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Nichts verkörpert die Schizophrenie bezüglich der Klimapolitik besser als die Berichterstattung der NZZ. Im Inland warnt der für den Bereich Energie zuständige Redaktor Davide Scruzzi regelmässig vor der Energiewende und vermeintlich falschen Illusionen bezüglich nachhaltiger Energie.
Im Wirtschaftsteil weist derweil Finanzredaktor Michael Schäfer seine Leser darauf hin, dass die Zahl der Investoren, die ihr Geld aus fossilen Energieunternehmen abziehen, rasch wachse.
Die Schizophrenie bezüglich Klimawandel ist ein Phänomen, das in allen Industrienationen vorkommt. Besonders ausgeprägt ist es in den USA. Dort haben die Republikaner noch vor Beginn der Klimakonferenz erklärt, sie würden sämtliche verbindlichen Abkommen, die allenfalls in Paris beschlossen werden sollten, mit ihrer Mehrheit im Kongress blockieren.
Der neuerdings sehr «grün» denkende US-Präsident Barack Obama hat deshalb im Vorfeld der Konferenz darauf gedrängt, dass keine Verträge, sondern bloss Abkommen verabschiedet werden, die nicht vom Parlament ratifiziert werden müssen.
Ganz anders ist die Stimmungslage in der Wirtschaft. So ist es Bill Gates gelungen, eine «Breakthrough Energy Coalition» auf die Beine zu stellen, mit dem Ziel, nachhaltige Energie in den Entwicklungsländern zu fördern. Dem Club gehören unter anderem Mark Zuckerberg (Facebook), Jeff Bezos (Amazon) und auch Meg Whitman (HP) an, die sich noch vor kurzem für die Republikaner um das Amt der Gouverneurin von Kalifornien beworben hatte.
Kalifornien und das Silicon Valley haben definitiv die Sonnenenergie entdeckt, und zwar im grossen Stil. Der «Golden State» hat die strengsten Umweltgesetze (VW lässt grüssen!) und ist im Begriff, seine Energieversorgung umzukrempeln.
Tesla-Chef Elon Musk ist auch Vorsitzender von SolarCity, einem auf Sonnenenergie spezialisierten Stromunternehmen. Gleichzeitig baut er in der Wüste von Nevada für Milliarden riesige Batteriefabriken. Allmählich entsteht so ein neues nachhaltiges Energienetz.
Selbst der lange verpönte Wasserstoff feiert ein Comeback. Er könnte sich zur effizientesten und saubersten Energie-Aufbewahrungs-Methode entwickeln. Wenn Solarzellen und Windräder zu viel Strom produzieren, kann dieser überflüssige Strom zur Herstellung von Wasserstoff verwendet werden. «Es gilt als sicher, dass der Verkehr eines Tages auf elektrischen Strom anstatt auf fossile Brennstoffe abstellen wird, und dass Energie-Lagerung im grossen Stil zum Stromnetz gehören wird», prophezeit Matthew M. Mench, Energieprofessor an der University of Tennessee im Magazin «Foreign Affairs».
Während man sich Wissenschaft und zunehmend auch die Wirtschaft einig ist, dass die Zukunft der nachhaltigen Energie gehört, blockt die Politik weiterhin. Die Gründe dafür sind rational schwer nachvollziehbar. Klimaforschung ist nämlich keineswegs – wie heute vielfach und fälschlich geglaubt wird – eine Sportart für Ökofundis und weltfremde Wissenschaftler.
Der wichtigste Player in der jüngeren Vergangenheit der Klimaforschung ist die US-Navy. In ihrem Auftrag führte Roger Revelle die ersten Expeditionen rund um den Erdball durch. Sein talentiertester Schüler war Charles David Keeling, der bis zu seinem Tod Mitglied der republikanischen Partei war. Er war es, der die Zunahme des CO2 in der Atmosphäre nachgewiesen hat. Die Keeling-Kurve ist bis heute das Rückgrat der Klimaforschung.
Bis in die Neunzigerjahre stiess das Thema Klimaerwärmung auch bei konservativen Politikern auf offene Ohren. Der alte George H. Bush beispielsweise legte grossen Wert darauf, höchstpersönlich an den Klimagipfel nach Rio zu reisen. Auch die «eiserne Lady» Margaret Thatcher hatte zwar überhaupt kein Verständnis für Gewerkschaften, aber über grüne Anliegen liess sie durchaus mit sich reden.
Erst in den letzten 25 Jahren haben sich die Fronten verhärtet, und zwar total. Für die Leugner – die Republikaner in den USA, die SVP in der Schweiz – ist die Klimaerwärmung ein Hirngespinst von Linken und Grünen, und Konferenzen wie die COP 21 eine Verschleuderung von Steuergeldern. Umgekehrt ist für Progressive die Untätigkeit in Sachen Klimaerwärmung ein unverantwortlicher Verrat am Planeten und unseren Nachkommen.
Mit nüchternen Fakten lässt sich der politische Knoten nicht lösen. Das haben die vergangenen Jahren schmerzlich gezeigt. Die Tatsache, dass mittlerweile nicht nur die überwiegende Mehrheit der Wissenschaftler, sondern selbst einflussreiche Banker und Wirtschaftsführer eindringlich warnen, wird von den Leugnern ignoriert, ebenso Horror-Prognosen, die sich im Nachhinein als vollkommen unbegründet erweisen.
So haben in der Schweiz die Vertreter der Elektrizitätswirtschaft lange und eindringlich vor einer «Stromlücke» gewarnt, falls keine neuen AKWs gebaut würden. Stattdessen kämpft die Branche heute mit einem Stromüberschuss – und wird dies wahrscheinlich noch längere Zeit tun.
Trotzdem wird weiterhin die Mär verbreitet, nachhaltiger Strom sei viel zu teuer und würde der Wirtschaft schaden. Tatsache ist, dass die Stromkosten das Budget eines durchschnittlichen Schweizer Haushalts gerade mal mit 1,5 Prozent belasten. Kaum jemand weiss deshalb, wie viel er in absoluten Franken dafür ausgibt. Auch das Unternehmen, das wegen angeblich zu hohen Energiepreisen die Schweiz verlassen hat, muss noch gefunden werden.
Es gibt von der Klimafront eine schlechte und eine gute Nachricht. Die schlechte lautet: Die Klimaleugner sind unverbesserlich und unbelehrbar. Deshalb wird es in der Klimapolitik immer wieder zu Rückschlägen kommen. So ist es durchaus denkbar geworden, dass SVP und FDP die Energiewende wieder kippen könnten.
Doch selbst dann – und das ist die gute Nachricht – können sie die Entwicklung in Richtung nachhaltige Energie nicht stoppen. Die Wirtschaft wird sich nicht mehr aufhalten lassen.