Die Affäre um mutmasslich strafbare Handlungen des früheren langjährigen Raiffeisen-Chefs Pierin Vincenz, dessen Geschäftspartner Beat Stocker sowie weitere Mitstreiter wird für die drittgrösste und systemrelevante Bank der Schweiz zunehmend zur Belastung. Dies zeigte sich mit aller Deutlichkeit an der Bilanzpressekonferenz der Genossenschaft vom Freitag, in der auch Vincenz’ Nachfolger Patrik Gisel in arge Rechtfertigungsnöte geriet. Gisel hatte im Frühjahr 2016 von Vincenz übernommen und war davor während 14 Jahren als dessen Vize tätig gewesen. In einigen Tochtergesellschaften, in denen offenbar manche der verdächtigen Vorgänge stattgefunden haben, spielte er sogar die erste Geige.
Vor diesem Hintergrund werden sich nicht nur die Journalisten fragen, ob Gisel doch schon früher mehr über die mutmasslichen Machenschaften seines einstigen Chefs hätte in Erfahrung bringen können und müssen. Aber dieser verneinte am Freitag entschieden. Man habe «jeden Stein umgedreht» und keinerlei Hinweise auf strafrechtlich relevante Tatbestände gefunden, sagte er vor versammelten Medienvertretern. Das habe sich erst geändert, als Raiffeisen in den vergangenen Monaten im Rahmen einer aufsichtsrechtlichen Untersuchung der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht zusätzliche Hinweise erhalten habe.
Als Anfang Woche die Zürcher Oberstaatsanwaltschaft ihre Strafuntersuchung gegen Vincenz und andere Personen eröffnet und den Hauptverdächtigen nach einer Hausdurchsuchung in Justizgewahrsam nahm, war dann trotz allem auch für Raiffeisen der Zeitpunkt gekommen, selber Strafanzeige gegen Vincenz wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung einzureichen. Es seien neue Indizien aufgetaucht, erklärte Gisel und sprach von «verdeckten Treuhandgeschäften», von denen er und seine Organmitglieder vorher «unmöglich» hätten Kenntnis erhalten können. Inzwischen spricht der CEO von «alarmierenden neuen Verdachtsmomenten».
Corpus Delicti sind die beiden Raiffeisen-Tochtergesellschaften Investnet, ein Finanzierungs- und Beteiligungsvehikel für kleine und mittelgrosse Firmen, bei dem Gisel als Verwaltungsratspräsident amtierte; Aduno, ein auf Kreditabwicklungsgeschäfte spezialisiertes Joint Venture von Raiffeisen mit verschiedenen Kantonal- und Regionalbanken in der Schweiz. Vincenz und seine Partner werden verdächtigt, diesen beiden Unternehmen Gesellschaften aufs Auge gedrückt zu haben, an denen sie sich vorgängig und notabene klandestin beteiligt hatten. Gisel behauptete am Freitag auf eine Journalistenfrage, Raiffeisen sei dabei aus heutiger Sicht kein Schaden entstanden, da die Transaktionen «revisionstechnisch geprüft» worden seien. Diese Einschätzung ist allerdings eher schwer verständlich, stehen Vincenz & Co. doch im Verdacht, sich in erheblichem Mass persönlich bereichert zu haben.
So oder so ist die Affäre ein schwerer Dämpfer für den guten Ruf von Raiffeisen. Gisel beteuerte zwar, er erhalte konzernintern vonseiten der 250 angeschlossenen Genossenschaftsbanken starke Unterstützung für seine Aufklärungsarbeit, weshalb er selber einen Rücktritt aufgrund vernachlässigter Aufsichtspflichten ausschliesse. Doch diese Forderung dürfte so bald nicht verstummen, zumal man in nächster Zeit auch mehr darüber erfahren dürfte, wie intensiv sich die Raiffeisen-Organe in der Sache denn wirklich um volle Transparenz bemüht hatten.
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, warum Patrik Gisel und der Verwaltungsrat nicht schon vor zehn Jahren aktiv geworden waren. Die Aduno kaufte im Jahr 2007 die Kartenspezialistin Commtrain Card Solutions. Die Firma wurde zwei Jahre zuvor von der Zuger Finanzgesellschaft I-Finance gekauft. Einziges Verwaltungsratsmitglied war Beat Barthold, ein Anwalt, den die Zürcher Staatsanwaltschaft ebenfalls in Gewahrsam genommen hat. Wirtschaftlich Berechtigte hinter der I-Finance waren indessen Vincenz und Stocker.
Vincenz, der damals Verwaltungsratspräsident der Aduno war, stand somit auf Käufer- wie auch auf Verkäuferseite. Brisant ist: Vincenz verheimlichte dies während des Kaufprozesses gegenüber der Aduno. So steht es in einem Gutachten, das 2009 von Raiffeisen beim Zürcher Rechtsprofessor Peter Forstmoser in Auftrag gegeben wurde. Trotz dieses offensichtlichen Fehlverhaltens drückte Raiffeisen beide Augen zu. Wie das Gutachten feststellte, habe Vincenz damit zwar gegen die Best-practice-Regeln verstossen, doch im juristischen Sinn sei das nicht inkorrekt gewesen, unter anderem auch deshalb nicht, weil Vincenz selbst beim Kaufprozess keine aktive Rolle gespielt habe.
Warum wurde das Gutachten überhaupt in Auftrag gegeben? Schon damals gab es deutliche Hinweise, dass mit dem Kauf möglicherweise nicht alles korrekt ablief. Mit dem Gutachten in der Hand sah sich die Raiffeisen-Führung damals auf der sicheren Seite. Für den damaligen Vincenz-Stellvertreter Patrik Gisel, der dieses Gutachten 2009 gelesen hat, waren alle Fragen beantwortet.
Heute müssen sich Gisel und der Verwaltungsrat vorwerfen lassen, dass sie nicht schon damals von Vincenz die Offenlegung der Finanzströme hinter der I-Finance verlangten. Hätten sie das getan, dann hätten sie festgestellt, dass Vincenz und Stocker offenbar «verdeckte Treuhandgeschäfte» abwickelten, wie Gisel am Freitag sagte.
Dass Gisel und der Raiffeisen-Verwaltungsrat nicht schon 2009 mehr Transparenz einforderten, war im besten Fall naiv, im schlechten Fall eine grobe Vernachlässigung ihrer Aufsichtspflichten. Zumal Pierin Vincenz später bei anderen Transaktionen offenbar nach dem gleichen Muster vorging wie bei seinem Gesellenstück, der Commtrain Card Solutions. (aargauerzeitung.ch)
Das habe sich erst geändert, als Raiffeisen von der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht zusätzliche Hinweise erhalten habe.
Der Gisel hat doch gesagt, dass er
jeden Stein umgedreht hat. Da ist wohl doch 👉EIN👈 Stein übriggeblieben.
Naja, man übersieht vor lauter Steinen, schnell mal einen Stein.