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Die Krise ist zurück und sie frisst unsere Löhne 

OECD-Studie

Die Krise ist zurück und sie frisst unsere Löhne 

04.09.2014, 13:0004.09.2014, 13:45
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Noch im Frühjahr frohlockten Ökonomen ob dem Silberstreifen am Horizont. Es geht aufwärts mit der europäischen, ja mit der globalen Wirtschaft, so war man sich bis auf ein paar kritische Stimmen einig. Weit gefehlt: Krisenstimmung macht sich dieser Tage breit und so verharrt auch die Arbeitslosigkeit international auf hohem Niveau. 

Für die 34 Mitgliedsländer erwartet die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD)  bis Ende 2015 eine Arbeitslosenquote von satten 7,1 Prozent. Derzeit sind fast 45 Millionen Menschen in den Mitgliedsländern ohne Arbeit, 12 Millionen mehr als 2007 zu Beginn der Finanzkrise.

Die grösste Baustelle der Wirtschaft findet sich denn auch auf dem Arbeitsmarkt, dem sich die OECD im «Employment Outlook 2014» detailliert widmet. Das sind die wichtigsten Punkte:

Die Erholung am Arbeitsmarkt bleibt unvollständig

Die Arbeitslosigkeit liegt in vielen OECD-Ländern trotz einer Belebung des Beschäftigungswachstums nach wie vor deutlich über dem Vorkrisenniveau von 2007 (siehe Grafik). Insgesamt waren im OECD-Raum im letzten Quartal 2013 17,2 Millionen Personen – mehr als ein Drittel der Arbeitslosen – mindestens zwölf Monate ohne Arbeit. Das sind fast doppelt so viele wie 2007. 

Fazit: Den Beschäftigungs- und Ausbildungsmassnahmen für Langzeitarbeitslose sollte Priorität eingeräumt werden, da Personen, die länger als zwölf Monate ohne Arbeit sind, bei der Arbeitssuche normalerweise mit erheblichen Hindernissen konfrontiert sind und mit besonders hoher Wahrscheinlichkeit aus der Erwerbstätigkeit ausscheiden, kommt die OECD in ihrer Analyse zum Schluss.

Das reale Lohnwachstum ist erheblich zurückgegangen 

Für viele, die ihren Arbeitsplatz behalten konnten, sind die Realeinkommen langsamer gestiegen oder sogar gesunken. Grund dafür ist die steigende Arbeitslosigkeit in den OECD-Ländern, die massiv auf das Reallohnwachstum gedrückt hat. Weitere Lohnanpassungen würden laut der OECD, vor allem angesichts der niedrigen Inflation, schmerzhafte Lohnkürzungen erforderlich machen und könnten dazu führen, dass sich die Zahl der Working Poor erhöht.  

Fazit: Zusätzlich zur Ankurbelung der Wirtschaft bedarf es laut der OECD Massnahmen zur Förderung von Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und Arbeitsplatzschaffung. Vor allem Massnahmen, die entlassenen Arbeitskräften den Übergang in neue Beschäftigungsbereiche erleichtern, sowie eine Aufstockung der Einkommen von Geringverdienern. 

Die Beschäftigungsqualität sollte verbessert werden

In der Schweiz an der Urne gescheitert, von der OECD erwünscht: Mindestlöhne.
In der Schweiz an der Urne gescheitert, von der OECD erwünscht: Mindestlöhne.Bild: KEYSTONE

Die Arbeitsmarktpolitik sollte laut der OECD für mehr und bessere Arbeitsplätze sorgen. Beachtliche Unterschiede bei der Beschäftigungsqualität bestehen vor allem zwischen verschiedenen sozialen Gruppen. Junge Arbeitskräfte, Arbeitskräfte mit geringer Qualifikation und befristete Beschäftigte haben gemäss OECD-Analyse viele Nachteile. Demgegenüber erhalten viele hochqualifizierte Kräfte nicht nur Zugang zu mehr, sondern auch zu besseren Arbeitsplätzen.  

Fazit: Vor allem für die erste Gruppe muss der Zugang zu Bildung sichergestellt werden, kommt die OECD zum Schluss. Darüber hinaus braucht es strukturelle Anpassungen bei den Löhnen. Mindestlöhne und Tarifverträge sollen den Beschäftigten ein faires Gehalt garantieren.

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Eine übermässig starke Abhängigkeit von Zeitarbeit schadet

Beschäftigte, die nicht von einem festen oder unbefristeten Vertrag profitieren, sind schlechter gestellt. Dies kann laut der OECD negative Folgen haben, sowohl für die soziale Gerechtigkeit als auch für die Effizienz der Unternehmen. Arbeitskräfte in solchen Anstellungsverhältnissen leben in grosser Unsicherheit. Gleichzeitig investieren Unternehmen in der Regel weniger in nicht regulär Beschäftigte, was sich wiederum negativ auf deren Produktivität und Entwicklung auswirken kann. 

Fazit: Arbeitnehmer, die keinen festen oder unbefristeten Vertrag besitzen, müssen besser geschützt werden. Gewerkschaften und Sozialverbände beklagen seit Jahren eine Ausweitung der «prekären» Beschäftigung. Diese sogenannten Mini-Jobs seien das Schmieröl des Niedriglohnsektors, monieren Kritiker. Die Einführung eines standardisierten beziehungsweise einheitlichen Arbeitsvertrags für Zeitarbeit, so wie er auch für eine reguläre Anstellung gilt, könnte Abhilfe schaffen.

Duales Bildungssystem fördert Bildungsniveau und Kompetenzen

Junge Frau in der Ausbildung zur Coiffeuse.
Junge Frau in der Ausbildung zur Coiffeuse.Bild: KEYSTONE

Die Erhebung der OECD über die Fähigkeit und Fertigkeit Erwachsener (PIAAC) liefert neue Erkenntnisse über die Auswirkungen des Bildungsniveaus junger Menschen im Alter zwischen 16 und 29 Jahren. Die Ergebnisse zeigen klar: Die Förderung höherer Bildung und des dualen Bildungssystems ist unerlässlich für eine erfolgreiche Integration junger Erwachsener in den Arbeitsmarkt. Dennoch kommt es in einigen Mitgliedsländern nur allzu selten vor, dass Jugendliche Arbeit und Bildung kombinieren. Die meisten Schüler und Studierenden, die neben ihrer theoretischen Ausbildung einer Berufstätigkeit nachgehen, tun dies nicht im Rahmen von formalen Bildungsangeboten, die Berufserfahrung vermitteln. 

Fazit: Um Schüler und Studierende stärker mit dem Arbeitsmarkt vertraut zu machen, empfiehlt die OECD den entsprechenden Ländern ein duales Bildungssystem, wie es die Schweiz kennt. Darüber hinaus sollten Studierende früher mit dem Arbeitsmarkt in Kontakt kommen, um sich praktisches Wissen anzueignen. (sza)

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