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Am Donnerstag wird die Europäische Zentralbank (EZB) über ihr weiteres Vorgehen in Sachen Geldpolitik informieren. Mit Negativzinsen will EZB-Präsident Mario Draghi die nach wie vor lahmende Wirtschaft ankurbeln. Aus diesem Grund wird er mit heftiger Kritik aus Berlin eingedeckt.
Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble macht die Geldpolitik der EZB gar für den Vormarsch der rechtsnationalen AfD verantwortlich. Die CSU fordert einen Deutschen an die Spitze, während die «Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung» besorgt fragt: «Wer kann Mario Draghi noch stoppen?»
Stein des Anstosses ist die nach Ansicht der deutschen Politiker, Banker und Ökonomen falsche Geldpolitik der EZB. Mit dem Quantitativen Easing (QE) – einer künstlichen Verbilligung des Geldes – und den Negativzinsen würden die deutschen Sparer betrogen, lautet die Klage, die von Rostock bis München erschallt.
Der deutsche Unmut über Mario Draghi hat einen sachlichen und einen ideologischen Grund. Der sachliche liegt in der Natur des rheinischen Kapitalismus. Die Banken spielen in dieser mittelständisch geprägten Wirtschaft eine zentrale Rolle, denn die vielen KMU werden primär über ihre Hausbanken finanziert. Die deutschen Spar- und Landeskassen leiden jedoch unter den tiefen oder gar negativen Zinsen. Deshalb besteht die Gefahr, dass die Kredite an die mittelständischen Unternehmen ins Stocken geraten.
Der ideologische Grund liegt in der Natur des Ordoliberalismus. Diese in Deutschland vorherrschende ökonomische Theorie steht dem Versuch der Zentralbank, über die Geldpolitik die Wirtschaft anzukurbeln, äusserst misstrauisch gegenüber. Für sie hat die Zentralbank nur eine Aufgabe: Mit einer harten Währung jegliche Inflation im Keim zu ersticken.
Die ideologische Reinheit des Ordoliberalismus steht jedoch im krassen Widerspruch zur Realität. Die Zentralbanken, allen voran die US-Fed und die EZB, haben QE und Tiefzinsen ja nicht aus Jux und Tollerei eingeführt, sondern um eine schwere Depression zu verhindern.
Das ist ihnen auch gelungen. Dank dem QE ist die amerikanische Wirtschaft viel schneller wieder auf die Beine gekommen als die europäische, deshalb hat auch EZB-Präsident Mario Draghi zu diesem Mittel gegriffen. Ausserhalb von Deutschland wird dieses Vorgehen ausdrücklich gelobt. So schreibt Mohamed El-Erian in seinem Buch «The Only Game in Town»:
El-Erian gehört zu den einflussreichsten Investoren und Finanzkommentatoren der Gegenwart.
QE und Negativzinsen sind kein Spleen der Zentralbanker, sie sind, wie Martin Wolf in der «Financial Times» feststellt, «die Symptome unserer Krankheit, nicht die Ursache». Wolf gilt als der einflussreichste Wirtschaftsjournalist der Gegenwart.
Das Problem der Deutschen ist weniger die EZB, sondern ihre eigene Unfähigkeit, wenn es um den Umgang mit Geld geht, so die These von Marcel Fratzscher, dem Präsidenten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. In seinem soeben erschienen Buch «Verteilungskampf» schreibt er: «Wir Deutschen legen unser Erspartes extrem schlecht an und erleiden dadurch immer wieder hohe Verluste, und dies nicht erst seit der Finanzkrise 2008.»
Tatsächlich erweist sich die deutsche Wirtschaftspolitik immer wieder als Bumerang: Dank des schwachen Euros boomt die Exportwirtschaft, doch weil die Erträge gebunkert und nicht sinnvoll investiert werden, würgt Deutschland damit die gesamteuropäische Wirtschaft ab.
Ausbrechen aus diesem Teufelskreis ist schwierig. Würde Deutschland den Euro verlassen – was grundsätzlich möglich ist – dann würde eine wieder eingeführte, bärenstarke D-Mark die Exporte schwächen und im Ausland angelegte Vermögen in der Höhe von hunderten von Milliarden Euro vernichten.
Die Lösung liegt nicht in einer harten Geldpolitik der EZB, sondern in einer vernünftigen Fiskalpolitik von Deutschland. Wolfgang Schäubles Beharren auf einer schwarzen Null, auf einem ausgeglichenen Staatshaushalt, verhindert, dass dringend benötigte Investitionen in die Infrastruktur und das Bildungswesen erfolgen. Dabei könnte sich der deutsche Staat derzeit das Geld zum Nulltarif borgen.
Ein kleiner Hoffnungsschimmer ist so gesehen die umstrittene Flüchtlingspolitik von Angela Merkel. Sie hat nicht nur einen humanitären, sondern auch einen ökonomischen Aspekt, sie zwingt nämlich Wolfgang Schäuble, mehr Geld im eigenen Land auszugeben. «Die Ausgaben für Flüchtlinge wirken daher wie ein kleines Konjunkturprogramm, das die Nachfrage und die Wirtschaft ankurbelt», schreibt Fratzscher. «Diese Gelder verschwinden nicht in einem schwarzen Loch, sondern kommen gerade der deutschen Wirtschaft und vielen Unternehmen zugute.»