Bei der im Volksmund auch als «Schlafsucht» bezeichneten Narkolepsie gehen bestimmte Nervenzellen zugrunde, die den Schlaf regulieren. Schuld scheinen bestimmte Immunzellen zu sein, wie ein Schweizer Forschungsteam berichtet.
Tagsüber wiederkehrende Schlafattacken, manchmal sogar bis zum buchstäblichen Umfallen: Narkolepsie ist zwar eine seltene Krankheit, schränkt aber die Lebensqualität von Betroffenen stark ein. Dahinter vermuten Forschende seit einigen Jahren eine Autoimmunerkrankung. Nun haben Schweizer Wissenschaftler der Beweiskette ein weiteres Glied hinzugefügt und berichten davon im Fachblatt «Nature».
Wie das Team um Federica Sallusto von der Università della Svizzera italiana (USI) und Claudio Bassetti vom Inselspital Bern im Fachblatt «Nature» schreibt, haben Narkolepsie-Betroffene eine grössere Menge eines bestimmten Immunzellen-Typs. Diese sogenannten T-Zellen richten sich laut ihrer Studie gegen Nervenzellen, die den Neurotransmitter Hypokretin produzieren und für die Regulierung des Schlaf-Wach-Rhythmus verantwortlich sind.
Aus früheren Studien ist bekannt, dass Narkolepsie auf einen Verlust an Hypokretin zurückgeht. Dass dahinter eine Störung des Immunsystems stecken könnte, zeigte sich einerseits in einer Nebenwirkung des Schweinegrippen-Impfstoffs Pandemrix: Nach der Impfung mit demselben trat Narkolepsie häufiger auf. Man vermutete, dass Bestandteile des Impfstoffs eine Autoimmunreaktion gegen Hypokretin auslösen könnte.
Ausserdem lieferten Genanalysen wichtige Hinweise: Diese ergaben, dass eine bestimmte Veränderung in einem für das Immunsystem wichtigen Gen viel häufiger bei Narkolepsie-Patienten auftritt – bei 98 Prozent dieser Personengruppe – als in der sonstigen Bevölkerung (15 bis 30 Prozent).
Bisher gab es jedoch kaum Hinweise auf Immunzellen, welche für eine Autoimmunreaktion gegen Hypokretin verantwortlich sein könnten, wie die Forschenden im Fachblatt «Nature» schreiben. Für ihre Studie untersuchten sie daher die Immunzellen in Blutproben von 19 Narkolepsie-Patienten und 13 gesunden Personen, die aber ebenso wie die Patienten die besagte Genveränderung trugen.
Dabei konnten sie zwei Typen von T-Zellen (sogenannte CD4+ und CD8+ T-Zellen) identifizieren, die sich gegen Hypokretin und ein weiteres Protein richten, das von denselben Nervenzellen produziert wird. Diese T-Zellen kamen bei den Probanden mit Narkolepsie weitaus häufiger vor als bei den gesunden.
Die T-Zellen können demnach eine Entzündungsreaktion auslösen und sogar die Hypokretin-produzierenden Nervenzellen zerstören, wie das Inselspital am Mittwoch in einer Mitteilung schrieb. Dies erkläre den bei Narkolepsie typischen Verlust an Hypokretin.
«Wenn wir autoreaktive T-Zellen in frühen Stadien blockieren, können wir möglicherweise den neuronalen Verlust begrenzen und das Fortschreiten der Krankheit verhindern», liess sich Federica Sallusto in der Mitteilung zitieren. Die Ergebnisse der Studie würden «neue Möglichkeiten für eine frühzeitige Diagnose und für neue Behandlungsansätze dieser stark einschränkenden Krankheit eröffnen», kommentierte auch Bassetti.
Wenn sich die Rolle der T-Zellen als Ursache für Narkolepsie bestätigt, wäre damit ein wichtiger Ansatzpunkt für künftige Therapien entdeckt, schreibt auch Roland Liblau von der Universität Toulouse, der nicht an der Untersuchung beteiligt war, in einem Begleitkommentar zur Studie.
Es sei jedoch wichtig, ein präzises Bild der Rolle dieser Immunzellen zu erhalten, so Liblau: Stehen sie am Ursprung der Erkrankung oder sind sie nur eine Konsequenz daraus, die nicht zu ihrem Fortschreiten beiträgt? Weitere Erkenntnisse könnten Studien liefern, welche die Immunreaktion in Narkolepsie-Betroffenen über die Zeit hinweg untersuchen, bestenfalls ab Beginn der Erkrankung.
Das Rätsel um die Verbindung zwischen der Schweinegrippen-Impfung mit Pandemrix und den gehäuften Narkolepsie-Erkrankungen konnte die nun veröffentliche Studie allerdings nicht klären, wie die Forschenden schreiben. Die untersuchten T-Zellen reagierten nicht auf die Inhaltsstoffe des Impfstoffs. (tam/sda)