Wirtschaft
Gesellschaft & Politik

Erfindet die Schweiz den modernen Sklavenmarkt?

Versteigerung von Sklaven in den USA.
Erklärbär

Erfindet die Schweiz den modernen Sklavenmarkt?

Die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative macht erfinderisch. Der neueste Vorschlag: Die begehrten Arbeitskräfte werden auf einer Auktion versteigert.
08.04.2014, 13:1823.06.2014, 14:38
Mehr «Wirtschaft»

Der wirtschaftsnahe Think-Tank avenir suisse ist kein Freund einer gelenkten Zuwanderung. «Am besten wäre es, nichts zu tun», erklärt Direktor Gerhard Schwarz freimütig. Als zweitbeste Lösung bezeichnet er eine Globallösung, die avenir suisse Ende Februar vorgestellt hat. Sie sieht vor, den Wirtschaftsstandort Schweiz weniger attraktiv zu machen und so dafür zu sorgen, dass die Zuwanderung automatisch zurückgeht. Erst wenn es sich zeigen sollte, dass dies nicht klappt, könnte man zu harten Massnahmen wie einer Kontingentierung greifen. 

«Am besten wäre es, nichts zu tun»

In der ökonomischen Theorie leuchtet dies ein, in der politischen Praxis beisst avenir suisse damit jedoch auf Granit. Daher haben die Forscher der Denkfabrik eine dritte Variante ausgearbeitet, die Auktionslösung. 

Wie wird höhere Bildung abgegolten?

Der Grundgedanke der Auktionslösung ist simpel: Der Staat legt fest, wie gross das Kontingent ist, und die Zuwanderer werden versteigert. Fast ein bisschen wie ein moderner Sklavenmarkt. Der Teufel liegt jedoch bekanntlich im Detail. Das gilt auch für die Auktionslösung: Wie wird höhere Bildung abgegolten? Wie das Alter? Wer zahlt, der Zuwanderer selbst oder das Unternehmen, das ihn anstellen will? Werden die öffentlichen Monopolbetriebe bevorteilt, weil sie die Kosten auf die Konsumenten überwälzen können? Werden Bauern und Baugeschäfte benachteiligt, weil sie an der Auktion nicht mithalten können? Wird sich nicht wirtschaftliche Effizienz, sondern politische Lobbyarbeit durchsetzen? Und schliesslich: Wem gehört das Geld aus diesen Auktionen? 

«Wir versuchen einzig, ökonomisch vernünftige Antworten auf eine politisch verfahrene Situation zu liefern»

Ökonomieprofessoren mögen Auktionen

Überzeugende Antworten auf diese Fragen liefert avenir suisse nicht wirklich. «Wir versuchen einzig, ökonomisch vernünftige Antworten auf eine politisch verfahrene Situation zu liefern», erklärt dazu Gerhard Schwarz entschuldigend. 

Die Zuwanderungsfrage mittels Auktionen zu lösen ist hauptsächlich bei Ökonomen beliebt. Auch die beiden Wirtschaftsprofessoren Reiner Eichenberger und Martin Janssen liebäugeln damit. In der Praxis werden die scheinbar eleganten ökonomischen Modelle jedoch zu einem bürokratischen Albtraum. In der Theorie bestimmt die Nachfrage den Preis. In der Praxis würde das bedeuten, eine Krankenschwester aus den Philippinen mit einem deutschen Arzt gegenzurechnen, oder einen Landarbeiter aus Polen gegen einen Software-Ingenieur aus Indien. Wie sollte das aufgehen? 

Eintrittsgeld für ein Land?

Aussenpolitisch ist eine Auktionslösung chancenlos. Die EU besteht auf einem nicht-diskriminierenden Verfahren. Einen Eintrittspreis in ein Land zu verlangen ist jedoch in höchstem Mass diskriminierend. Avenir suisse schlägt deshalb einen Trick vor: Zuwanderer bezahlen nicht dafür, dass sie Einlass in die Schweiz erhalten, sondern dafür, dass sie eine Infrastruktur mitbenützen dürfen, die andere bereits bezahlt haben. Die Eintrittsgebühr wird so zu einem Mitgliederbeitrag für einen Club. 

Auch dieser Vorschlag enthält jede Menge Fallstricke. Retourkutschen wären die logische Folge. Deutschland könnte beispielsweise verlangen, dass die Schweiz einen Beitrag an die Ausbildungskosten von Ärzten zahlt, die nach dem Medizinstudium in Deutschland in die Schweiz ausgewandert sind. Auch Franzosen, Italiener & Co. wüssten sofort Dinge, für die Schweizer bezahlen müssten. 

Wie du mir, so ich dir

So würde eine Situation geschaffen, die in der Spieltheorie tit-for-tat genannt wird und im Volksmund: wie du mir, so ich dir. Das Resultat solcher Situationen ist in der Spieltheorie ebenfalls bekannt: Es geht allen viel schlechter. 

Fazit: Auktionen werden uns nicht aus der Patsche helfen, in die uns das Ja vom 9. Februar geführt hat. Avenir suisse wird nochmals über die Bücher gehen müssen.  

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
2 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
2
Adidas zum Jahresauftakt besser als erwartet

Der Sportartikelhersteller Adidas hat im ersten Quartal besser abgeschnitten als erwartet und erhöht seine Prognose für das laufende Jahr. Der Umsatz soll 2024 währungsbereinigt im mittleren bis hohen einstelligen Bereich wachsen, teilte das Unternehmen am Dienstag nach Börsenschluss mit. Das Betriebsergebnis sehen die Franken bei 700 Millionen Euro. Ursprünglich hatte Adidas ein Wachstum im mittleren einstelligen Prozentbereich sowie ein operatives Ergebnis von 500 Millionen Euro in Aussicht gestellt.

Zur Story