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Pleite von Kleiderhändler OVS – nur die letzte einer Reihe

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Das Lichterlöschen steht kurz bevor: OVS-Flagship-Store in Zürich.Bild: KEYSTONE

Pleite von Kleiderhändler OVS – nur die letzte einer Reihe

Die anstehende Pleite des Kleiderhändlers OVS, der in der Schweiz die Charles Vögele übernommen hat, kommt nicht überraschend. Sie gliedert sich ein in eine ganze Reihe von Schweizer Traditionshäusern, die aus dem Modemarkt verschwunden sind.
06.06.2018, 21:1307.06.2018, 06:13
johannes brinkmann / awp
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Den Schweizer Kleidergeschäften bläst ein eisiger Wind entgegen. Der starke Franken, der den Einkaufstourismus befeuert, internationale Modekonzerne wie etwa H&M oder Zara, sowie die Konkurrenz aus dem Internet pflügen den Markt um.

In den letzten Jahren sei der Textilmarkt in der Schweiz von 11 Milliarden auf 8,5 Milliarden Franken geschrumpft, stellte die Migros vor knapp einem Jahr fest.

Seit dem Frankenschock von Anfang 2015, als die Schweizerische Nationalbank (SNB) den Euro-Mindestkurs von 1.20 Franken aufgehoben hatte, hat sich die Talfahrt im Schweizer Bekleidungs- und Schuhhandel beschleunigt. Betrug der Rückgang im Jahre 2014 noch gut 1 Prozent, so schrumpften die Umsätze laut Bundesamt für Statistik (BFS) im Jahre 2015 um knapp 6 Prozent. 2016 belief sich das Minus auf 3,5 Prozent, im vergangenen Jahr auf fast 5 Prozent.

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Zalando und Co. machen den Schweizer Kleidergeschäften schwer zu schaffen.Bild: EPA/DPA

Herren Globus und Schild verschwinden

Angesichts der Lage warf die Migros bei ihren Modeanbietern das Steuer herum und verordnete ihnen eine Neuausrichtung: Herren Globus und Schild schlüpfen unter die Dachmarke von Globus. Damit wird das 1922 in Luzern gegründete Modehaus bis spätestens Ende 2019 gänzlich von der Bildfläche verschwunden sein.

Das genau gleiche Schicksal hat auch das Modehaus Spengler erfahren, das 2004 von Schild übernommen worden war. Schild hatte damals die Firma innerhalb eines Jahres vollständig integriert und den Namen von allen Artikeln und Filialen entfernt. Mit der Übernahme von Spengler stieg Schild damals hinter Charles Vögele, C&A und H&M zur Nummer vier im Schweizer Modemarkt auf.

Schild Filiale in Zuerich am Freitag, 12. Mai 2017. Die Migros legt ihre Modeketten Globus, Herren Globus und Schild unter der Dachmarke Globus zusammen. Die Namen Schild und Herren Globus verschwinde ...
Schild: Ab 2019 wird der Name ganz verschwunden sein.Bild: KEYSTONE

Im vergangenen Jahr musste das Freiburger Modehaus Yendi Konkurs anmelden und seine über hundert Läden dicht machen. Die Modekette Blackout machte ihre Geschäfte ebenfalls zu. Immerhin konnte ein Drittel der ursprünglich 92 Filialen verkauft und weitergeführt werden. Daneben gingen Switcher und hunderte kleiner Kleiderläden Konkurs.

Grösse alleine hilft nicht

Auch die einstige Nummer 1 hat die Marktveränderungen nicht überlebt, was zeigt, dass Grösse alleine nicht schützt: Im Herbst 2016 streckte Charles Vögele nach sechs Jahren in der Verlustzone die Waffen. Die Investorengruppe Sempione, die zum italienischen Modekonzern OVS (früher: Oviesse) gehört, kaufte den grössten Kleiderkonzern der Schweiz mit 800 Millionen Franken Umsatz für gerade einmal 56 Millionen Franken.

Charles Vögele war allerdings seit geraumer Zeit marode: So fuhr das Unternehmen seit seinem Start in Belgien dort Verluste ein und kam nie auf einen grünen Zweig. Zeitweise verdiente Charles Vögele nur noch in der Schweiz Geld. Alle anderen Länder schrieben rote Zahlen. Mal war das Wetter schuld, mal die hohen Altkleiderlager, die happige Abschreiber bescherten.

ARCHIVBILD ZUR KONKURSANMELDUNG DER NIEDERLAENDISCHEN NIEDERLASSUNG VON CHARLES VOEGELE, AM FREITAG, 27. JANUAR 2017 - Das Charles Voegele Geschaeft im Seedamm Center am Dienstag, 6. Maerz 2012, in Pf ...
Charles Voegele: Die einstige Nummer 1 im Schweizer Modemarkt hat die Marktveränderungen nicht überlebt.Bild: KEYSTONE

Liquidation als Ziel

Der Konzern versuchte alles. Von Filialnetzstraffungen über Umstellungen des Sortiments sowie Imagekampagnen mit Hollywood-Stars: Alles war vergebens. Auch die italienische OVS verbrannte sich mit ihrem vermeintlichen Schnäppchen die Finger. Trotz Sparmassnahmen und Investitionen habe man es nicht geschafft, das Schweizer Geschäft profitabel zu machen, musste die OVS-Tochter Sempione eingestehen: Vergangene Woche ersuchte das Unternehmen in der Schweiz um Gläubigerschutz in der provisorischen Nachlassstundung.

