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Sie veräppeln Weltkonzerne auf höchster Ebene: Die Netzaktivisten Yes Men erklären, was mit unserer Wirtschaft falsch läuft 

Die Yes Men bei einer ihrer satirischen Aktionen: Jacques Servin und Igor Vamos.
Die Yes Men bei einer ihrer satirischen Aktionen: Jacques Servin und Igor Vamos.bild: theyesmen

Sie veräppeln Weltkonzerne auf höchster Ebene: Die Netzaktivisten Yes Men erklären, was mit unserer Wirtschaft falsch läuft 

Jacques Servin und Igor Vamos machen Satire auf höchster Ebene. Sie veräppeln Weltkonzerne am Fernsehen und geben sich fälschlicherweise als Verleger aus. Die Konzerne reagieren meist irritiert. The Red Bulletin hat mit den beiden Aktivisten gesprochen.
02.08.2015, 13:3613.08.2015, 16:42
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Ein Artikel von
Branding Box

Jacques Servin und Igor Vamo­s hatten schon viele Jobs – Pressesprecher für Dow Chemical, Produktentwickler für Exxon­Mobil, Herausgeber der «New York Times». Das Problem dabei: Die Unternehmen wussten nichts davon. Servin und Vamos sind die Yes Men, eine Netzkunst- und Aktivistengruppe.

Ihr habt in den letzten Jahren mehrere unglaubliche satirische Knüller geliefert. Warum kaufen euch die Leute das alles ab? 
Jacques Servin/Igor Vamos:
 Als wir als Dow Chemical ankündigten, das Richtige zu tun und Verantwortung für das Bhopal-Unglück zu übernehmen, war das eine «positive» Ankündigung. Die Menschen wollten die Nachricht glauben, weil sie mit ihrem Empfinden von Gerechtigkeit übereinstimmte. Es war eine klassische Erlösungsgeschichte, die von einer Läuterung erzählte.

Die Yes Men

The Yes Men mit der gefakten New York Times. Die zwei führenden Mitglieder der Gruppe sind als «Andy Bichlbaum» und «Mike Bonanno» bekannt. Ihre bürgerlichen Namen lauten Jacques Servin und Igor  ...
The Yes Men mit der gefakten New York Times. Die zwei führenden Mitglieder der Gruppe sind als «Andy Bichlbaum» und «Mike Bonanno» bekannt. Ihre bürgerlichen Namen lauten Jacques Servin und Igor Vamos.bild: theyesmen
Dreimal Fake auf höchster Ebene
2004: Am 20. Jahrestag des Unfalls im Dow-Chemical-Werk in Bhopal (Indien), bei dem tausende Menschen ums Leben kamen, übernimmt ein Konzernsprecher im TV die «volle Verantwortung» für das Unglück. Dow Chemicals Aktienkurs stürzt ab (Video).

2007: Zwei Ver­treter von ExxonMobil stellen auf einer Konferenz das neueste Firmenprodukt vor: «Vivoleum» – Öl, gewonnen aus mensch­lichen Leichnamen.


2008: 
Eine Woche nach Barack Obamas Wahlsieg wird eine «New York Times»-Ausgabe verteilt. Auf der Titelseite steht: Der Irakkrieg ist be­endet, und George W. Bush wird angeklagt (Bild).

Und bei den eher schaurigen und düsteren Aktionen?
Da kommen andere Faktoren zum Tragen. Menschen neigen eher dazu, vermeintlichen Autoritäten und Experten zu glauben. Zudem passieren ständig furchtbare Dinge auf der Welt, was es leichter macht, ein weiteres furchtbares Ding zu glauben – und sei es noch so absurd.

Die Yes Men «übernehmen Verantwortung» zu Bhopal

Yes Men: Hier als Sprecher von Dow Chemical auf BBC.YouTube/atykk

Ihr greift die Regeln des Wirtschaftssystems an, in dem wir leben. Was sollte sich ändern?
Wir müssen die ökonomischen Regeln ändern, nach denen der kurzfristige Profit über alles andere gestellt wird. Der Kapitalismus verlangt drei Prozent Wachstum, um nicht zusammenzubrechen. Aber wir haben nur einen Planeten und keine unendlichen Ressourcen. Wir müssen die Regeln so ändern, dass die Wirtschaft der Umwelt und den ärmsten Menschen zugutekommt. 

Sind die «Opfer» eurer Scherze nicht auch irgendwie Rebellen? Die kommen im echten Leben ja davon mit ihren Gaunereien.
Keinesfalls! Natürlich sind wir die Rebellen. Während unsere Satiren immer recht schnell aufgedeckt werden, erzählen die PR-Abteilungen uns jeden Tag ihre Lügen, ohne dass die entlarvt würden. Dagegen protestieren wir.

The Yes Men mit ihren «Survival Balls»: Sie sind für Manager gedacht, damit sich diese von abrupten Klimaveränderungen schützen können.
The Yes Men mit ihren «Survival Balls»: Sie sind für Manager gedacht, damit sich diese von abrupten Klimaveränderungen schützen können.bild: theyesmen
«Wir müssen die ökonomischen Regeln ändern, nach denen der kurzfristige Profit über alles andere gestellt wird.»
The Yes Men

Könnt ihr noch immer Aktionen durchführen, oder werdet ihr mittlerweile zu oft erkannt?
Es geht immer noch. Und wenn wir erkannt werden, ist es umso lustiger, zu beobachten, wie manche Leute versuchen zu intervenieren. In unserem neuen Film The Yes Men Are Revolting sieht man Jacques sogar verkleidet. Es ist die schlechteste Verkleidung der Welt. 

Trailer zum neuen Film «The Yes Men Are Revolting»

Wie haben sich eure Aktionen verändert, seit ihr vor 15 Jahren damit begonnen habt?
Anfangs haben wir nur improvisiert. Aus Spass. Und weil wir wichtige Themen in die öffentliche Diskussion bringen wollten. Jetzt denken wir uns bessere Strategien aus, um grössere politische Bewegungen ­gezielt zu unterstützen. 

Jetzt auf

Was ist die beste Motivation für eine Rebellion?
Liebe!

Die Yes Men: Doku bei Arte

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