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Bevor ihr abstimmen geht: Schaut euch diese Kurve genau an!

Jahr für Jahr ist die Schweizer Wirtschaft im letzten Jahrzehnt gewachsen und hat dabei die USA und Deutschland hinter sich gelassen.
Jahr für Jahr ist die Schweizer Wirtschaft im letzten Jahrzehnt gewachsen und hat dabei die USA und Deutschland hinter sich gelassen.

Bevor ihr abstimmen geht: Schaut euch diese Kurve genau an!

Von wegen sozialistischer Umverteilungsstaat: Die Schweizer Wirtschaft hat in den letzten zehn Jahren einen historischen Boom erlebt. 
08.10.2015, 11:0808.10.2015, 18:47
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Die Amerikaner nennen es «Goldilocks economy», eine Wirtschaft, die weder zu stark noch zu schwach wächst, sondern gerade richtig. Wir haben diesen idealen Zustand seit mehr als zehn Jahren. Wie die Grafik aus einer Broschüre der UBS zeigt, legt die Schweizer Wirtschaft seit Beginn dieses Jahrhunderts gleichmässig zu, ohne dabei zu überhitzen. Selbst die Weltwirtschaftskrise im Herbst 2008 hat nur eine kleine Delle hinterlassen. Insgesamt stehen wir besser da als die USA oder Deutschland.  

Gepfiffen wird aus der rechten Ecke

Man kann es auch mit dem Fussball vergleichen: Die Schweizer Wirtschaft ist wie der FC Basel. Es ist zu Beginn der Saison jeweils bloss eine Frage, ob er nur die Meisterschaft oder das Double gewinnt. Wie die Fans des FCB sind wir aber überheblich geworden. Siegen allein genügt nicht mehr, es müssen auch viele und attraktive Tore geschossen werden, sonst wird gepfiffen, sowohl auf den billigen wie auch auf den teuren Plätzen.  

«Die Schweizer Wirtschaft war im letzten Jahrzehnt wie der FC Basel: unschlagbar.»

Das politische Pfeifkonzert ertönt derzeit aus der rechtskonservativen Ecke. Die SVP, der rechte Flügel der FDP, Gewerbeverband und Economiesuisse wollen uns glauben machen, eine Mitte-links-Regierung sei im Begriff, die Schweiz in eine sozialistische Umverteilungshölle zu verwandeln. Das ist Unsinn. Wer angesichts der mit Fakten belegten «Goldilocks economy» solche Thesen verbreitet, der macht sich bloss noch lächerlich.  

Leistung und Glück

Eine «Goldilocks economy» ist stets eine Mischung aus Leistung und Glück. Wirtschaftspolitisch gesehen hat die Schweiz vieles richtig gemacht. So haben wir beispielsweise darauf verzichtet, mit einem Reformwahn à la deutsche Agenda 2010 die Löhne des Mittelstandes zu kürzen und so die Binnennachfrage abzuwürgen. Wir haben auch – ebenfalls anders als Deutschland – kräftig in Bildung und Infrastruktur investiert und sind deshalb in beiden Bereichen Weltspitze.

Dazu kommen – und damit wären wir beim Thema Glück angelangt – ein angenehmes Klima und eine ausserordentlich schöne Landschaft. Deshalb ist die Schweiz regelmässig auf den vordersten Rängen der verschiedenen Lebensqualitäts-Hitparaden anzutreffen.  

Die Flüchtlingsfrage kann nur gemeinsam mit der EU gelöst werden 

Eine «Goldilocks economy» ist jedoch nicht gottgegeben. Die Flüchtlingsfrage beispielsweise ist ein ernstes Problem. Es kann sinnvollerweise nur zusammen mit der EU gelöst werden. Würde sich die Schweiz wie Ungarn mit einem Stacheldrahtzaun einigeln, dann wäre sie bald ein politischer Aussenseiter, der auch mit wirtschaftlichen Retourkutschen rechnen müsste.  

Gehst du wählen?

Sinnvollerweise kann die Flüchtlingsfrage nur gesamteuropäisch gelöst werden, und als Mitglied des Schengenabkommens müssen wir uns an die in der EU ausgehandelten Quoten halten. Die gute Nachricht dabei: Auch Europa hat erkannt, dass die Flüchtlingsfrage nur gemeinsam und mit Kompromissen in den Griff zu bekommen ist.

