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«In Zukunft werden Drohnen auch Menschen transportieren»

Jean-Christophe Zufferey und seine Drone eBee.
Jean-Christophe Zufferey und seine Drone eBee.

«In Zukunft werden Drohnen auch Menschen transportieren»

Zusammen mit selbstgelenkten Autos werden Drohnen die Game Changer sein. Davon ist Jean-Christophe Zufferey, CEO des Drohnen-Herstellers SenseFly überzeugt. Sie werden die Erde digitalisieren, die Landwirtschaft revolutionieren, Städte vom Verkehr entlasten und Entwicklungsländern einen Quantensprung ermöglichen.
25.12.2016, 20:2012.02.2018, 13:19
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Was genau ist SenseFly?
Wir sind ein Spin-off der ETH Lausanne. Zusammen mit ein paar Freunden habe ich mich mit fliegenden Robotern befasst. Dabei haben wir uns gefragt: Wie lösen Tiere bestimmte Probleme? Wir haben also die Prinzipien des Lebens erforscht, um so smartere Roboter zu konstruieren.  

Was haben Sie dabei gelernt?
Ich habe beispielsweise untersucht, wie eine Fliege oder eine Biene sieht. So ist es mir gelungen, eine Drohne mit bloss 20 Zentimeter Flügelspannweite zu bauen. Sie hat das Gewicht eines halben Zuckerwürfels, kann mit Kameras ausgestattet werden und fliegt in einem Raum, ohne gegen die Wand zu prallen.  

Eine eBee-Drone in Aktion.
Eine eBee-Drone in Aktion.

Mit diesem Wissen haben Sie ein Start-up gegründet?
Das war 2009. Damals hatten wir erst eine vage Idee, was unser Markt sein könnte. Wir haben uns mit einem anderen Start-up, ehemalige Kollegen von der ETH Lausanne, zusammengetan und eine Drohne entwickelt, die in der Lage ist, Landschaften zu rekonstruieren über die sie fliegt. Das war mehr als eine fliegende Kamera. Die Daten konnten direkt in Landkarten verwandelt werden. Das ist unser Geschäftsmodell geworden.  

Was ist speziell an Ihren Drohnen?
Sie sind bis zu zehn Mal leichter als diejenigen der Konkurrenz. Wie in der Uhrenindustrie ist es uns gelungen, sehr viel Intelligenz auf eine kleine Plattform zu packen.  

«Drohnen sind Roboter. Sie haben einen Körper, sie agieren autonom – und sie sind smart.»

Und was bringt das?
Unsere Drohnen können viel einfacher transportiert und gestartet werden. Wir brauchen keine Startbahnen oder Katapulte. Das ist auch sicherer. Die Drohnen steigen etwa 100 Meter in die Höhe und beginnen dann, systematisch Bilder zu schiessen. Nach der Landung werden diese Bilder mit einer speziellen Software ausgewertet.  

Für welche Zwecke kann das eingesetzt werden?
Sie können etwa das Volumen eines Steinbruchs berechnen. Oder wie viele Bäume es in einem Wald gibt. Oder Sie können eine Strasse oder ein Bauwerk viel exakter planen.

So findet die Drone ihren Weg.Video: YouTube/senseFly

Drohnen werden immer noch mit militärischen Einsätzen in Verbindung gebracht. Gilt das auch für Ihre Drohnen?
Unsere Drohnen werden nur für zivile Zwecke eingesetzt. Es ist Vermessungsinstrument, allerdings ein sehr intelligentes. Unsere Landkarten sind bis auf ein paar wenige Zentimeter genau, und das schaffen wir mit einer Drohne, die in der Höhe von 100 Metern über eine Landschaft fliegt.

Zusammen mit selbstgelenkten Autos werden Drohnen als das Ding der Zukunft angepriesen. Ist dies mehr als Hype? Bei unseren Vermessungsdrohnen geht es darum, den Planeten zu digitalisieren, und zwar nicht einmal, sondern kontinuierlich. Alle Veränderungen werden sofort aufdatiert.  

