt einmal mehr Regierung und Kongress von den wichtigen Fragen – Gesundheitsreform, Steuern, Budget, Infrastruktur – ab. Das Chaos im Weissen Haus wird täglich noch chaotischer, tiefere Steuern und weniger Bürokratie rücken in immer weitere Ferne.
Bisher haben die Republikaner alle Schandtaten ihres Präsidenten geschluckt. Sie haben es hingenommen, dass er damit prahlt, Frauen zwischen die Beine zu greifen, dass er lügt und dass er sich lieber auf dem Golfplatz als im Oval Office aufhält. Doch mit seinem Sessions-Mobbing begibt sich Trump auf dünnes politisches Eis. Sollte er tatsächlich seinen Justizminister entlassen oder aus dem Amt mobben, dann könnte ihm das gleiche Schicksal blühen wie einst Richard Nixon. Dieser wurde erst dann von den Republikanern fallengelassen, als er Justizminister und Sonderermittler gefeuert hatte.