Wirtschaft
Schweiz

Das Lädelisterben erreicht die Stadtzentren

Eine Person vor einem leerstehenden Geschaeft in der Altstadt Luzern, fotografiert am Dienstag, 26. Juni 2018. Der Detailhandel in der Stadt Luzern leidet. Viele Traditionsgeschaefte und Firmen haben  ...
Leere Läden in der Innenstadt werden mehr: Unter anderem der Online-Handel macht dem Ladenbesitzern zu schaffen.Bild: KEYSTONE

Das Lädelisterben erreicht die Stadtzentren – Schuld trägt nicht nur der Online-Handel

Detailhändler in den Stadtzentren kämpfen ums wirtschaftliche Überleben, wie nicht nur das Beispiel Zürich zeigt. Das liegt nicht nur an der Online-Konkurrenz.
02.07.2018, 06:02
Daniel Zulauf / Nordwestschweiz
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Milan Prenosil ist nicht in Feierstimmung. Er kommt direkt von der Generalversammlung der Zürcher City Vereinigung Zürich, die der Inhaber der traditionsreichen Confiserie Sprüngli am Paradeplatz präsidiert. «Unser Textilangebot reicht aus, um zwölf Millionen Menschen einzukleiden. Wir sind doch aber nur achteinhalb Millionen in der Schweiz», sagt Prenosil. Die City Vereinigung zählt als Dachverband des städtischen Detailhandels und Dienstleistungsgewerbes 1350 Firmen mit rund 60 000 Angestellten, und überall tönt es gleich. Die Märkte sind gesättigt, die Konkurrenz durch den Online-Handel nimmt zu. Die Umsätze schrumpfen und die Kosten bleiben hoch. Die fallenden Margen zwingen viele Händler zur Aufgabe.

Nach den aktuellsten Berechnungen des Markforschungsinstituts GfK sind in den vergangenen sieben Jahren landesweit netto 6000 Verkaufsstellen verschwunden. Lange Zeit grassierte das Virus nur in den ländlichen Gegenden. Doch jetzt hat es auch die Städte erreicht. In Zürich stehen rund 10 000 Quadratmeter Ladenfläche leer. Und der Trend weist «ganz klar in Richtung einer weiteren Zunahme», sagt Prenosil. Ähnlich verläuft die Entwicklung auch in Basel und in Genf. In kleineren Zentren wie Luzern und St. Gallen bewegt sich das Angebot immer noch leicht aufwärts. In den Mieten ist der Angebotsüberhang erst bedingt zu erkennen. In den 144 Läden an der Zürcher Bahnhofstrasse seien die Mieten im Durchschnitt vielleicht um 10 Prozent gesunken, schätzt Prenosil.

Sinkende Mieten

Die Nachfrage nach Verkaufsflächen an der teuersten Einkaufsmeile der Schweiz bleibt hoch. Viele internationale Ketten warten auf eine günstige Gelegenheit, dort Fuss zu fassen. Doch ein Abschluss um jeden Preis kommt auch für potente Mieter immer weniger infrage. Im Wissen um die schwierige Lage des Detailhandels leistet man es sich, zu warten. Nach Berechnungen des Immobilienberatungsunternehmens Wüest & Partner sind die Mieten in Zürich und Genf in den vergangen fünf Jahren um 10 bis 15 Prozent zurückgegangen. Der Schrumpfungsprozess der Finanzindustrie hat diesen Metropolen besonders stark zugesetzt, ebenso die abnehmende Zuwanderung, von der sie in den vergangenen Jahren überproportional profitieren konnten.

Doch die Entwicklung schafft auch Gelegenheiten: «Neue Foodkonzepte erhalten an Frequenzstandorten Chancen, die sie vorher wegen der hohen Mieten kaum hatten», sagt Matthias Bachmann, Mitinhaber der alteingesessenen Luzerner Confiserie Bachmann, die demnächst eine dreistöckige Filiale an der Zürcher Bahnhofstrasse eröffnet. «Die Kaufkraft in Zürich ist einiges höher als in Luzern und die Kunden sind weniger preissensibel», erklärt er die Logik der Expansion.

Basel befindet sich in dieser Hinsicht in einer eher vorteilhaften Position, glaubt Mathias F. Böhm, Geschäftsführer von Pro Innerstadt Basel. In der alten Bausubstanz der Stadt Basel sind kleinere Flächen naturgemäss die Norm. Was vor einigen Jahren die Entwicklung des lokalen Handels noch gebremst hatte, erweist sich heute als Vorteil, glaubt Böhm. «Wir haben in Basel kein Problem, Flächen zu füllen», sagt er.

Eine ähnliche Erfahrung macht auch Ralph Bleuer, Präsident von Pro City St. Gallen. Trotzdem erlebt er mit seiner auf Papeterieartikel und Bürobedarf spezialisierten Handelsfirma Markwalder heute Dinge, die er noch vor drei Jahren kaum für möglich gehalten hätte. «Ich sehe Kunden, die sich das Angebot zeigen und sich beraten lassen und dann zu Haus online zu bestellen». Es sei kein seltenes Phänomen, dass Läden höhere Kundenfrequenzen verzeichnen und dennoch weniger Umsatz erzielen. «Die Welt des Handels hat sich in den vergangenen 20 Jahren um 180 Grad gedreht», sagt Bleuer, der das Metier seit 40 Jahren kennt. «Leise hoffen wir alle auf eine Gegenbewegung, aber zurzeit dominiert doch mehr das Unbehagen.» (aargauerzeitung.ch)

Mehr als ein «M» schlechter

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100 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Turicum 17
02.07.2018 07:56registriert Mai 2016
Wer sich in einem Laden beraten lässt und dann doch online woanders einkauft ist ein A****loch.

Wenn ich Beratung brauche gehe ich in einen Laden und kaufe dann auch dort ein, dann zahle ich gerne mehr für die Beratung. Ist für mich eine Frage des Anstandes.

Wenn ich weiss was ich will oder ichs einfach nur günstig will, bestelle ich online.
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Wilhelm Dingo
02.07.2018 06:24registriert Dezember 2014
In den meisten läden steht zu 80% Ware die keiner braucht.
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Knick in der Fichte
02.07.2018 07:53registriert April 2018
Ich denke der Onlinehandel wird sicher auch einen grossen Teil dazu beitragen. Gleichzeitig sehe ich es aber auch als ein Problem, dass man in gewissen Städten (Zb. Luzern) , ja fast nur noch Uhren & Touriläden findet.... Als Luzernerin habe ich kein Interesse an Uhren und überteurenden Schmuck; auch bringt es mir nicht viel, wenn es 17 Filialen von der gleichen Kette gibt-darum weiche ich zum Teil auch auf den Onlinehandel aus... Mehr Vielfältigkeit wäre wieder nötig.
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