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Du willst nur das Beste? Voilà:
Frau Bühler, angenommen, die Bauern
erhalten in Zukunft vom Staat keine Direktzahlungen
mehr, dafür ein Grundeinkommen
von 2500 Franken je Familienmitglied.
Was hätte das für Ihren
Betrieb für Auswirkungen?
Christine Bühler: Die Pouletmast
könnten wir wohl weiterführen,
die Milchwirtschaft müssten wir sofort
einstellen. Und wie stark wir dann das
Land noch bewirtschaften könnten, kann
ich auch nicht sagen, da die Milchwirtschaft
an die Landbewirtschaftung geknüpft
ist. Selbst wenn wir die Poulets
noch weiterproduzieren würden, bliebe
die Frage, ob dann noch jemand in unserer
Pouletmetzgerei arbeiten wollte. Nur Spezialkulturen
mit Gemüse, Aprikosen oder
Kräutern sind selbsttragend. Einen Hof
mit Milch, Fleisch und Getreide selbstfinanziert
zu betreiben ist heute aber
praktisch unmöglich.
Die Umstellung auf ein Grundeinkommen
würde ja nicht von heute auf morgen
stattfinden.
Nun ja, das stimmt. Die
Schweiz könnte es auch einfach ausprobieren,
schliesslich sind wir ein kleines
Land. Wenn es nicht funktioniert, lässt
sich ja wieder Gegensteuer geben. Und ob
die diskutierten 2500 Franken der richtige
Betrag sind, ist ja auch nicht unbedingt
klar. Das müsste man alles testen. Ich finde
die Idee, ein neues System zu suchen,
um die Sozialleistungen auch in Zukunft
erbringen zu können, sehr wichtig. Da
sollte man alles prüfen, auch das Grundeinkommen.
Dennoch frage ich mich, ob
sich nicht zu viele aus der Verantwortung
ziehen, wenn es ein Grundeinkommen
gäbe. Was ist dann mit der Pflegefachfrau,
die vielleicht nur noch fünfzig Prozent
arbeiten will? Fällt am Ende das gesamte
Gesundheitssystem auseinander?
Vielleicht würde die Pflegefachfrau mit
der Hälfte ihres Pensums motivierter
arbeiten? Und es gäbe Platz für eine
weitere Person, die fünfzig Prozent arbeiten
will?
Ja, das kann sein. Und vielleicht
würde die Gesellschaft solche Berufe
dann auch durch eine andere Brille
sehen. Vielleicht würden diese Jobs auch
einen besseren Ruf haben. Wer weiss.
Heute wollen Jugendliche ja kaum mehr
Berufe erlernen, in denen körperlich gearbeitet
wird. Kopfarbeit hat einen besseren
Status als die handwerkliche Arbeit.
Das finde ich eine bedenkliche Entwicklung.
Das heisst, ein Grundeinkommen könnte
den Status gewisser Arbeiten verändern?
Vielleicht. Ich würde das begrüssen.
Denn ohne den Gerüstbauer lässt
sich kein Haus renovieren. Und wenn immer
weniger Personen solche Tätigkeiten
ausführen wollen, werden sie vielleicht
sogar besser bezahlt. Ich glaube, dass das
Grundeinkommen eher in akademischen
Kreisen funktionieren würde, nicht aber
bei handwerklichen Berufen. Es geht doch
niemand bei 35 Grad nach draussen und
teert eine Strasse, wenn er nicht muss.
Wem würde ein Grundeinkommen am
meisten nützen?
Wohl Eltern mit Kindern.
Alleinerziehende Eltern vollbringen
einen wichtigen Dienst an der Gesellschaft,
der nicht honoriert wird. Ein bedingungsloser
Betrag könnte diese Arbeit
sichtbarer machen und sie dafür angemessen
entlöhnen. Dass ein Grundeinkommen
alle Sozialwerke überflüssig macht,
glaube ich allerdings nicht. Es wird immer
Leute geben, für die man trotz Grundeinkommen
sorgen müsste. Und um diese
müssen wir uns als Gesellschaft kümmern,
gerade weil es die schwächsten
sind. Geschieht dies nicht, zerfällt ein
Land, eine Gemeinschaft.
Was beschäftigt die Bäuerinnen in der
Schweiz?
