Gemäss der Bibel kündigen die vier Reiter der Apokalypse das Jüngste Gericht an. Ganz so schlimm dürfte es um den alten Kontinent nicht bestellt sein. Es gibt jedoch Krisen, die eine ernsthafte Bedrohung für die europäische Einheit darstellen. Hier sind sie:
Der unter grössten Mühen beschlossene Deal vom vergangenen Montag ist alles andere als ein Befreiungsschlag, selbst wenn er von den verschiedenen Parlamenten abgesegnet werden sollte. Bereits hat der Internationale Währungsfonds klargestellt, dass Griechenland einen Schuldenerlass braucht, wenn es je wieder auf die Beine kommen sollte. Davon will jedoch Berlin nichts wissen.
Ebenso ist der geplante Privatisierungsfonds in der Höhe von 50 Milliarden Euro eine Illusion. Anstatt auf den einzig möglichen Ausweg aus dem Griechenschlamassel setzt die EU weiterhin auf eine Politik von «extend and pretend», ein modischer Begriff für das althergebrachte Durchwursteln.
Nicht nur der Grexit bleibt damit ein Thema, es droht bald auch ein Brexit. Spätestens 2017, vielleicht sogar schon nächstes Jahr, werden die Briten in einen Referendum über die weitere EU-Zugehörigkeit abstimmen können. Das hat Premierminister David Cameron versprochen, und es ist undenkbar, dass er dieses Versprechen brechen wird.
Cameron hat auch versprochen, bessere Konditionen mit Brüssel auszuhandeln. Ob er damit Erfolg haben wird, ist fraglich. Die EU ist derzeit nicht in der Stimmung, Extrawürste zu braten. Ein Brexit ist somit eine realistische Möglichkeit.
Die Migration aus Afrika und dem Nahen Osten stellt die europäische Solidarität auf eine Zerreissprobe. Obwohl stets betont wird, dass dieses Problem nur gemeinsam gelöst werden kann, werden die Flüchtlinge wie heisse Kartoffeln weitergereicht. Ungarn hat inzwischen an der serbischen Grenze gar mit dem Bau eines vier Meter hohen Zauns begonnen.
Die Stimmung unter den Staatsoberhäuptern ist gereizt. Der italienische Premierminister Matteo Renzi ist über die mangelnde Solidarität so verärgert, dass er am Gipfeltreffen ausgerufen hat: «Wenn das eure Vorstellung von Europa ist, dann könnt ihr sie behalten!»
Obwohl das Abkommen von Minsk unterzeichnet ist, schwelt die Krise in der Ukraine weiter. Immer wieder kommt es zu Kämpfen, beide Seiten rüsten wieder auf. Bisher ist es gelungen, die gemeinsame Front gegen Putin aufrecht zu erhalten. Die Wirtschaftssanktionen gegen Russland sind um ein halbes Jahr verlängert worden. Solche Sanktionen müssen jedoch einstimmig beschlossen werden.
Ob dies künftig auch der Fall sein wird, ist zumindest fraglich. Vor allem im Süden wächst der Widerstand gegen weitere Sanktionen. Kommt dazu, dass die Ukraine wie Griechenland pleite und auf ein grosszügiges Hilfspaket angewiesen ist.
Das Vorgehen gegen Griechenland war auch eine deutsche Machtdemonstration. Das wird nicht ohne politische Folgen bleiben. Die Nordländer werden sich hinter Berlin stellen, doch in Paris, Rom und Madrid wird man sich seine Gedanken machen, auch darüber, dass sich die Europäische Zentralbank in den Dienst der deutschen Interessen gestellt und die Griechen mit der Streichung der Notkredite zur Kapitulation gezwungen hat.
Auch wirtschaftlich geht die Schere zwischen Nord und Süd immer weiter auf. Zwar wächst die europäische Wirtschaft derzeit, aber sie ist noch weit von einer Vollbeschäftigung entfernt. Zudem wird es sich weisen müssen, ob dieses Wachstum bloss eine technische Reaktion auf eine lange Stagnation oder ein nachhaltiger Aufschwung ist.
Der nächste Konjunktureinbruch kommt bestimmt, und Europa wird sehr schlecht darauf vorbereitet sein. Die Zinsen können nicht mehr gesenkt, die Staatsschulden nicht mehr erhöht werden. In diesem Umfeld werden linke und rechte Anti-EU-Populisten noch stärker werden, als sie bereits sind.
Das ist eine Diktatur des Geldes und der Finanzminister. "Friss das, oder wir machen dich platt".