Stillen gilt heutzutage als gesund – doch die Frage, bis zu welchem Alter ein Kind noch gestillt werden darf, bringt die Gemüter in Wallung. Im Extremfall beschäftigen sich die Gerichte damit.
Wie gerade jetzt: Vor dem Bezirksgericht Dietikon steht eine Frau, weil sie – so der Vorwurf – ihre siebenjährige Tochter an ihrer Brust habe nuckeln lassen. Die Anklage lautet auf Schändung und sexuelle Handlungen mit der Tochter.
Auch wenn Frauen in der Öffentlichkeit stillen, ist das umstritten. Manche Leute finden dies ungehörig oder störend. Hier – zur Versachlichung der Diskussion – 13 Fakten zum Stillen, die nicht jeder kennt.
Der weibliche Körper produziert Muttermilch schon während der Schwangerschaft. Etwa 24 Stunden nach der Geburt setzen dann die Hormone Progesteron und Prolaktin die Milchdrüsen in Gang. Wenn das Kind zum ersten Mal saugt, beginnt die Milchzufuhr endgültig.
Die Milchdrüsen produzieren nicht immer die gleiche Milch. Am ersten Stilltag geben sie das sogenannte Kolostrum, die nährstoffreiche Erstmilch. Ab dem vierten Tag wird die Übergangsmilch produziert. Erst ab dem zehnten Tag erhält der Säugling die reife Muttermilch. Aber auch deren Zusammensetzung kann sich jeweils ändern und der Entwicklung des Babys anpassen. So nimmt der Fettgehalt der Milch ab, wenn das Baby sechs Monate alt ist.
Muttermilch enthält hauptsächlich Wasser (87,2%). Sie ist daher im Sommer auch als Durstlöscher geeignet. Daneben enthält sie eine ganze Menge von Inhaltsstoffen: Kohlenhydrate (7%), Fett (4%) und Eiweiss (1,5%) sind mengenmässig die wichtigsten. Daneben enthält Muttermilch auch Spurenelemente (0,3%) sowie Kalium (47 mg), Natrium (14 mg), Calcium (33 mg), Magnesium (3 mg), Eisen (58 µg) und Phosphor (15 mg). Der Nährwert liegt bei ca. 70 kcal/100 ml.
Pro Tag kann eine Frau bis zu einem Liter Milch produzieren. Beim Stillen nimmt ein Baby pro Mahlzeit etwa 200 bis 250 ml auf. Die Milchproduktion richtet sich aber bis zu einem gewissen Grad nach den Bedürfnissen des Kindes – die Milchdrüsen können je nachdem mehr oder weniger Milch zur Verfügung stellen.
Das Stillen und dazu der Körperkontakt zwischen Mutter und Kind führt dazu, dass sich das Kind sicher fühlt. dadurch entsteht eine starke Bindung zwischen Mutter und Kind. Das bedeutet nicht, dass die Bindung bei Flaschennahrung nicht ebenfalls intensiv sein kann. Dann sollte aber darauf geachtet werden, dass nur Mutter und Vater die Flasche geben – und nicht alle, die gerade zu Besuch sind.
Muttermilch ist gesund und enthält abwehrfördernde Enzyme. Studien zeigen, dass Babys über die Muttermilch Antikörper erhalten, die ihr Immunsystem stärken. Sie sind besser gegen Durchfall, grippale Infekte und weitere Gefahren geschützt. Dies fällt vor allem in Entwicklungsländern ins Gewicht, wo die hygienischen Verhältnisse oft problematisch sind. Kinder, die nicht gestillt werden, haben dort in den ersten beiden Lebensjahren ein vielfach erhöhtes Sterberisiko, vermutlich weil sie Keime durch Babynahrung in Flaschen aufnehmen.