Die schwierige Einkommenssituation
vieler Betriebe ist ein Dauerbrenner.
Dann die mangelnde Wertschätzung
der Konsumenten gegenüber Nahrungsmitteln.
Wir möchten als Verband aufzeigen,
was es alles braucht, bis ein Liter
Milch da ist oder ein Brot aus dem Ofen
kommt. Dahinter steckt nämlich sehr viel
Arbeit. Aber auch die Beziehung von uns
Bauern und der Gesellschaft ist etwas, was
uns sehr beschäftigt.
Wie meinen Sie das?
Ein Bereich der
Gesellschaft zu sein, der Direktzahlungen,
also praktisch Almosen von den anderen
erhält, das ist für viele nicht einfach. Deshalb
kann man fast sagen, dass die Bauern
und Bäuerinnen ein Grundeinkommen
erhalten. Es ist aber nicht bedingungslos,
sondern geknüpft an eine bestimmte Leistung.
Dem Selbstbewusstsein tun diese
Direktzahlungen aber nicht besonders
gut. Gerade die Männer auf den Betrieben
leiden oft unter dieser Situation. Und das
kriegen natürlich auch die Frauen mit.
Bauernbetriebe sind in der Regel Familienbetriebe.
Ein Grundeinkommen
könnte Bäuerinnen auch Unabhängigkeit
und Sicherheit verschaffen.
Das
Thema der finanziellen Absicherung beschäftigt
heute viele Bäuerinnen. Ob ein
Grundeinkommen da eine Hilfe wäre,
kann ich nicht sagen. Es ist aber bereits
heute so, dass Bäuerinnen sich zum Beispiel
vom Betrieb einen Lohn auszahlen
lassen und dann Arbeitslosengeld beziehen,
wenn sie diese Tätigkeit nicht mehr
ausüben können. Die Arbeiten auf dem
Hof können sie dann im Anstellungsverhältnis
in Prozenten angeben und mit den
Sozialversicherungen abrechnen.
Warum ist das so wichtig?
Tut die Frau
das nicht, ist sie einfach als «nicht erwerbstätig»
erfasst und nicht abgesichert.
Das ist heute einfach nicht mehr akzeptabel.
Eine weitere Möglichkeit ist, die Frau
zur Mitbewirtschafterin zu machen. Dazu
muss sie aber über eine landwirtschaftliche
Ausbildung mit Nachweis verfügen.
Von den Bäuerinnen beanspruchen leider
viel zu wenige diesen Status. Viele in meinem
Alter sind frustriert, wenn sie auf ihr
berufliches Leben zurückblicken. Sie merken,
dass sich ihre Leistung nirgends
manifestiert hat.
Gibt es denn auch Frauen mit eigenem
Hof?
Ja, die gibt es immer mehr. Frauen
übernehmen häufig Nischenbetriebe an
schwierigen und nicht lukrativen Lagen.
Dort punkten sie mit extremer Innovation.
Das ist eindrücklich zu sehen.
Beispielsweise?
Eine Bäuerin hat angefangen,
Apfelringe von ihren Hochstammbäumen
zu dörren – heute beschäftigt sie
mehrere Angestellte und konnte auch den
«Apfelringliturm» im Schweizer Pavillon
an der Expo in Mailand beliefern. Aber
gerade die Männer haben da im ersten
Moment nicht immer Verständnis, wenn
ihre Frauen die Selbständigkeit suchen.
Sie wollen sich lieber auf die althergebrachten
Produkte und Methoden
stützen.
Was brauchen die Bäuerinnen in Zukunft,
damit es ihnen gutgeht?
Neben
der festgeschriebenen und effektiven
Gleichstellung und einer besseren finanziellen
Lage brauchen Bäuerinnen vor
allem Raum. Man muss sie machen lassen,
sie ihren eigenen Betriebszweig entwickeln
lassen.
Was ist Ihre Selbständigkeit innerhalb
vom Familienbetrieb?
Wir haben neben
unserer klassischen Milchwirtschaft eine
Pouletmast aufgebaut, die zusätzlichen
Ertrag zu unserem angestammten Geschäft
generiert. Unterdessen ist das ein
eigenständiger Bereich, für den heute nur
ich zuständig bin. Ich wollte das so.