Damit soll eine sofortige Einstellung des Betriebs verhindert werden. In der maximal vier Monate dauernden Nachlassstundung sollen die Waren verramscht werden. Zudem solle ein Teil der Läden an Dritte abgetreten werden.

Kendall und Kylie Jenner designen für OVS: Genützt hat's bisher wenig

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«Anschliessend ist geplant, das restliche Unternehmen geordnet zu liquidieren», schrieb Sempione in einer internen Mail an die 1'180 Angestellten. Diese stehen nun bald auf der Strasse. Eine Massenentlassung werde in Betracht gezogen, hiess es weiter. Diese dürfte eine der grössten Massenentlassungen im Schweizer Detailhandel sein.

Strukturwandel geht weiter

«Die Pleite der ehemaligen Charles Vögele überrascht nicht. Der Strukturwandel wird weitergehen», sagte ein Detailhandelsspezialist einer Bank im Gespräch.

Denn die Abwärtsspirale dreht sich immer schneller. Während der gesamte Detailhandel (ohne Nahrungsmittel) in den ersten vier Monaten lediglich ein halbes Prozent Umsatz verloren habe, betrage der Einbruch bei Kleider- und Schuhverkäufern fast 10 Prozent, sagte der Fachmann.

Passanten an der Zuercher Bahnhofstrasse, am Freitag, 7. Oktober 2016, in Zuerich. (KEYSTONE/Manuel Lopez)
Blick auf die Zürcher Bahnhofstrasse: In den ersten vier Monaten von 2018 brach der Umsatz bei Kleider- und Schuhverkäufen um fast zehn Prozent ein. Bild: KEYSTONE

Zwar sei der Einkaufstourismus mit der Abschwächung des Frankens in den letzten Monaten weniger attraktiv geworden. Die Interneteinkäufe dürften indes weiter zugenommen haben. Der Druck der Onlinekonkurrenz auf Schweizer Kleiderläden sei gross.

Im vergangenen Jahr hatten laut dem Textilverband Swiss Textiles alleine die Retoursendungen von im Ausland bestellten Kleidungsstücken einen Wert von 1,3 Milliarden Franken. 95 Prozent der Retoursendungen gingen nach Deutschland, wo die Onlinehändler wie Zalando oder Amazon ihre Zentrallager haben. (awp/sda)

Seither hat sich vieles verändert: So sah die Mode in den 00-er Jahren

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Die Mode aus den 00-er Jahre
Zur Party ging es relativ freizügig. Gerne auch mit Hut und Netzstoff am Top.

(Bild: Tumblr)
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Die Schweizer lieben Online-Shopping während der Arbeitszeit

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11 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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PhilippS
06.06.2018 21:50registriert September 2016
Natürlich ist das Modegeschäft stark unter Druck. Aber zwei, meiner Ansicht nach, sehr wichtige Punkte der Schwierigkeiten im Detailhandel grundsätzlich, im speziellen aber in der Modebranche sind unglaubliche Überkapazitäten und teils schlicht frech hohe Mieten.

Bei OVS scheint aber auch eine gehörige Portion Ignoranz und/oder Arroganz mitgespielt zu haben. Ein marodes Geschäft in einem eh schwierigen Umfeld übernehmen und sich grad mal ein Jahr Zeit für die Neuausrichtung geben... Wovon träumen diese Manager sonst so?!? Sowas dauert mindestens 3-5 Jahre!
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TocK
06.06.2018 22:21registriert März 2018
OVS braucht nun wirklich niemand in Schutz nehmen aber den grossen online Händlern die null wertschöpfung in der CH generieren weiter so zu füttern ist die schlechtere option. Schade, mich beschleicht das gefühl das bei der sache OVS jemand viel geld verdient hat.
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me myself
06.06.2018 22:14registriert November 2017
Das ist eben die Digitalisierung/Automatisierung. Es wird schon bald andere Industrien treffen, sprich sie noch mehr umwälzen. Vielen ist auch nicht bewusst wieviel schon automatisiert ist, weil es noch versteckt ist. (Lager, Werfte usw)

Es kommt aber immer mehr zum vorschein.
Wir werden das Wirtschaftssystem bald neu erfinden müssen. Ich sehe zumindest für den Übergang kein Weg an einem BGE vorbei. Auch, was passiert mit den ganzen Shoppingmeilen? Geisterstädte wünscht sich ja auch keiner. Grundsätzlich ist es eine Chance, wir müssen es aber richtig angehen. Und zwar jetzt!
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