«Wer keine Spuren hinterlassen will, sollte keine Drohnen benützen.»

Was heisst das konkret?
Stellen Sie sich vor, Sie sind Farmer. Sie können unsere Drohnen mit einem autonomen Traktor kombinieren und so ihre Felder jederzeit optimal behandeln. Oder Sie können eine Baustelle – eine Strasse, Eisenbahnlinie oder Gebäude – optimal planen.

Sie haben als Roboter-Spezialist angefangen. Was haben Drohnen mit Robotern zu tun?
Drohnen sind Roboter. Sie haben einen Körper, sie agieren autonom – und sie sind smart. Sie treffen selbstständig Entscheidungen. Sie besitzen damit künstliche Intelligenz. Wenn sie beispielsweise ihr GPS verlieren, dann können sie sich selbstständig neu orientieren und Entscheidungen fällen, was nun zu tun sei. Sie merken auch, wenn ihre Batterie bald keinen Strom mehr hat und sie einen Landeplatz suchen müssen.

Und sie werden immer intelligenter?
Als wir begonnen haben, brauchten die Drohnen noch einen Piloten an einer Fernbedienung. Heute können sie von Vermessungsfachleuten bedient werden, die keine Ahnung davon haben, wie man sie steuert. Sie werfen die Drohne in die Luft, und dann findet sie ihren Weg alleine.

«Drohnen sind umweltfreundlich und brauchen wenig Energie.»

Zurück zur Landwirtschaft. Wie sieht die Zusammenarbeit ihrer Drohne und den Farmern konkret aus?
Wir müssen immer mehr Menschen ernähren und haben dabei immer weniger Agrarland zur Verfügung. Wenn der Bauer die Erträge steigern will, muss er sehr genau wissen, was auf seinen Feldern vorgeht. Mit unseren Drohnen kann er täglich überprüfen, wie der Zustand seiner Felder ist und deshalb bessere Entscheidungen fällen.  

Wir werden also bald Bauern haben, die mit Hilfe von Drohnen und selbstgelenkten Traktoren die Felder bestellen?
In diese Richtung geht es. Die Traktoren haben einen Sprayer, der Düngemittel, Herbizide oder Pestizide genau und in den exakten Dosen dorthin sprayt, wo sie benötigt werden. Auf diese Weise vermindern sie den Einsatz von Düngemittel um bis zu 30 Prozent und steigern gleichzeitig die Erträge.  

Was die Drohne alles kann.Video: YouTube/senseFly

Die Menschen reagieren misstrauisch, wenn sich Landwirtschaft und Hi-Tech verbinden. Denken Sie an die Kontroverse um Gentech. Sind Drohnen auch ein Hilfsmittel für Bio-Bauern?
Auch jeden Fall. Etwa 20 Prozent unserer Drohnen verkaufen wir an Bauern. Sie sind umweltfreundlich und brauchen wenig Energie. Je organischer ein Bauer seine Felder bewirtschaftet will, desto mehr Informationen braucht er. Drohnen helfen so dem Bauer, auf natürliche Art auf unvorhergesehene Entwicklungen zu reagieren.  

Gibt es keinen Kultur-Clash? Bio-Bauern haben nicht den Ruf, sehr IT affin zu sein?
Das ist leider für uns oft noch eine Eintrittsbarriere. Deshalb geben wir uns grosse Mühe, unsere Drohnen noch bedienungsfreundlicher zu machen. Doch mit Drohnen wird wahrscheinlich das Gleiche passieren wie mit den Smartphones: Zuerst stürzten sich nur die Tech-Freaks darauf, heute benutzt sie jeder.  

