Wirtschaft
Schweiz

Volksinitiative: Mikrosteuer auf bargeldlose Zahlungen soll Grundeinkommen ermöglichen

Neue Volksinitiative: So soll dereinst das bedingungslose Grundeinkommen finanziert werden

Ende Jahr startet die Unterschriftensammlung für eine Finanzsteuer, die heutige Steuern ersetzen soll. Idee der Initianten ist eine Mikrosteuer, die auf sämtlichen bargeldlosen Zahlungen erhoben werden soll.
02.06.2018, 10:0203.06.2018, 07:37
Henry Habegger / Schweiz am Wochenende
Mehr «Wirtschaft»

Im Nachhinein ist man klüger. «Unsere Initiative für ein Grundeinkommen hatte einen grossen Fehler», sagt Oswald Sigg (SP), ehemaliger Bundes-Vizekanzler. «Man wusste nicht recht, wie es finanziert werden sollte.» So stimmte das Stimmvolk 2016 mit 77 Prozent Nein zur Initiative.

Jetzt gibt es eine Idee, wie die Bundesaufgaben und dereinst auch ein bedingungsloses Grundeinkommen zu finanzieren wären. Der Bundeskanzlei liegt der Entwurf für die Volksinitiative «Mikrosteuer auf dem Zahlungsverkehr» vor. Bis im August, schätzt Sigg, sollte die Initiative die Vorprüfung überstanden haben.

Oswald Sigg, ehemaliger Bundesratssprecher, nimmt als Unterstuetzer der Initiative "Fuer ein bedingungsloses Grundeinkommen" an einer Medienkonferenz ueber das Begehren teil, am Montag, 14.  ...
Oswald Sigg, ehemaliger Bundesratssprecher und treibende Kraft hinter der Mikrosteuer-Initiative.Bild: KEYSTONE
Jetzt auf

«Ende Jahr starten wir die Unterschriftensammlung.» Die Stelle einer Zentralsekretärin des Initiativkomitees wird dieser Tage ausgeschrieben, der Verein Mikrosteuer ist gegründet. Der Vorstand besteht neben Sigg aus Finanzprofessor Marc Chesney, ETH-Professor Anton Gunzinger, Rechtsanwalt Jacob Zgraggen sowie Finanzunternehmer Felix Bolliger.

Andere Steuern streichen

Bolliger, ehemaliger Banker, ist der Erfinder der Idee Mikrosteuer, die Sigg als «genial» bezeichnet. Die Initiative sieht vor, dass der Bund auf sämtlichen bargeldlosen Zahlungen einen einheitlichen Mikrosteuersatz erhebt. Der Ertrag soll zur Finanzierung der Bundesaufgaben verwendet werden, der Rest geht an Kantone und Gemeinden. Theoretisch würden alle herkömmlichen Steuern überflüssig.

Finanztransaktionen im Umfang von 100 000 Milliarden Franken werden in der Schweiz gemäss Statistiken der Nationalbank jährlich abgewickelt. Vielleicht sind es noch viel mehr: Die Six Group generiere sogar einen Zahlungsverkehr, der zehnmal höher sei, sagt Sigg. Die Six mit Sitz in Zürich wickelt unter Aufsicht der Finma und der Nationalbank den Zahlungsverkehr ab.

Die Mikrosteuer soll auf sämtlichen bargeldlosen Zahlungen erhoben werden. Von den Ausgaben via E-Banking über den Bezug von Bargeld am Bancomaten bis zu den grossen Finanzmarktgeschäften und Börsentransaktionen von Banken und Spekulanten.

Und Letztere sind es, die das grosse Geld einbringen sollen. «Über 90 Prozent des Zahlungsverkehrs stammt von der Finanzwirtschaft», sagt Sigg. Im Hochfrequenzhandel würden Millionen in Sekundenbruchteilen verschoben. Die ganze «Blase» sei für den Finanzplatz das grosse Risiko.

Umgekehrt bringt schon ein Mini-Steuersatz riesige Summen ein. «Die Mikrosteuer müsste sich im tiefen Promillebereich bewegen», sagt Sigg. Geht man von den Daten der Nationalbank aus, ergibt eine Steuer von einem Promille Einnahmen von 100 Milliarden. Mit zwei Promille oder Einnahmen von 200 Milliarden könnten bereits sämtliche heutigen Aufgaben von Bund, Kantonen und Gemeinden finanziert werden.

