Für Roger de Weck, Generaldirektor der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG), gibt es zwei Hauptfeinde auf dem Werbemarkt: Ausländische Privatsender wie Pro7 oder RTL, die in der Schweiz TV-Spots verkaufen dürfen. Und ausländische Internetkonzerne wie Google oder Facebook, die mit ihrer Online-Werbung Jahr für Jahr noch grössere Umsätze einfahren.
Bei Vorträgen, in Meinungsbeiträgen für Zeitungen und in Interviews bezeichnet der 60-Jährige den Abfluss von Werbegeldern ins Ausland als «Fehlentwicklung» und rechtfertigt so unter anderem die Höhe der TV- und Radiogebühren. Pikant: Was de Weck bei anderen kritisiert, ist bei seinen eigenen, gebührenfinanzierten Sendern offenbar kein Problem. Das Schweizer Fernsehen SRF wirbt seit Mitte Februar auf der amerikanischen Videoplattform Youtube für die zweite Staffel der Unterhaltungssendung «The Voice of Switzerland» – und das zu happigen Preisen.
Wer auf der Schweizer Startseite von Youtube ein Werbebanner schaltet, muss laut vertraulichen Verkaufsunterlagen des Mutterunternehmens Google 16'000 Franken pro Tag bezahlen. Neben Bannern auf der Startseite schaltet SRF Werbespots auf Youtube: Diese erscheinen, bevor man das eigentliche Video anschauen kann. Der Sender zahlt für jeden Nutzer, der den Spot länger als 30 Sekunden laufen lässt. Laut einem Kenner der Werbebranche dürfte sich der Gebührensender die Werbung auf Youtube für «The Voice of Switzerland» täglich über 20'000 Franken kosten lassen.
Das Schweizer Fernsehen bestätigt die Kampagne auf Anfrage, will aber keine Angaben zu deren Umfang machen. «Zu Budgetposten von einzelnen Sendungen oder Formaten gibt SRF keine Auskunft», teilt die Medienstelle mit. De Weck selbst schweigt gegenüber der «Nordwestschweiz» zur Diskrepanz zwischen seinen politischen Äusserungen und der Praxis seiner Sender. Er lässt über seinen Sprecher ausrichten: «Der von Ihnen vermutete Widerspruch besteht nicht. Die SRG wirbt dort, wo das Zielpublikum am besten zu erreichen ist.»
Das erste Mal ist es nicht, dass das Schweizer Fernsehen ausländischen gegenüber inländischen Firmen den Vorzug gibt. Seit letztem Jahr lässt der Sender sein neues Automagazin «Tacho» von einer deutschen Produktionsfirma drehen. Auch bei «The Voice of Switzerland» arbeitet SRF mit der Schweizer Tochtergesellschaft der deutschen Constantin-Entertainment GmbH aus München zusammen. Der Verband Schweizer Medien, der die Interessen der privaten Verlage vertritt, bezeichnet die Eigenwerbung von SRF auf Youtube als «störend und widersprüchlich». «So nimmt SRF in Kauf, dass Gebührengelder ins Ausland fliessen», sagt Geschäftsführer Urs F. Meyer.
Der Zürcher SVP-Nationalrat Gregor Rutz, Vorstandsmitglied der Aktion Medienfreiheit, sagt: «Wenn das Schweizer Fernsehen auf Youtube Eigenwerbung betreibt, ist das nicht anders, als wenn es seine Sendungen zu Dumpingpreisen in Deutschland produzieren lässt.» Es gehe immer um das Gleiche: «Die SRG will den inländischen Werbemarkt abschotten und gleichzeitig von günstigen Konditionen im Ausland profitieren – das passt nicht zusammen. Ein Staatssender, der von Zwangsabgaben lebt, soll auf Schweizer Anbieter zurückgreifen.»
Verhaltene Unterstützung erhält de Weck von linker Seite. «Die SRG-Sender haben das Recht, da Werbung zu machen, wo es am effizientesten ist», sagt der Waadtländer Medienpolitiker und SP-Nationalrat Roger Nordmann. Bedingung sei aber, dass die Sender die Zuschauerzahlen und die eigenen Werbeeinnahmen erhöhten. «Ist die Werbung ein Verlustgeschäft, geht der Aufwand zulasten der Gebührenzahler. Das wäre problematisch.»