Es hätte die Hochzeit des Jahrzehnts werden sollen: 143 Milliarden Dollar wollte Kraft Heinz für Unilever hinblättern. Hätte es geklappt, dann wären Dutzende der bekanntesten Food- und Kosmetikmarken unter einem Dach vereinigt worden. Auch wenn die Elefantenhochzeit nun geplatzt ist, wird das Werben weitergehen. Kraft Heinz soll bereits dem Flockenhersteller Kellogg Avancen machen.
Nicht weil es den Managern langweilig wäre, schauen sie sich nach Fusionspartnern um. Sie haben ein massives Gewinnmargenproblem, gerade im Foodbereich und im Detailhandel. Wal-Mart, der grösste Retailer und lange auch das wertvollste Unternehmen der Welt, will nicht mehr recht auf Touren kommen. Ende 2016 hat Warren Buffett sein Aktienpaket im Wert von 900 Millionen Dollar abgestossen, weil er glaubt, dass Amazon langsam Wal-Mart das Wasser abgraben wird.
Pepsi und Coca Cola, McDonald’s und Kentucky Fried Chicken klagen über den Verlust von Marktanteilen und rückläufige Gewinne. Auch Nestlé hat mit Ulf Mark Schneider erstmals einen Aussenseiter zum CEO erhoben, weil man sich von ihm neue Impulsen und höhere Gewinne verspricht. Die Multis, jahrzehntelang das Symbol wirtschaftlicher Potenz, verlieren an Glanz.
In den Neunzigerjahren fanden die Multis eine ideale Welt vor. Der Kalte Krieg war vorbei, China begann sich aktiv am Welthandel zu beteiligen und der neoliberale Zeitgeist liess Zollschranken und Steuersätze purzeln. Die Spitzenmanager der Multis wurden so zu den neuen Masters of the Universe. Man traf sich jährlich am Wef in Davos und hörte sich kluge Vorträge über das Ende des Nationalstaates an.
In einer zunehmend globalisierten Wirtschaft entstand eine weltweite Supply Chain mit einer neuen Form der Arbeitsteilung: Die Entwicklungsländer liefern Rohstoffe, die Schwellenländer Arbeitskräfte und die Industrieländer Knowhow und Kapital. Der «Economist» hat dieses Geschäftsmodell kürzlich wie folgt beschrieben: «Es handelt sich um globale Firmen, die von globalen Managern geleitet werden und globalen Aktionären gehören, und die globale Produkte an globale Kunden verkaufen.»
Dieses Geschäftsmodell scheint seinen Zenit überschritten zu haben. Die Gewinnmargen der Multis schrumpfen. «In den letzten fünf Jahren sind die Profite der Multis um 25 Prozent gefallen», stellt der «Economist» fest. «Die Eigenkapitalrendite ist auf den tiefsten Stand seit Jahrzehnten gesunken.»
Verschiedene Gründe haben zu dieser Entwicklung geführt. Zum einen sind die Löhne in Ländern wie China massiv angestiegen. Zudem haben die ehemaligen Lehrlinge emanzipiert. Die Chinesen sind nicht mehr länger bereit, die Drecksarbeit für einen Schundlohn zu leisten, sie stossen immer weiter in den Hi-Tech-Bereich vor. Unternehmen wie Huawei oder Lenovo werden zu ernsthaften Konkurrenten auf dem Weltmarkt.
Die Klimaerwärmung wird endlich Ernst genommen und damit auch das Bewusstsein, dass es ökologisch fragwürdig ist, Güter zehntausende von Kilometern zu transportieren, bevor sie zum Endverbraucher gelangen. Neue Technologien wie 3D-Printer machen es zudem möglich, lokal wettbewerbsfähig zu produzieren.
Der grösste Widerstand ist politischer Natur. Der Nationalstaat denkt nicht daran, unterzugehen. Im Gegenteil: Wir erleben ein massives Comeback des Nationalismus. Die Folge ist ein wachsender Protektionismus, der die globale Supply Chain grundsätzlich in Frage stellt. Das gilt nicht nur für US-Unternehmen, die von Donald Trump mit Twitter-Botschaften angehalten werden, keine Arbeitsplätze ins Ausland mehr zu verlegen. Auch in Europa entdecken Konzerne wie Siemens wieder den Reiz des einheimischen Schaffens.
Kommt dazu, dass auch der Widerstand gegen Steuerhinterziehung massiv gewachsen ist. Auch wenn es im ersten Anlauf nicht geklappt hat wird die Schweiz ihre Holdingprivilegien für ausländische Unternehmen aufgeben müssen. In den USA ist der Trick, sich aus Steuergründen mit einem ausländischen Unternehmen zu vermählen, unterbunden worden, und die EU hat Apple zu 13 Milliarden Dollar Nachsteuern verknurrt.
Schliesslich entsprechen die Multis auch nicht mehr dem Zeitgeist, gerade im Nahrungsbereich. Die Vorstellung, dass man rund um den Globus das gleiche Convenience und Fastfood isst, ist heute absurd geworden. Der Trend geht hin zu frischen und regionalen Lebensmitteln.
Die Multis werden nicht untergehen. Einige von ihnen werden nach wie vor weit überdurchschnittliche Gewinnraten erzielen. Derzeit sind dies vor allem die IT-Giganten wie Apple, Google & Co. Doch die Blütezeit der Multis ist wahrscheinlich vorbei. «Die Vernarrtheit in globale Konzerne wird als ein Kapitel in der Wirtschaftsgeschichte betrachtet werden, nicht als ihr Ende», sinniert der «Economist» bereits.