Nach Bekanntwerden der Buchhaltungstricks bei PostAuto steigt der Druck auf die Post-Spitze. Politiker von links bis rechts wie auch Verkehrsministerin Leuthard fordern eine lückenlose Aufklärung. Post-Präsident Schwaller erklärt die Angelegenheit zur Chefsache. Klar scheint inzwischen, dass die Post-Spitze Bescheid wusste.
Direktor Peter Füglistaler vom Bundesamt für Verkehr (BAV) sagte am Donnerstag vor der Presse, im Fall von PostAuto hätten jährlich 18'000 Buchungen kontrolliert werden müssen. Verschoben wurden jeweils nur kleine Beträge - teilweise wenige hundert Franken - dafür aber systematisch. Für Aussenstehende sei das praktisch nicht erkennbar, sagte Füglistaler. «Es war eine sehr aktive Täuschung.»
Deutliche Worte findet SP-Fraktionspräsident Roger Nordmann. Das sei sicher nicht im Sinne von Service public, sagte Nordmann am Donnerstag in der Sendung «Rendez-vous» von Radio SRF. «Ich glaube, sie ist nicht mehr tragbar.» Auch Parteikollegin Edith Graf-Litscher, welche die nationalrätliche Verkehrskommission präsidiert, sagt: «Das ist dicke Post.»
Unter Beschuss gerät Ruoff aber auch von bürgerlicher Seite. Der Aargauer SVP-Nationalrat Ulrich Giezendanner erklärte im Radio SRF: «Wenn das wirklich stimmt, dann muss sie suspendiert werden, bis die Untersuchung abgeschlossen ist.»
«Ich bin enttäuscht über die Vorgänge bei PostAuto AG», heisst es in einer Stellungnahme von Bundesrätin Doris Leuthard vom Donnerstag, die der Nachrichtenagentur sda vorliegt. Sie erwarte eine lückenlose Aufklärung.
Die Meldung schreckte zu Wochenbeginn die Schweiz auf: Die Postauto Schweiz AG hat zu hohe Subventionen von Bund und Kantonen bezogen. Schadensumme: rund 78 Millionen Franken. Der Postauto-Direktor Daniel Landolf musste gehen, ebenso der Finanzchef.
Postchefin Susanne Ruoff trat am Dienstag vor die Medien. Ruoff sagte, sie habe erst im November 2017 von den Vorwürfen erfahren und danach vollkommene Transparenz geschaffen – etwas, was ihr auch das Bundesamt zubilligt.
Doch stimmt das auch? Der Blick präsentiert in seiner heutigen Ausgabe zwei Dokumente, die ein anderes Bild zeigen.
Dokument 1: Eine Aktennotiz vom 21. August 2013. Sie zeigt, dass die damalige Führung der Post – darunter Verwaltungsratspräsident Peter Hasler und Susanne Ruoff – von der internen Revision darauf aufmerksam gemacht wurden, dass «der Wertezufluss punktuell nicht eingehalten wird, was in bestimmten Fällen zu Quersubventionierung zu Lasten des öffentlich finanzierten Geschäfts führt».
Ruoff, die seit 2012 der Post vorsteht, wusste also spätestens seit diesem Zeitpunkt von den Tricksereien. Das Papier hält weiter fest, dass der Verwaltungsrat damals befand, es bestehe «kein Handlungsbedarf».
Dokument 2: Ein Papier vom 28. Dezember 2017, das unter anderem an den Post-Verwaltungsratspräsidenten Urs Schwaller ging. Es zeigt, dass der jetzt geschasste Post-Chef Daniel Landolf bereits im Mai 2013 auf die «Gewinnsicherungsproblematik» aufmerksam machte.
Das Problem besteht darin, dass die Post ihren Sparten Gewinnziele vorschreibt – so auch der Postauto AG, die Erträge nur im regionalen Personenverkehr erzielen kann. Genau das verstösst aber gemäss dem Bundesamt für Verkehr gegen das Gesetz. Auf diesen «Zielkonflikt» habe Landolt seit Jahren hingewiesen, zitiert der «Blick» aus dem Dokument.
Vom «Blick» mit den Dokumenten konfrontiert, schreibt Post-Sprecherin Léa Wertheimer, man müsse zwischen Zielkonflikten und illegalem Handeln differenzieren. Man habe gewusst, dass es Probleme gebe. Aber dass es «zu illegalen fiktiven Umbuchungen kam, wussten weder die Konzernleitung noch die jeweiligen Verwaltungsratspräsidenten».
Doch nicht nur die Post war im Bild. Auch die Bundesbehörden können nicht ahnungslos gewesen sein. Die Zeitungen «Bund» und «Tages-Anzeiger» zitierten aus Briefen aus den Jahren 2011 und 2012, in welchen die Kantone das Bundesamt für Verkehr (BAV) auf die überhöhten Abgeltungen aufmerksam machten.
Unter öV-Fachleuten war das Thema ein Dauerbrenner. Werner Glünkin, Abteilungsleiter öffentlicher Verkehr des Kantons Graubünden, war bis 2016 Präsident der Konferenz der kantonalen Delegierten des öffentlichen Verkehrs (KKDöV). Im Rahmen der Generalversammlung hätten sich die Fachleute jährlich zu einer Aussprache mit der BAV-Direktion getroffen, sagte er der sda. Die Overhead-Kosten und die internen Verrechnungspreise seien dabei immer ein Thema gewesen.
Genützt hat es wenig. Intransparenz prägte laut Glünkin die Verhandlungen mit PostAuto. Er spricht von einer Blackbox: Die Verantwortlichen hätten nie befriedigende Antworten bekommen, wie die anrechenbaren Kosten zustande kamen.
Damit stellt sich die Frage, warum die Bundesbehörden erst 2016 aktiv geworden sind. Vor den Medien hatte BAV-Direktor Peter Füglistaler erklärt, dass PostAuto die Umbuchungen von Gewinnen aufwendig verschleiert habe. Pro Jahr hätten bis zu 18'000 Buchungen durchleuchtet werden müssen. Zudem seien teilweise Beträge von wenigen hundert Franken umgebucht worden. Die Revisionsabteilung des BAV ist mit drei Personen besetzt. (cma/mlu/sda)