Die grossen Chance der Energiepolitik

Die ausgezeichnete wirtschaftliche Verfassung ist eine politische Chance, vor allem eine energiepolitische. Die Schweiz hat optimale Voraussetzungen, um mit dem Aufbau einer nachhaltigen Energieversorgung der Zukunft zu beginnen. Sie hat viel Wasserkraft und kann davon profitieren, dass Sonnen- und Windenergie ebenfalls reichlich vorhanden und in den letzten Jahren viel billiger geworden sind. Solarenergie ist heute praktisch gleich teuer wie Atomstrom – und produziert keine radioaktiven Abfälle.

«Rechtskonservative Kreise wehren sich mit Händen und Füssen gegen eine Energiewende.» 

Die Schweiz kann punkto nachhaltiger Energie ein Musterland werden. Dazu muss sie jedoch zunächst in die dafür benötigte Infrastruktur investieren, in ein intelligentes Netz. Nur mit einem «smart grid» wird es möglich sein, ein dezentrales Stromnetz aufzubauen, das im Endausbau weder auf Atomenergie noch auf fossile Brennstoffe angewiesen sein wird.  

Jährlich 13 Milliarden für Ölscheichs und Putin

Der Aufbau einer nachhaltigen Energieversorgung hat nur Vorteile: Es werden damit viele und gute Arbeitsplätze geschaffen, wir sind an der Spitze des technischen Fortschrittes dabei, wir müssen weder auf eine Öl- noch auf eine Atomlobby Rücksicht nehmen – und wir hören endlich damit auf, dubiosen Ölscheichen und Putin jährlich rund 13 Milliarden Franken in den Rachen zu stopfen.

Es sind ausgerechnet die rechtskonservativen Kreise, die sich mit Händen und Füssen gegen die Energiewende wehren. Sachliche Gründe dafür haben sie keine. Wer heute als Unternehmer rechnet, der setzt auf nachhaltige Energie, und wer auch nur über einen Funken politischen Verstand verfügt, der weiss, dass es unmöglich ist, je wieder ein Atomkraftwerk in der Schweiz zu bauen.

Lieber Atommeiler als Burkas?

Eine als «Mitte-links» verunglimpfte Regierung hat uns eine «Goldilocks economy» beschert, um die uns die halbe Welt beneidet. Schenkt man den Meinungsumfragen Glauben, dann droht uns jetzt ein kräftiger Rechtsrutsch. Anstatt über eine sinnvolle Zusammenarbeit mit der EU in der Flüchtlingsfrage werden wir uns dann mit der völlig irrelevanten Burkafrage befassen. Anstatt über den Aufbau eines nachhaltigen Energienetzes zu diskutieren, werden wir zusehen, wie der Abbruch von baufälligen Atomkraftwerken auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben wird.

Deshalb: Geht stimmen, aber schaut zuvor nochmals die Kurve an!

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85 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Amboss
08.10.2015 12:18registriert April 2014
Sorry, Herr Löpfe. Der Inhalt ihres Textes ist gut.
Aber ihre Anschluldigung an SVP, FDB, economiesuisse etc... passen einfach nicht.

Der Schweiz geht es so gut, weil sie im Gleichgewicht ist.
Gegen zu viel "sozialistische Umverteilung" wehren sich die oben genannten. Gegen zu viel Marktwirtschaft, zu viel Sozialabbau etc... wehren sich die Linken.

Gott bewahre, was wäre wenn die Linke ihre Vorstellungen umsetzen könnte... Eine Katastophe. Wirtschaftlicher Untergang.
Dasselbe, wenn alles nur nach SVP, FDP etc... ginge.

Nein, dieses erstaunlich stabile Gleichgewicht macht es aus.
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René Obi
08.10.2015 11:29registriert Oktober 2015
Diese Politik von rechts ist unerträglich. Und noch unerträglicher ist der Gedanke, dass diese Panikmache in 10 Tagen mit massiven Gewinnen belohnt wird. Arme Schweiz!
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Sapere Aude
08.10.2015 15:04registriert April 2015
Am wichtigsten ist doch nicht welche Partei, sondern welche Personen gewählt werden. Was wir vor allem brauchen sind Konsens orientierte Sachpolitiker (die gibt es sogar in der SVP) und keine rechten und linken Ideologen, die alles blockieren. Als liberaler Sozialdemokrat wähle ich jene, die Kompromisse eingehen können und nicht jene, die am besten Marx zitieren können.
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