Acht Millionen Fuenfrappenstuecke werden ausgepackt im Safe der ehemaligen Schweizerischen Volksbank in Basel am Dienstag, 1. Oktober 2013. Die Generation Grundeinkommen hat mit 75 Leuten innert 400 S ...
Die Initianten für das Bedingungslose Grundeinkommen präsentieren im Oktober 2013 acht Millionen Fünfrappenstücke.Bild: KEYSTONE

Laut dem Initiativprojekt soll die Mikrosteuer aber vorerst nur die Mehrwertsteuer und die direkte Bundessteuer schrittweise reduzieren und dann aufheben. Die Mikrosteuer wäre bald die neue Finanzordnung des Bundes. Deren Erträge fliessen in die Bundeskasse zur Finanzierung der Bundesaufgaben; der Rest gehört den Kantonen und Gemeinden. «Mit einer Mikrosteuer von wenigen Promille könnte auch noch das grosse Sozialwerk der AHV/IV später in ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle integriert werden», sagt Sigg.

Für ihn ist klar: «Die Mikrosteuer trifft den, der viel Geld hat und im Finanzcasino viel Geld bewegt. So wird die Mikrosteuer eine soziale Steuer. Sie ist sogar doppelt sozial: Die Besteuerung erfolgt nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, und die Besteuerung der Kapitaltransaktionen erbringt einen volkswirtschaftlichen Nutzen.» Die riskanten Transaktionen würden verteuert und somit reduziert, und dies wiederum reduziere und stabilisiere den Finanzplatz, was ohnehin dringend nötig sei.

Notfalls zu Trump

Sigg weiss, dass auch die Mikrosteuer auf grossen Widerstand stossen wird. Das schreckt ihn nicht ab. Und er ist sicher: «Wenn wir sie einführen, wird sie im Ausland bald kopiert werden.» Und vielleicht auch wenn sie beim Volk durchfallen sollte: Einer unter den Initianten, verrät er, habe bereits angekündigt, wenn sich die Idee in der Schweiz nicht realisieren lasse, dann gehe er damit zu Donald Trump nach Washington. Der werde sie sicher begeistert aufnehmen, sagt Sigg, vorausgesetzt, Trump sei dann immer noch im Amt. (aargauerzeitung.ch)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
173 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
goldmandli
02.06.2018 10:25registriert November 2014
Klingt auf jeden Fall interessant. Da muss aber zuerst noch mehr an infos kommen, bevor man sich ernsthafte Gedanken darüber machen kann.
689
Melden
Zum Kommentar
avatar
Spartan117CH
02.06.2018 11:31registriert Januar 2018
Wenn man bedenkt das nur noch Compuper diesen Hochfrequenzhandel betreiben, ist es indirekt auch eine Maschinensteuer, welche zu begrüssen ist.
5515
Melden
Zum Kommentar
avatar
PhilippS
02.06.2018 10:21registriert September 2016
Ohne jetzt die Details zu kennen und ohne mir grundlegende Gedanken zu möglichen Nachteilen gemacht zu haben, klingt die Idee interessant.

Nicht zuletzt entlastet eine solche Lösung letztlich auch die Wirtschaft von viel Bürokratie zum ausfüllen von Steuererklärungen und MwSt.-Abrechnungen.

Etwas Bedenken hab ich allerdings, dass eine rein technisch ermittelte Steuer auch sehr einfach zu ändern ist. Mal eben von 0.9 auf 1.1 Promille - wäre ja nur ein Klick, den die Mehrheit der BürgerInnen nicht mal spüren würde...
478
Melden
Zum Kommentar
173
Nach diesem Video weisst du, worüber du beim Stromgesetz abstimmst
Am 9. Juni stimmt die Schweiz über das «Bundesgesetz für eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien» ab. Hier findest du alles, was du zur Vorlage wissen willst. Zum Nachlesen oder in 118 Sekunden im Erklärvideo.

Das Schweizer Stimmvolk hat 2023 entschieden, dass wir das Klimaziel Netto-Null bis 2050 erreichen müssen. Damit das gelingen kann, müssen Bevölkerung und Wirtschaft zunehmend von fossilen Energien wegkommen und auf Strom umstellen. Die Konsequenz davon: In Zukunft wird unser Land noch mehr Strom brauchen als heute. Dabei können wir unseren Strombedarf bereits heute nicht selbst decken.

Zur Story