Allerdings werden der Muttermilch oft auch geradezu magische Qualitäten nachgesagt. Manche behauptete Schutzwirkung ist jedoch umstritten. So ist nicht hieb- und stichfest erwiesen, dass Stillen vor Allergien oder Diabetes schützt. Ebenso ist nicht wirklich ein kausaler Zusammenhang zwischen Stillen und Intelligenz des Kindes belegbar. Dass Stillen die Wahrscheinlichkeit verringert, dass das Kind fettleibig wird, ist zwar erwiesen, aber der Effekt ist sehr klein. Das gilt auch für den Effekt, dass Stillen die Mütter vor Brustkrebs schützt. Generell neigen die Leute dazu, die Vorteile des Stillens zu überschätzen.
Muttermilch kostet nichts und hat zudem beim Stillen immer die richtige, angenehme Temperatur – es besteht keine Gefahr, dass sich das Baby den Mund verbrennt. Muttermilch kann beim Stillen auch nicht überdosiert werden wie bei Pulvermischungen. Naturgemäss droht keine Gefahr durch fehlerhafte Zubereitung oder verunreinigtes Wasser.
Dass Stillen etwas Natürliches ist, will nicht heissen, dass es keine Probleme geben kann. Vor allem zu Beginn können solche auftreten. Am häufigsten sind entzündete Brustwarzen. Weitere Probleme sind zu wenig Milch, Milchstau oder Schwierigkeiten beim Anlegen. Brustverkleinerungen können das Stillen unter Umständen ganz verunmöglichen – dann nämlich, wenn infolge der Operation die Milchdrüsenausführungsgänge nicht mehr mit den Brustwarzen verbunden sind.
Milchpulver belastet die Umwelt mehr als Muttermilch: Bei der Produktion fällt Abfall an und sie kostet Energie. Auch die Herstellung der Verpackung und der Transport verbraucht Energie.
Muttermilch kann bei vielen Infektionen Linderung bringen, wenn sie äusserlich wie eine Salbe aufgetragen wird. Besonders hilft sie bei Reizungen der Haut in den Gesässfalten, aber auch bei gereizten Augen oder einer verschnupften Nase.
In den Brüsten wird nicht gleich viel Milch produziert. Die Menge ist abhängig von der Anzahl der milchbildenden Zellen, aber auch von den Trinkgewohnheiten des Säuglings. Es kann daher vorkommen, dass ein Baby eine Vorliebe für eine der beiden Brüste entwickelt.
Früher war es Gang und Gäbe, dass Kinder – besonders in besseren Kreisen – nicht von ihren leiblichen Müttern gestillt wurden, sondern von Ammen. In diesem Fall war der Ausdruck «Muttermilch» nicht passend, doch bis ins 18. Jahrhundert nannte man das Erzeugnis der Milchdrüsen ohnehin «Weibermilch» (lac muliebre). Das Wort «Muttermilch» kam erst mit einer Kampagne auf, die die Mütter dazu aufrief, ihre Kinder selbst zu stillen.
Wie lange gestillt wird, ist von Kultur zu Kultur unterschiedlich. In unseren Breitengraden wird Müttern empfohlen, mindestens bis zum sechsten Monat zu stillen und frühestens ab dem vierten Monat zusätzliche Nahrung zu verabreichen. In bestimmten Gebieten Zentralafrikas stillen Mütter ihre Kinder hingegen oft bis zum 53. Monat, also gut viereinhalb Jahre. In diesem Zeitraum kann eine Mutter die unglaubliche Menge von 1600 Litern Milch produzieren. Im weltweiten Schnitt stillen Mütter 30 Monate lang.
Ebenfalls kulturell bestimmt ist das Stillen in der Öffentlichkeit. Besonders in angelsächsisch geprägten Ländern gilt das als unfein. Aus diesem Grund löscht Facebook Bilder von stillenden Müttern umgehend. Aber auch in anderen Gegenden kann Stillen in der Öffentlichkeit zu Problemen führen. Im vergangenen Sommer protestierten argentinische Mütter mit einem Massen-Stillen auf der Strasse gegen die Verhaftung einer Mutter, die in der Öffentlichkeit gestillt hatte.