In den letzten Tagen hat Donald Trump eine wahre Flut von Tweets auf die Menschheit losgelassen. Die meisten von ihnen beziehen sich auf das, was er «Spygate» nennt. Damit ist ein Vorfall gemeint, der sich während des Wahlkampfs ereignet hat.
The corrupt Mainstream Media is working overtime not to mention the infiltration of people, Spies (Informants), into my campaign! Surveillance much?
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) 31. Mai 2018
Das FBI hat im Sommer 2016 einen Professor namens Stefan A. Halper losgeschickt mit dem Ziel, Informationen über eine mögliche Unterwanderung des Trump-Teams durch den russischen Geheimdienst zu sammeln. Für diesen Verdacht gab es handfeste Gründe.
Russische Agenten hatten zwei Jahre zuvor versucht, den Politologen Carter Page anzuwerben. Trump hatte ihn zeitweilig zu seinem aussenpolitischen Berater ernannt. Im Frühsommer 2016 war Page zudem in unbekannter Mission nach Moskau gereist und hatte sich dort mit hochrangigen Vertretern der russischen Regierung getroffen.
Der FBI-Informant wandte sich auch an George Papadopoulos, ebenfalls ein Mitglied des Wahlkampfteams. Dieser hatte im Suff einem australischen Diplomaten anvertraut, die Russen hätten «Dreck» über Hillary Clinton gesammelt und würden es dem Trump-Team zur Verfügung stellen.
Kurzum: Das FBI machte seinen Job. Es ist dafür zuständig, Angriffe auf die Vereinigten Staaten aus dem Ausland abzuwehren. Beim Versuch, die Wahlen zu manipulieren, handelt es sich zweifellos um einen feindlichen Angriff, vor allem, wenn es sich beim Angreifer um den Erzfeind Russland handelt.
Trump sieht das ganz anders: Einmal mehr wähnt er sich als Opfer einer dumpfen Verschwörung eines «deep states», der eine «Hexenjagd» auf ihn veranstaltet. In einem Tweet nach dem anderen spricht er von einem «Spygate» und behauptet, auf ihn persönlich sei ein Spion angesetzt worden. Das sei ein noch weit schlimmerer Skandal als seinerzeit Watergate. (Für jüngere User: der Skandal, der 1974 Präsident Richard Nixon zu Fall brachte.)
Laute Unterstützung erhält der Präsident von seinen ihm ergebenen Speichellecker Rudy Giuliani, Sean Hannity, Devin Nunes, Mark Medows. Sie alle wirken einmal mehr als Lautsprecher von Trump und verbreiten die Spygate-Verschwörung auf allen Kanälen.
Alles wie gehabt also? Liberale Mainstream-Medien gegen konservative Fox News, Info Wars, etc. Nicht ganz.
Der Abgeordnete Trey Gowdy ist ein stockkonservativer Republikaner aus dem Bundesstaat South Carolina. Er hat sich vor allem mit der Benghazi-Affäre einen Namen gemacht. Vergeblich wollte er die ehemalige Aussenministerin Hillary Clinton anklagen, beim Attentat von Terroristen auf die amerikanische Botschaft im September 2012 in der libyschen Stadt Benghazi geschlampt zu haben und für den Tod des Botschafters und mehrerer Angestellten verantwortlich zu sein.
Gowdy ist Mitglied des House Intelligence Committee, dem Gremium, das die Russland-Affäre untersucht hat. In dieser Eigenschaft gehört er zu den acht Auserwählten, denen das Justizministerium Einblick in die Vorgehensweise des FBI gewährte. (Ein weiterer Skandal, aber das ist eine andere Geschichte.)
Fox News bat daraufhin den besagten Gowdy vor die Kamera, wohl in der Hoffnung, neue Informationen über «Spygate» zu erhalten. Es kam jedoch alles ganz anders. «Ich bin fest davon überzeugt, dass das FBI genau das getan hat, was meine Mitbürger wollen, und es hat rein gar nichts mit Donald Trump zu tun», erklärte Gowdy der konsternierten Moderatorin.
Dann setzte er noch einen drauf: «Präsident Trump selbst hat Comey (der gefeuerte FBI-Direktor, Anm. d. Red.) angewiesen, dass er untersuchen soll, ob irgendjemand seines Teams mit den Russen zusammengearbeitet hat, und mir scheint, dass das FBI genau das getan hat.»
Wenig später kam es noch dicker für Fox News. Andrew Napolitano, besser bekannt als Judge Napolitano, erklärte ebenfalls vor laufenden Kameras, die These eines Spions «entbehre jeder Grundlage». Auch der Judge ist als konservativer Hardliner bekannt. Er war es, der seinerzeit die hanebücherne These verbreitet hat, wonach Präsident Obama Kandidat Trump mit Hilfe des britischen Geheimdienstes bespitzelt habe.
Angesichts dieser tödlichen Querschüsse müsste doch die «Spygate-Verschwörungsthese» mausetot sein, würde man meinen. Weit gefehlt. Was Polit-Propaganda betrifft, hat Trump von den Besten gelernt. Er weiss, dass auch der grösste Unsinn irgendwann hängen bleibt, wenn man ihn laut und lange genug verbreitet.
Trump hat auch begriffen, dass seine Fans ihnen unangenehme Fakten nicht nur ausblenden, sondern gar zum Anlass nehmen, den Unsinn noch vehementer zu vertreten. Auch diesmal ist diese Rechnung aufgegangen. In seiner Abend-Talkshow hat Trumps Kumpel Sean Hannity die Spygate-These mit Inbrunst wiederholt – allerdings mit einer kleinen Korrektur: Er prügelte jetzt auch auf den Abgeordneten Gowdy ein.