Seit der Finanzkrise hat die Bedeutung der Zentralbanken gewaltig zugenommen. Sie sind, wie der Titel eines Buches von Mohamed El-Erian lautet, «The Only Game in Town» («Die einzig massgebliche Instanz») geworden.
Die Zentralbanken können sich zwar rühmen, nach dem Kollaps der Investmentbank Lehman Brothers eine Kernschmelze des internationalen Finanzsystems vermieden zu haben – wenn auch nur knapp. Aber:
Die Geldpolitik von der Fed, EZB, SNB & Co. wird daher immer heftiger kritisiert. Neuerdings wird selbst die als sakrosankt geltende Unabhängigkeit der Zentralbanken in Frage gestellt.
Neue Nahrung dürften die Kritiker von einem namhaften Ökonomen erhalten: Paul Romer. Er ist kürzlich zum Chefökonomen der Weltbank ernannt worden. Romer gilt als führender Innovationsforscher und ewiger Kandidat für den Nobelpreis. Er ist auch ein erfolgreicher Internet-Unternehmer und hat mit seinem Vorschlag für so genannte «Charter-Städte» für Aufsehen gesorgt.
In der «Financial Times» hat Wolfgang Münchau auf ein interessantes Paper von Romer hingewiesen. Darin beklagt sich Romer, dass die Ökonomie nicht nur keine neuen Erkenntnisse gewonnen hat. Schlimmer noch: «Während mehr als drei Jahrzehnten hat sich die Makroökonomie rückwärts entwickelt.»
Romer vergleicht die Ökonomie mit der Stringtheorie, einer obskuren Weiterentwicklung der Quantenphysik mit Paralleluniversen und Wurmlöchern.
Romers Kritik ist äusserst technisch. Ich nehme nicht in Anspruch, sie vollumfänglich verstanden zu haben. Der Kern seiner Kritik besagt jedoch Folgendes: Ökonomen kümmern sich nicht mehr um wissenschaftliche Erkenntnisse, sondern um ihren Ruf.
«Das Problem ist nicht nur, dass Makroökonomen Dinge sagen, die nicht mit den Fakten übereinstimmen», so Romer. «Das wahre Problem liegt darin, dass es den anderen Ökonomen egal ist, dass ihre Kollegen sich nicht mehr um die Fakten kümmern.»
Mit anderen Worten: Die Ökonomen verkommen zu einer Wissenschaftler-Mafia, in der keine Krähe der anderen ein Auge aushacken will.
So technisch Romers Kritik sein mag, inhaltlich ist sie von grosser Bedeutung. «Unsere unabhängigen Zentralbanker sind alle Makroökonomen, die genau in den Modellen ausgebildet wurden, die Romer kritisiert», stellt Münchau fest.
Das wiederum bedeutet, dass nicht nur die Geldpolitik der meisten Notenbanken, das Festlegen von Inflationszielen («inflation targeting») möglicherweise ein Irrtum ist, sondern dass man auch die Unabhängigkeit der Notenbanken in Frage stellen muss.