Sag das doch deinen Freunden!
An einer Fintech-Veranstaltung im vergangenen Spätherbst präsentierte ein Analyst der Deutschen Bank (DB) eine interessante Studie: Als 2008 die Kryptowährung Bitcoin geschaffen wurde, lag der Gini-Koeffizient ihrer Besitzer bei Null, heute beträgt er praktisch Eins. Mit dem Gini-Koeffizient wird gemessen, wie der Wohlstand verteilt ist. Bei Null besitzen alle gleich viel, bei Eins einer alles. Was die DB-Studie uns damit sagen will, ist Folgendes: Die Bitcoins werden heute nicht mehr von einer Masse von freiwilligen Enthusiasten kontrolliert, sondern von einer winzigen Elite.
Das hat auch Mike Hearn festgestellt, ein Bitcoiner der ersten Stunde, gläubiger Apostel des geheimnisumworbenen «Sathosi Nakomoto» und einflussreicher Blogger. Deshalb hat er dem Bitcoin-Glauben abgeschworen. Gegenüber seinen Anhängern begründet er diesen Schritt wie folgt:
Für Hearn ist das System Bitcoin unheilbar krank geworden. Es werde von einer Handvoll von Leuten kontrolliert und befinde sich am Rande des technischen Kollapses, so Hearn. «Der Mechanismus, der dies alles hätte verhindern sollen, ist zerstört mit dem Resultat, dass Bitcoins heute nicht mehr anders funktionieren als das bestehende Finanzsystem.»
Sollte diese Diagnose stimmen, dann wäre der Traum der Bitcoin-Gemeinde geplatzt. Mit der Kryptowährung sollte eine Alternative zum bestehenden Finanzsystem geschaffen werden, ein Finanzsystem, das dezentral organisiert ist, keine mächtigen Zentralbanken mehr kennt und die Geschäftsbanken mit ihren hohen Gebühren austrippelt. Stattdessen hätte die Menschheit mit Bitcoin eine globale Währung, die man kostenlos transferieren kann und die – wie Gold – nicht anfällig auf Inflation wäre. Fast zu schön, um wahr zu sein.
Was ist schief gelaufen? Das Herz des Systems Bitcoin ist die Blockchain, ein riesiges Kassabuch, in dem alle Transaktionen aufgezeichnet und öffentlich eingesehen werden können. Allerdings bleiben dabei Sender und Empfänger anonym. Die Kryptografie verhindert, dass diese Transaktionen gefälscht werden können, und ein Heer von Bitcoin-Minenarbeitern stellt mit ihren Computern sicher, dass die in Blocks zusammengefassten Zahlungen ausgeführt werden. Sie werden dafür mit Bitcoins belohnt, die nach dem Zufallsprinzip zugeordnet werden.
So weit die Theorie. In der Praxis ist es stattdessen zu einer Machtkonzentration gekommen. Die Bitcoin-Blockchain wird nicht mehr von rund um die Welt verstreuten Enthusiasten gefertigt, sondern in riesigen, zentralen Computerhallen, die von Chinesen kontrolliert werden, «wobei nur zwei von ihnen 50 Prozent der ‹hashing power› (fragt nicht!) beherrschen», wie Hearn konstatiert. Diese Monopolisten haben in jüngster Zeit begonnen, wie die traditionellen Banken Gebühren zu kassieren.
Gleichzeitig wollen diese Monopolisten auch verhindern, dass das Bitcoin-System ausgebaut wird. Angesichts des wachsenden Erfolges wäre dies jedoch dringend nötig. Heute dauert die Abwicklung einer Bitcoin-Zahlung schon viel zu lange, weil die Blockchain nicht über die nötige Potenz verfügt. Hearn und seine Mitstreiter wollten daher Bitcoin XT einführen, ein potenteres Update der bestehenden Blockchain.
Das wollen die Monopolisten um jeden Preis verhindern Sie haben einen eigentlichen Krieg gegen Bitcoin XT vom Zaun gebrochen, mit Diffamierungen auf Reddit und gar mit DDos-Attacken auf deren Server. «Bitcoin war einst eine transparente und offene Gemeinschaft», klagt Hearn. «Jetzt wird sie von Zensur und Angriffen von Bitcoinern auf Bitcoinern beherrscht.»
Für Hearn ist das Schicksal von Bitcoin damit besiegelt. «Bitcoin hat keine Zukunft, solange es von weniger als zehn Köpfen kontrolliert wird», schreibt er. «Und es zeichnet sich auch keine Lösung ab. Niemand macht auch nur einen Vorschlag. Für eine Gemeinde, die sich stets vor einem unterdrückerischen Staat gefürchtet hat, ist das starker Tobak.»
Sollte Hearn recht bekommen, dann wäre dies tatsächlich mehr als nur ein Rückschlag für die Anhänger der Kryptowährung, sondern auch eine schwere Niederlage für die libertären Propheten einer Währung ohne Zentralbank. Diese Utopie wird von den libertären Ökonomen der «österreichischen Schule» – den Jüngern von Ludwig von Mises, Friedrich Hayek – gepredigt. Auch sie träumen von einer an Gold gebundenen Währung ohne Zentralbank. Das ist eine Illusion, wie nun das Schicksal der Bitcoins einmal mehr beweist.