Der im März als Verwaltungsratspräsident der krisengeschüttelten Raiffeisen-Bank zurückgetretene Johannes Rüegg-Stürm darf seinen Lehrstuhl für Organization Studies an der Universität St.Gallen behalten. Er leitet dort das «Institut für Systemisches Management und Public Governance». Wie die Universität auf Anfrage von watson mitteilt, sei Rüegg-Stürm seinen Verpflichtungen jederzeit nachgekommen.
Dessen Nebentätigkeit bei Raiffeisen Schweiz sei «auf Grundlage des Nebentätigkeitsreglements der Universität bewilligt worden» und sein Anstellungsgrad als Professor in der Folge reduziert worden, sagt Uni-Sprecher Jürg Roggenbauch. Rüegg-Stürm präsidierte den Verwaltungsrat zwischen 2011 und 2018 mit einem 50-Prozent-Pensum. Wie bei allen anderen Dozierenden «werden auch Rüegg-Stürms Tätigkeiten in Forschung und Lehre regelmässig überprüft». Die Universität hat dabei offenbar keine Verfehlungen festgestellt.
Doch für die selbsternannte Kaderschmiede der Schweizer Wirtschaft dürften die Negativschlagzeilen rund um ihren Professor unangenehm gewesen sein. Der Tages-Anzeiger spekulierte vergangene Woche über einen kurz bevorstehenden Rauswurf Rüegg-Stürms.
Zwar hält die Universität auf Anfrage fest, dass «aktive praktisch-unternehmerische Erfahrung» bei den Professoren von der Universität und den Studierenden grundsätzlich begrüsst werde und zum Profil der Hochschule gehöre. Doch ausgerechnet der Public Governance-Experte Rüegg-Stürm hat gemäss der Finanzmarktaufsicht Finma im Rahmen dieser «praktisch-unternehmerischen» Tätigkeit als Verwaltungsratspräsident schwere Fehler in seinen Aufsichts- und Kontrollpflichten gemacht.
Der Verwaltungsrat unter dem Vorsitz Rüegg-Stürms wird in einem letzte Woche publizierten Finma-Bericht scharf kritisiert. Es handle sich um einem «schwerwiegenden Fall» von vernachlässigter Corporate Governance.
Die Verfehlungen betreffen insbesondere den Umgang mit Interessenkonflikten sowie die Aufsicht über den ehemaligen CEO Pierin Vincenz. Der Verwaltungsrat unterliess es beispielsweise, «naheliegenden potenziellen Interessenkonflikten nachzugehen» und «die internen Regeln zu deren Offenlegung sowie die Ausstandspflichten» durchzusetzen, wie die Finma schreibt.
Als Massnahme ordnete die Finma eine «Erneuerung »und «fachliche Verstärkung» des Verwaltungsrats an. Die Bank müsse dafür sorgen, dass «mindestens zwei Mitglieder die für die Grösse des Instituts erforderliche Erfahrung im Bankwesen» haben. Mindestens ein Mitglied müsse über ausgewiesene Erfahrung im Bereich Compliance verfügen.
Zum Finma-Bericht gibt sich die Uni St.Gallen wortkarg. Sprecher Jürg Roggenbauch teilt mit, dass «die Leitung der Universität die von der Finma vorgelegte öffentliche Zusammenfassung des Untersuchungsberichts und die damit verbundenen Vorwürfe gegen den ehemaligen Verwaltungsrat der Raiffeisen Schweiz zur Kenntnis nimmt».
Der angeschlagene Rüegg-Stürm schaltet trotz der Rückendeckung der Universität erst mal einen Gang zurück. Er habe sich entschieden, ab Herbst 2018 «das von ihm aufgrund seines bisherigen Mandats bei Raiffeisen bislang aufgeschobene Forschungsfreisemester» zu beziehen, wie Sprecher Roggenbauch gegenüber watson sagt. Konkret heisst das: Im Herbstsemester 2018 wird Rüegg-Stürm keine Vorlesungen und Seminare geben.