Andrew Johnson war der Nachfolger von Abraham Lincoln, dem wohl bis heute populärsten Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika. Johnson war das Gegenteil seines Vorgängers: Er war ein hinterlistiger Lügner, der die Ziele des ermordeten Lincoln schamlos hintertrieb, und er unternahm alles, die Rechte der befreiten Sklaven wieder zu beschneiden.
Schon damals weckte das den Zorn der Parlamentarier. Sie unternahmen mehrere Versuche, ihn mit einem Impeachment aus dem Amt zu vertreiben. Dieses Unterfangen gelang zwar nicht, aber Johnson konnte seinerseits gegen den Kongress wenig bewirken. Er wurde nach Ablauf der Amtszeit von Ulysses Grant, dem Oberbefehlshaber der siegreichen Armee des Nordens, abgelöst und verschwand danach im politischen Niemandsland.
Zwischen Trump und Johnson gibt es einige Parallelen: Wie nach dem Bürgerkrieg ist das amerikanische Volk heute tief gespalten. Die Rassenfrage heizt immer noch die Emotionen an, und der Graben zwischen Stadt und Land wird immer grösser. Auch charakterlich gleichen sich die beiden Präsidenten: Sie sind hemmungslose Opportunisten und Lügner, die zynisch auf den eigenen Vorteil bedacht sind.
Bekanntlich steigen wir nicht zweimal in den gleichen Fluss, doch nach dem deutlichen Sieg der Demokraten ist nicht auszuschliessen, dass Trumps restliche Amtszeit ähnlich verlaufen könnte wie diejenige von Andrew Johnson. Es ist denkbar, dass Trump sich in einem Kleinkrieg gegen das Abgeordnetenhaus aufreiben, die nächsten Wahlen verlieren und Andrew Johnson als schlechtesten Präsidenten aller Zeiten ablösen wird.
Ein Impeachment hingegen ist eher unwahrscheinlich, es sei denn, Sonderermittler Robert Mueller warte mit Enthüllungen auf, die gar keine andere Wahl zulassen. Ansonsten könnte ein Impeachment zu einem Bumerang für die Demokraten werden. Sie verfügen nicht über die erforderliche Zweidrittelsmehrheit im Senat. Sie wissen auch, dass der missglückte Impeachment-Versuch gegen Bill Clinton ein veritabler Flop für die Grand Old Party und ihren damaligen Mehrheitsführer Newt Gingrich wurde.
Theoretisch wäre auch ein Friede-Freude-Kuchen-Szenario denkbar: Trump entschliesst sich, mit den Demokraten zusammenzuarbeiten. Die Gesundheitspolitik bietet sich dafür an. Auch Trump verspricht immer wieder eine Krankenkassenversicherung, die bestehende Krankheiten abdeckt. Er will die überrissenen Medikamentenpreise bekämpfen. Beides sind auch zentrale Anliegen der Demokraten.
Bisher hat Trump sein Versprechen, die Infrastruktur wieder auf Vordermann zu bringen, nicht eingelöst. Auch dabei stösst er bei den Demokraten auf offene Ohren. In der immer noch ungelösten Frage der Dreamer, der illegal von ihren Eltern in die USA gebrachten Kinder, haben Trump und die Demokraten das Heu ebenfalls auf der gleichen Bühne.
Schliesslich sind Trump und die Demokraten auch in der Handelspolitik nicht so weit auseinander. Auch Bernie Sanders ist bekanntlich ein Gegner des Freihandels und lehnte den TPP ebenfalls ab. Ebenso stehen die Gewerkschaften der Globalisierung sehr skeptisch gegenüber, und die Neuverhandlung des Naftas ist gerade im «Rust Belt», den zerfallenden Industrieregionen, äusserst beliebt.
Das alles dürfte jedoch ein Gedankenspiel bleiben. Trump kann nicht aus seiner Haut. Er kann nur pöbeln und draufhauen. Daher ist es unwahrscheinlich, dass er bilaterale Lösungen anstreben wird.
Stattdessen wird er seinen Krieg gegen Medien, Universitäten, Hollywood und die Demokraten intensivieren. Er wird noch heftiger gegen Immigranten und Muslime hetzen und unterschwellig rassistische Botschaften an seine Basis aussenden.
Obwohl er bei der Volkswahl wieder eine vernichtende Niederlage einstecken musste, wird er den Erfolg der GOP im Senat als seinen Sieg feiern. Die neuen Verhältnisse im Repräsentantenhaus wischt er nonchalant zur Seite. «Es könnte geschehen», erklärte er schon vor den Wahlen. «Aber wisst ihr was? Macht euch keine Sorgen. Ich werde einen Ausweg finden.»
Trump wird keinen Ausweg finden und die Demokraten werden ihn nicht absetzen können. Deshalb wird der zivile Bürgerkrieg zwischen den beiden noch dreckiger werden. Ob und wie die Amerikanerinnen und Amerikaner das durchstehen werden, wird sich weisen.