Amazon testet bereits Drohnen, die Güter zu den Kunden bringen. Ist das ein Gag oder mehr?
Drohnen sind zusammen mit selbstgelenkten Autos ein Game-Changer. Ich bin fast sicher, dass in Zukunft Drohnen nicht nur Güter, sondern auch Menschen transportieren werden. Ich weiss nicht genau wann, denn es braucht nicht nur zuverlässige Drohnen, sondern auch die Akzeptanz der Menschen und die rechtlichen Voraussetzungen. Aber das wird passieren.

Drohen werden so selbstgelenkte Helikopter werden?
Ja, und die Vorteile sind offensichtlich: Wir könnten unsere verstopften Städte vom Verkehr entlasten. Die elektrisch angetriebenen Vehikel wären dann auch viel umweltfreundlicher und würden viel weniger CO2 ausstossen als herkömmliche Autos.

«Entwicklungsländer müssen nicht mehr teure Strassen oder Eisenbahnlinien bauen, sondern können viel billigere Drohnen einsetzen.»

Gäbe es da nicht massenhaft Zusammenstösse?
Nein, das ist technisch lösbar, es ist nicht einmal besonders kompliziert.  

Was für weitere Probleme werde Drohnen künftig lösen?
Transportprobleme aller Art. Einsame Täler oder kleine Inseln im Meer können dank Drohnen versorgt werden. Vor allem Entwicklungsländer werden profitieren. Sie müssen nicht mehr teure Strassen oder Eisenbahnlinien bauen, sondern können viel billigere Drohnen einsetzen. Das ist nicht nur viel günstiger, sondern auch viel ökologischer.  

Ähnlich wie beim Telefon, wo dank dem Smartphone keine teure Kabelinfrastruktur mehr nötig ist?
Ja, sie können eine Entwicklungsstufe überspringen. Es gibt bereist konkrete Projekte – unter anderem an der ETH Lausanne – von Drohnen-Häfen, die ihn den Entwicklungsländern gebaut werden und so Strassen überflüssig machen. Die Drohnen werden sich langfristig auch mit der traditionellen Aviatik verbinden. Es wird so denkbar, dass es Flugzeuge ohne Piloten geben wird, die Güter und Menschen in alle Winkel der Welt transportieren werden.

Drohnen brauchen Daten, sehr viele Daten. Derzeit grassiert jedoch die Angst vor Big Data. Wie löst sich dieses Problem lösen?
Diese Angst wird sich legen. Aber ja, wer keine Spuren hinterlassen will, sollte keine Drohne nehmen. Aber vergessen wir nicht: Big Data kann den Menschen sehr viel Nutzen bringen. Die Fragen der Privatsphäre liegen jetzt auf dem Tisch, und ich gehe davon aus, dass wir Lösungen finden werden.

Wenn man Ihnen zuhört, gewinnt man den Eindruck: Dank Drohnen kann der Planet Erde gerettet werden und wir müssen nicht auf den Mars auswandern.
Das wäre zu hoch gegriffen. Aber Drohnen werden tatsächlich ein Teil der Lösung sein. Sie werden uns helfen, weniger dumme Fehler zu machen und smarter mit unserer Umwelt umzugehen.

Drohnen sind ein wichtiges Thema an der Veranstaltung «Silicon
Valley meets Switzerland». Er findet am 31. März 2017 im Palazzo die Congressi
in Lugano statt. Detail unter www.Siliconvalleymeetsswitzerland.com
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20 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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caschthi
26.12.2016 02:45registriert Oktober 2014
Ich kann mir genau vorstellen wie ich als alter Opa auf dem Balkon sitze, bei der "Rush Hour" den Menschen auf ihren Dronen zusehe wie sie nacht hause fliegen und ich denke nur "Hach, ich bin früher noch mit dem Bus, Velo, Tram zur Arbeit gegangen, habe sogar 1-2 Mal versucht mit meinem ersten Auto in die Stadt zu fahren und heute fliegt ein 14-jähriger von Gümmligen auf Basel in 10 Minuten. Watson hat sogar noch Artikel über's Pendeln gebracht.."
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