Wirtschaft
Konsum - Detailhandel

100 neue Backwerk-Filialen: Valora greift Starbucks an.

ARCHIV - Eine Frau bedient sich am Mittwoch (20. Januar 2010) in einer "Backwerk" SB-Baeckerei in Bamberg, Oberfranken bei den frischen Teigwaren. Der Schweizer Einzelhaendler und Brezelhers ...
Europaweit sind bis zu 100 neue Backwerk-Fillialen geplant.Bild: DPA

Bis zu 30 neue Backwerk-Filialen in der Schweiz – Kioskkonzern Valora greift Starbucks an

Die Kioskbetreiberin Valora plant 100 neue Filialen der deutschen Kette Backwerk – und bangt wegen den SBB um Standorte.
26.07.2018, 06:4726.07.2018, 07:46
Benjamin Weinmann / Aargauer Zeitung
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Diese Pläne werden Starbucks nicht schmecken: Der Kioskkonzern Valora geht mit seinem Restaurant-Konzept Backwerk in die Offensive. Firmenchef Michael Mueller plant in den kommenden Jahren europaweit bis zu 100 Filialen zu eröffnen, wie er gestern im Rahmen der Präsentation der Halbjahreszahlen sagte. Für die Schweiz wollte Mueller zuerst keine Zielvorgabe machen, sagte aber dann: «Generell sollte ein Gastronomiekonzept 20 bis 30 Standorte aufweisen, damit es sich lohnt.»

Das derzeitige Umfeld gibt Mueller das nötige Selbstvertrauen. Da wäre einerseits die Krise der Textilhändler: «Dadurch werden viele Flächen in den Innenstädten frei, die für Backwerk interessant sein können.» Man schaue sich auch die Standorte des Charles-Vögele-Käufers OVS an, der vergangenen Samstag die letzte seiner 132 Filialen endgültig dichtmachte. Für viele Vermieter dürfte dies insofern eine willkommene Botschaft sein, als OVS vor allem grosse Flächen beanspruchte, die in Zeiten des Onlinehandels zunehmend schwer zu vermitteln sind.

ARCHIVBILD ZUR MELDUNG, DASS NESTLE RECHTE AN STARBUCKS KAUFT --- Starbucks Coffee Shop aufgenommen am Donnerstag, 4. August 2011 an der Reuss in Luzern. (KEYSTONE/Sigi Tischler)
Starbucks-Filiale in Luzern.Bild: KEYSTONE

Insgesamt zählt die Backwerk-Kette über 350 Filialen – den Grossteil davon in Deutschland. In der Schweiz gibt es zwei, in Schaffhausen und Winterthur. «Diese haben aber nichts mehr mit dem heutigen Konzept zu tun», sagt Mueller. Valora hatte die deutsche Franchise-Bäckerei Ende 2017 für 190 Millionen Euro übernommen. Die ehemaligen Eigentümer hatten schon Anfang dieses Jahrzehnts grosse Expansionspläne in der Schweiz gehegt. Doch das Konzept mit der Theken-Selbstbedienung, günstigem Brot und Snacks kam nie auf Touren.

Mehr Brezel aus Ohio

Nicht nur wegen Backwerk wird Valora zunehmend zur Grossbäckerei. Zum Muttenzer Konzern gehören auch der deutsche Backwaren-Produzent Ditsch, der mehr als 200 Geschäfte in Deutschland betreibt, rund 60 Brezelkönig-Shops in der Schweiz und seit Anfang 2017 auch der Tiefkühl-Laugenbrot-Produzent Pretzel Baron in Ohio, USA. Damit beliefert Valora grosse US-Detailhändler. Die Produktionskapazitäten in Ohio sowie bei Ditsch im deutschen Oranienbaum werden deutlich erhöht. «Denn wir könnten schon heute mehr Laugen-Brote verkaufen als wir produzieren», sagt Mueller. Ein weiterer Vorteil: Bei Backwerk stammen die Laugenbrote nun aus der eigenen Produktionsstätte.

