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Wir haben uns daran gewöhnt, doch aus historischer und globaler Sicht ist die Schweiz eine permanente Konsumorgie: Zwei Fernseher, ein Tiefkühler und 1,2 Autos in jedem Haushalt, eine Apotheke an jeder Ecke, zwei Fitnesszentren und ein Fitnessstudio in jedem Quartier, Schönheitschirurgie an jedem fünften Körper oder Gesicht.
Dabei arbeiten wir nur gut halb so viel wie vor 100 Jahren und unsere bestbezahlten Berufsleute schaffen nicht neue Werte, sondern verbringen ihre Zeit damit, alte Vermögen zu verwalten, abzusichern und umzuschichten.
Dieses «Konsumwunder» ruht auf drei Säulen:
Wie aus der Statistik der Haushaltsausgaben hervorgeht, konsumiert das ärmste Fünftel aller Haushalte pro Kopf nur 10 Prozent weniger als der Durchschnitt, das reichste Fünftel bloss 22 Prozent mehr.
Betrachtet man nur die wirtschaftlich aktive Bevölkerung (die Zwei-Personenhaushalte unter 65), sind die Unterschiede etwas grösser: Das ärmste Fünftel konsumiert 27 Prozent weniger als der Durchschnitt, das reichste 37 Prozent mehr – also nicht ganz doppelt so viel. Die übrigen Fünftel liegen dazwischen.
Dass das ärmste Fünftel (zu dem auch die meisten Arbeitslosen und Frühpensionierten gehören) so viel konsumiert, hat zwei Gründe:
Doch trotz allem stecken wir in der Klemme: Wir stellen einerseits viel mehr Zeug her als der Umwelt gut tut, und andererseits konsumieren wir immer noch 15 bis 20 Prozent zu wenig, um unsere Produktivität ohne Arbeitslosigkeit und chronische Überschüsse auslasten zu können.
Trotz riesiger Exportüberschüsse und einer hohen Nettoeinwanderung gibt es etwa 5 Prozent Arbeitslose und Ausgesteuerte in der Schweiz.
Was, wenn die Exporte stagnieren, der Bauboom platzt, die Produktivität weiter steigt?
Ein Niedriglohnsektor mit Mindestlöhnen von bloss 8.50 Euro (entspricht etwa 9.25 Franken), wie ihn Deutschland geschaffen hat, ist kein Ausweg. Damit brechen Konsum und Beschäftigung erst recht ein, und zudem steigt der Zwang, möglichst lange zu arbeiten.
Die einzige Lösung für das Nachfrageproblem sind «markträumende» Löhne: Die Wirtschaft muss die Lohn- und Kapitaleinkommen (die 83 Franken pro Stunde und pro Kopf) so verteilen, dass das BIP voll konsumiert und wieder investiert werden kann – ohne Arbeitslosigkeit und ohne chronische Exportüberschüsse.
Die 83 Franken setzen sich zusammen aus 17 Franken Investitionen (Maschinen, Infrastruktur, Wohnungen etc.) und 66 Franken Konsum (11 Franken Staatskonsum – Verwaltung, Schulen, Sicherheit und 55 Franken Privatkonsum).
Zur Vereinfachung nehmen wir an, dass die Investitionen über die Kapitaleinkommen (bzw. durch Umverteilung) und die 66 Franken Konsum über die Löhne finanziert werden. Zu diesem Zweck muss die Lohnsumme gleich verteilt werden wie der Privatkonsum.
Konkret heisst das: Das ärmste Fünftel der Erwerbstätigen muss 73 Prozent von den 66 Franken Durchschnittslohn verdienen müssen, also 48 Franken. Das reichste Fünftel kassiert 137 Prozent vom Durchschnitt, also 90 Franken.
Der Rest liegt dazwischen.Diese Löhne verstehen sich brutto. Darin sind sämtliche Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge für AHV, Arbeitslosenversicherung und die 2. Säule enthalten. Der Lohn deckt also auch den Konsum der Pensionierten und der Arbeitslosen.
Soweit unsere Modellrechnung.
Selbstverständlich kann die Politik nicht alle Löhne bestimmen. Sie kann aber zusammen mit den Sozialpartnern nationale, regionale oder branchenspezifische Mindestlöhne so festlegen, dass sich im untersten Fünftel ein Lohnniveau von etwa 48 Franken brutto bzw. etwa 42 Franken netto einpendelt.
35 Franken netto müssten es vermutlich schon sein. So gesehen, ist der Mindestlohn von monatlich 3415 Franken (bzw. rund 23 Franken pro Stunde), den das Zürcher Amt für Wirtschaft für den Detailhandel vorgeschlagen hat, wirtschaftsfeindlich.
Damit können Industrie und Gewerbe ihr Produktionspotenzial bei weitem nicht ausschöpfen – zumindest nicht ohne massive staatliche Umverteilung und Exportüberschüsse.
Markträumende Löhne allein lösen zwar das Umweltproblem nicht, aber mit Stundenlöhnen von 48, 57 oder 63 Franken kann sich auch der Normalverdiener den einzigen Luxus leisten, der die Umwelt nicht belastet – mehr Freizeit. Die Schweiz ist auch dann noch ein reiches Land, wenn wir – wie die Deutschen – pro Kopf statt 960 nur noch 730 Stunden arbeiten.