Im Nachhinein ist man klüger. «Unsere Initiative für ein Grundeinkommen hatte einen grossen Fehler», sagt Oswald Sigg (SP), ehemaliger Bundes-Vizekanzler. «Man wusste nicht recht, wie es finanziert werden sollte.» So stimmte das Stimmvolk 2016 mit 77 Prozent Nein zur Initiative.
Jetzt gibt es eine Idee, wie die Bundesaufgaben und dereinst auch ein bedingungsloses Grundeinkommen zu finanzieren wären. Der Bundeskanzlei liegt der Entwurf für die Volksinitiative «Mikrosteuer auf dem Zahlungsverkehr» vor. Bis im August, schätzt Sigg, sollte die Initiative die Vorprüfung überstanden haben.
«Ende Jahr starten wir die Unterschriftensammlung.» Die Stelle einer Zentralsekretärin des Initiativkomitees wird dieser Tage ausgeschrieben, der Verein Mikrosteuer ist gegründet. Der Vorstand besteht neben Sigg aus Finanzprofessor Marc Chesney, ETH-Professor Anton Gunzinger, Rechtsanwalt Jacob Zgraggen sowie Finanzunternehmer Felix Bolliger.
Bolliger, ehemaliger Banker, ist der Erfinder der Idee Mikrosteuer, die Sigg als «genial» bezeichnet. Die Initiative sieht vor, dass der Bund auf sämtlichen bargeldlosen Zahlungen einen einheitlichen Mikrosteuersatz erhebt. Der Ertrag soll zur Finanzierung der Bundesaufgaben verwendet werden, der Rest geht an Kantone und Gemeinden. Theoretisch würden alle herkömmlichen Steuern überflüssig.
Finanztransaktionen im Umfang von 100 000 Milliarden Franken werden in der Schweiz gemäss Statistiken der Nationalbank jährlich abgewickelt. Vielleicht sind es noch viel mehr: Die Six Group generiere sogar einen Zahlungsverkehr, der zehnmal höher sei, sagt Sigg. Die Six mit Sitz in Zürich wickelt unter Aufsicht der Finma und der Nationalbank den Zahlungsverkehr ab.
Die Mikrosteuer soll auf sämtlichen bargeldlosen Zahlungen erhoben werden. Von den Ausgaben via E-Banking über den Bezug von Bargeld am Bancomaten bis zu den grossen Finanzmarktgeschäften und Börsentransaktionen von Banken und Spekulanten.
Und Letztere sind es, die das grosse Geld einbringen sollen. «Über 90 Prozent des Zahlungsverkehrs stammt von der Finanzwirtschaft», sagt Sigg. Im Hochfrequenzhandel würden Millionen in Sekundenbruchteilen verschoben. Die ganze «Blase» sei für den Finanzplatz das grosse Risiko.
Umgekehrt bringt schon ein Mini-Steuersatz riesige Summen ein. «Die Mikrosteuer müsste sich im tiefen Promillebereich bewegen», sagt Sigg. Geht man von den Daten der Nationalbank aus, ergibt eine Steuer von einem Promille Einnahmen von 100 Milliarden. Mit zwei Promille oder Einnahmen von 200 Milliarden könnten bereits sämtliche heutigen Aufgaben von Bund, Kantonen und Gemeinden finanziert werden.
Laut dem Initiativprojekt soll die Mikrosteuer aber vorerst nur die Mehrwertsteuer und die direkte Bundessteuer schrittweise reduzieren und dann aufheben. Die Mikrosteuer wäre bald die neue Finanzordnung des Bundes. Deren Erträge fliessen in die Bundeskasse zur Finanzierung der Bundesaufgaben; der Rest gehört den Kantonen und Gemeinden. «Mit einer Mikrosteuer von wenigen Promille könnte auch noch das grosse Sozialwerk der AHV/IV später in ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle integriert werden», sagt Sigg.
Für ihn ist klar: «Die Mikrosteuer trifft den, der viel Geld hat und im Finanzcasino viel Geld bewegt. So wird die Mikrosteuer eine soziale Steuer. Sie ist sogar doppelt sozial: Die Besteuerung erfolgt nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, und die Besteuerung der Kapitaltransaktionen erbringt einen volkswirtschaftlichen Nutzen.» Die riskanten Transaktionen würden verteuert und somit reduziert, und dies wiederum reduziere und stabilisiere den Finanzplatz, was ohnehin dringend nötig sei.
Sigg weiss, dass auch die Mikrosteuer auf grossen Widerstand stossen wird. Das schreckt ihn nicht ab. Und er ist sicher: «Wenn wir sie einführen, wird sie im Ausland bald kopiert werden.» Und vielleicht auch wenn sie beim Volk durchfallen sollte: Einer unter den Initianten, verrät er, habe bereits angekündigt, wenn sich die Idee in der Schweiz nicht realisieren lasse, dann gehe er damit zu Donald Trump nach Washington. Der werde sie sicher begeistert aufnehmen, sagt Sigg, vorausgesetzt, Trump sei dann immer noch im Amt. (aargauerzeitung.ch)