Als Vorbild für den neuen Expansionslauf mit Backwerk nennt Mueller das vor einigen Wochen eröffnete Flaggschiff-Geschäft in Bochum. Dieses empfängt die Kunden auf zwei Stockwerken und rund 400 Quadratmetern. Verkauft werden frisch gepresste Säfte, Smoothies, Focaccias, Kaffees und Tees. Die Einrichtung erinnere an einen Co-Working-Space, sagt Mueller. Damit zielt Valora auch auf die Starbucks-Kundschaft. Pikant: Valora ist Partner von Starbucks, verkauft den US-Kaffee in seinen Kiosken und Avec-Shops. Die erste Eröffnung mit dem neuen Konzept ist diesen Herbst in Winterthur geplant.

Mueller macht sich mit Backwerk auch Hoffnungen bei den SBB. Diese gaben kürzlich bekannt, dass sie die Mietverträge für 265 Geschäfte an ihren Bahnhöfen per 2021 neu ausschreiben. Mehr als 200 davon sind heute von Valora belegt. Er sei sehr zuversichtlich, was die Neuverteilung anbelange, sagt Mueller. Valora sei schliesslich seit über 100 Jahren Partner der SBB. Man werde auch mit Backwerk an den Start der Verhandlungen gehen. Zudem hat Valora seiner Convenience-Kette Avec ein Facelifting verpasst. Das neue Konzept soll die SBB-Verantwortlichen überzeugen, indem es stärker auf die frische Schnellverpflegung und günstige Einstiegsprodukte fokussiert. Die eigene Billiglinie «ok.-» wird ausgebaut.

Kiosk der Zukunft am HB

Mueller macht keinen Hehl daraus, dass das Wachstum bei frischen Convenience-Produkten stattfindet. «Die Presse ist nach wie vor rückläufig, in der Schweiz im hohen einstelligen Prozentbereich, während die Snack-Umsätze steigen.» Zudem hat Valora über 900 Kioske, was Mueller als «doch recht viel» taxiert. Hier dürfte es Anpassungen geben. Mueller formulierte es so: «Wenn ich mich am Zürcher Hauptbahnhof einmal im Kreis drehe, sehe ich bis zu vier Kiosk-Schilder.»

Zurzeit werkeln die Muttenzer an einem neuen Kiosk-Konzept, das bis 2021 national ausgerollt werden soll. Anfang 2019 wird der erste seiner Art am Zürcher HB eröffnet, unter anderem mit Self-Scanning-Kassen. Unklar scheint, wie es mit den rund 30 «Press & Books»-Geschäften weitergeht. «Wir befinden uns mit den SBB derzeit in intensiven Gesprächen», sagt Mueller.

Insgesamt gibt sich der Firmenchef mit der Halbjahresbilanz zufrieden – im Gegensatz zu den Anlegern, welche die Resultate an der Börse abstraften. Der Umsatz ist zwar um 7,6 Prozent auf 1.04 Milliarden Franken gestiegen, vor allem aber nicht nur dank der Backwerk-Akquisition. Wegen einer Wertberichtigung auf nicht fortgeführten Geschäften sank der Reingewinn allerdings gegenüber der Vorjahresperiode um 12,7 Prozent auf 21 Millionen Franken. Per Ende Jahr erwartet Mueller einen Betriebsgewinn von 90 Millionen Franken.

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17 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Chrigu91
26.07.2018 08:47registriert November 2014
Und die Angestellten müssen wie bisher von Valora gewohnt zu miesen Bedingungen arbeiten.
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Howard271
26.07.2018 07:56registriert Oktober 2014
Ich bin skeptisch, ob ein Konzept mit Billig- und Massenware in der Schweiz gut aufgeht...
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iisebahnerin
26.07.2018 07:09registriert Mai 2018
Toll. Noch mehr convenience-schrott & plastikabfall und, dank self-scanning weniger Arbeitsstellen.
Hoffe, die SBB hat den Mut, endlich auch mal wieder Innovation zuzulassen, denn der Goldesel SBB Immobilien würde durchaus auch Konzepte wie No-Waste-Bioläden tragen können....
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