1992 hat Bill Clinton die Wahlen mit dem Spruch gewonnen: «It’s the economy, stupid!». Im Jahr 2018 boomt die amerikanische Wirtschaft, doch das Land ist gespalten wie noch nie seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Für Hass und Streit sorgt vor allem die Frage der Einwanderung.
Im Zentrum der Debatte steht derzeit das Schicksal der Dreamers. Darunter versteht man die rund 700’000 Teenager und Tweens, die als Kinder oder noch ungeborene von ihren Eltern illegal in die Vereinigten Staaten gebracht wurden. Die überwiegende Mehrheit von ihnen ist berufstätig, noch in Ausbildung oder dient in der Armee. Die Kriminalität unter ihnen ist unbedeutend.
Mit einer Verordnung namens Daca hat Ex-Präsident Barack Obama dafür gesorgt, dass die Dreamers nicht ausgewiesen werden. Das macht moralisch und ökonomisch sehr viel Sinn: Die Jugendlichen können nichts dafür, dass sie in die USA gebracht wurden. Viele von ihnen haben ihr Heimatland – meist Mexiko – noch nie gesehen. Kommt dazu, dass die amerikanische Wirtschaft sie sehr gut gebrauchen kann.
Ex-Präsident Obama hat jedoch verfassungswidrig gehandelt, Daca ist niemals vom Kongress abgesegnet worden. Ein solches Gesetz verabschieden zu lassen, wäre indes möglich: Eine überwiegende Mehrheit der Amerikanerinnen und Amerikaner will die Dreamers behalten, genauso wie die Vertreter der Wirtschaft.
Donald Trump hat sich jedoch anders entschieden. Zunächst hat er Daca aufgehoben. Nun ist er zwar bereit, nicht nur den Dreamers, sondern insgesamt gegen 1,5 Millionen illegalen Immigranten die US-Staatsbürgerschaft zu gewähren. Doch er knüpft daran Bedingungen.
Trump will 25 Milliarden Dollar für seine Mauer gegen Mexiko, er will den Familiennachzug drastisch einschränken und er will die sogenannte «Lotterie-Einwanderung» abschaffen. Darunter versteht man die Verlosung von «Greencards», die es Ausländern erlaubt, in den USA zu arbeiten.
Was auf den ersten Blick als generöse Geste des Präsidenten erscheint, hat in Wirklichkeit einen gewaltigen Pferdefuss. Kommt Trump mit seinem Anliegen durch, dann sinkt wegen der massiv verschärften Einwanderungskriterien die jährliche legale Immigration von derzeit rund 1,1 Millionen Menschen auf rund 300’000 Menschen.
«Im Wesentlichen drohen Trump und die Republikaner damit, die rund 700’000 Dreamer auszuweisen, sollten die Demokraten nicht zustimmen, die Tür zu schliessen für Dutzende von Millionen legalen Einwanderern in der Zukunft», stellt Dana Milbank in der «Washington Post» fest.
Mit dem Streit um die Dreamers stellt Trump damit die Rassenfrage in den Mittelpunkt der US-Politik. Er tut dies zynisch und mit Blick auf die demographische Entwicklung der Vereinigten Staaten. Hält nämlich der gegenwärtige Trend an, dann werden nach neuesten Berechnungen in Nordamerika bereits 2044 mehr Farbige als Weisse leben.
Das löst bei den Angelsachsen grosse Ängste aus. So sprach beispielsweise Justizminister Jeff Sessions, ein Hardliner in der Einwanderungsfrage, anfangs Woche vor dem Verband der nationalen Sheriffs davon, dass dieses Amt das «anglo-amerikanische Erbe» sei, das «niemals aufgegeben» werde dürfe. Anglo-amerikanisch ist ein Synonym für weiss.
Die Republikaner wollen nicht nur die Einwanderung drastisch einschränken, sie setzen auch alle Hebel in Bewegung, um die Farbigen an der Ausübung ihres Wahlrechts zu hindern. Sie tun dies mit den sogenannten «Gerrymandering», der willkürlichen Aufteilung von Wahlbezirken oder mit einer Verschärfung der Wahlgesetze und Öffnungszeiten der Wahllokale. Beides benachteiligt die Farbigen.
Die Republikaner haben in der Rassenfrage eine Kehrtwende vollzogen. Nach der Niederlage von Mitt Romney im Jahr 2012 wollten sie zunächst die neue demographische Realität akzeptieren und sich mit den Farbigen anfreunden. Ihr Präsidentschafts-Favorit war deshalb lange Jeb Bush. Er ist mit einer Mexikanerin verheiratet und spricht fliessend spanisch.
Doch «low energy» Jeb hatte keine Chance, obwohl auch Trump eine Kehrtwende vollzogen hatte. Wegen der TV-Sendung «The Apprentice» war der New Yorker bei den Farbigen sehr beliebt, denn er zeigte sie nicht in der Rolle eines Opfers, sondern als Business-Vertreter.
Trump liess diesen Vorteil sausen. Er «erkannte intuitiv, dass rassistische Attacken auf einen schwarzen Präsidenten die sicherste Art war, sich bei den republikanischen Wählern zu integrieren», schreibt Joshua Green in seinem Buch «Devil’s Bargain». «Ohne mit der Wimper zu zucken zerstörte Trump deshalb den Goodwill, den er bei den Wählern der Minderheiten aufgebaut hatte, um sich so bei seiner neuen Zielgruppe beliebt zu machen.»
Inzwischen haben Rassismus und Frauenfeindlichkeit Trump mit seiner Basis fest verschweisst. «Trump ist ein Verlierer, der gewonnen hat», stellt David Frum in seinem Buch «Trumpocracy» fest. Genauso denken Millionen von jungen weissen Männern, die das Gefühl haben, auf der falschen Seite der Geschichte zu stehen. Jetzt glauben sie dank Trump, wieder auf die Siegesstrasse eingebogen zu sein. Ihre Väter wollen derweil vor allem eines: Ihre Alters- und Gesundheitsvorsorge nicht mit Einwanderern teilen.
Für den nationalistisch-rassistischen Kurs war ursprünglich Trumps Wahlkampfmanager und späterer Chefstratege Steve Bannon zuständig. Zum «schlampigen Steve» hat er inzwischen alle Verbindungen gekappt, das Gedankengut jedoch bleibt. Es wird immer offensichtlicher, dass der Präsident die Rassen- und Frauenfrage in den Mittelpunkt der Zwischenwahlen im kommenden Herbst rücken wird. Der Wahlkampf dürfte also hässlich werden.