«Treffen sich zwei Planeten», so beginnt ein alter Witz. «Wie geht's denn so?», fragt der eine. «Schlecht! Ich habe Mensch», antwortet der andere. Worauf der erste Planet ihn tröstet: «Ah, das hatte ich auch schon. Das geht vorbei!»
Der Witz ist gut, weil er mit einem überraschenden Perspektivenwechsel aufwartet: Planeten als Patienten, Menschen als Krankheitserreger. In dieser Pointe, wenn man sie denn ernst nehmen will, zeigt sich aber auch ein negatives Menschenbild – das Problem ist der Mensch. Und wie bei Viren und Bakterien ist es seine unkontrollierte Vermehrung, die gefährlich ist.
Tatsächlich gibt es ökologische Strömungen, zum Beispiel militante «Erdkrieger» von Earth First oder Anhänger der , die in der Erde einen beseelten Organismus sehen ( «Tiefenökologie»«Gaia») und in den Menschen Parasiten, deren Zahl es zu vermindern gilt. Arne Naess, der Begründer der Tiefenökologie, sprach sich für eine Reduzierung der Menschheit auf ein «vertretbares Mindestmass» aus und erklärte, jeder Einwanderer aus einem armen in ein reiches Land schaffe – aufgrund des dort höheren Lebensstandards – «ökologischen Stress».
Das Wachstum der Weltbevölkerung zu senken und die Nettozuwanderung in die reiche Schweiz zu begrenzen, das sind die Anliegen der 2012 eingereich ten Ecopop-Initiative «Stopp der Überbevölkerung – zur Sicherung der n atürlichen Lebensgrundlagen». Die Initiative wird von der Grünen Partei offiziell klar abgelehnt, doch in der Basis der Partei gibt es durchaus Zustimmung für das Volksbegehren und mittlerweile hat sich auch ein Komitee «Grüne für Ecopop» formiert.
Kritiker werfen der Ecopop-Initiative vor, sie sei ausländerfeindlich oder gar rassistisch. Doch die Umweltorganisation Ecopop, die hinter der Initiative steht, lehnt die Zusammenarbeit mit Rechtsparteien ab und will keinesfalls in die rechte Ecke gestellt werden. Ecopop (aus französisch «Ecologie et Population», bis 1987 «Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Bevölkerungsfragen» SAfB) wurde 1971 als Reaktion auf die ersten Berichte des Club of Rome gegründet, wie es auf der Website des Vereins heisst.
Allerdings könnte die Gründung auch im Zusammenhang mit der Überfremdungsinitiative von James Schwarzenbach stehen, die im Juni 1970 relativ knapp abgelehnt wurde. Überdies sass in den Anfangsjahren mit Valentin Oehen der Präsident der «Nationalen Aktion für Volk und Heimat» (NA) – seit 1990 Schweizer Demokraten – im Ecopop-Vorstand. Oehen setzte Umweltargumente gegen Ausländer ein: «Es ist bekannt, dass diese gefährliche Bevölkerungsexplosion in unserem Land zu einem wesentlichen Teil auf die Einwanderung zurückzuführen ist», sagte er.
Ökologisches Gedankengut ist nun mal nicht per se links. In der Ahnengalerie der grünen Bewegung befinden sich auch konservative Denker, esoterische Romantiker und antisemitische Hetzer.
Der erste, der wirkungsmächtig die These von den Gefahren der Überbevölkerung formuliert hat, war der britische Ökonom Thomas Robert Malthus. 1798 veröffentlichte er seinen wegweisenden «Essay on the Principle of Population» («Das Bevölkerungsgesetz»), in dem er die These aufstellte, dass die nur linear zunehmende Produktion von Nahrungsmitteln nicht mit dem exponentiellen Bevölkerungswachstum Schritt halten könne. Verelendung und schliesslich Dezimierung durch Seuchen und Hungersnöte seien die unvermeidbare Folge.
Neomalthusianische Vorstellungen prägten die ökologische Bewegung stark, besonders nach dem Abklingen der Wachstumseuphorie zu Beginn der Siebzigerjahre. Schon 1968 warf Paul R. Ehrlich, ein amerikanischer Biologe, seinen alarmistischen Bestseller «The Population Bomb» («Die Bevölkerungsbombe») auf den Markt. Ehrlich prophezeite, bald würden hunderte von Millionen Menschen verhungern. Schuld daran war für Ehrlich vor allem das Bevölkerungswachstum in den Entwicklungsländern, das er mit repressiver Geburtenkontrolle einschränken wollte.
1972 veröffentlichte der Club of Rome seinen legendären Bericht «Die Grenzen des Wachstums», in dem vorausgesagt wurde, die wachsende Menschheit werde die Ressourcen zum guten Teil bis zur Jahrtausendwende aufgebraucht haben. Im Jahr darauf erschien «Die acht Todsünden der zivilisierten Menschheit» des österreichischen Zoologen und Nobelpreisträgers Konrad Lorenz, der noch 1988 sagte: «(...) gegen Überbevölkerung hat die Menschheit nichts Vernünftiges unternommen. Man könnte daher eine gewisse Sympathie für Aids bekommen.»
Lorenz, der 1938 kurz nach dem Anschluss seiner Heimat an Nazi-Deutschland der NSDAP beigetreten war, dominierte zusammen mit anderen ehemaligen Nazis den Umweltschutz der Nachkriegszeit, wie der linke Journalist Peter Bierl schreibt. Dazu gehörte zum Beispiel der Landschaftsarchitekt Alwin Seifert, der Steppenlandschaften als «undeutsch» empfand und deshalb die im Osten eroberten Gebiete mit Feldhecken «eindeutschen» wollte. Er war nach dem Krieg Ehrenvorsitzender des Bundes Naturschutz in Bayern.
Auch der rechtsextreme Ökobauer und Alt-Nazi Baldur Springmann – 1980 Gründungsmitglied der deutschen Grünen – zählte zu diesem Kreis. Wie andere völkisch denkende Umweltschützer hegte auch Springmann esoterische Vorstellungen. Seinen Hof bewirtschaftete er nach den Grundsätzen der biologisch-dynamischen Landwirtschaft, die auf den Anthroposophen Rudolf Steiner zurückgeht.
Steiner beeinflusste die Lebensreformbewegung im wilhelminischen Deutschland stark. Die Lebensreformer propagierten gesunde Ernährung, Vegetarismus, Tierschutz und Freikörperkultur und bekämpften Alkohol und Nikotin. Bei einigen gehörte auch «Rassenhygiene» zu den Forderungen.
Rassismus, Antisemitismus sowie Blut-und-Boden-Ideologie waren unverzichtbare Bestandteile im Weltbild der Artamanen. Der in den Zwanzigerjahren gegründete agroromantische Verein propagierte «die Erneuerung aus den Urkräften des Volkstums, aus Blut, Boden, Sonne und Wahrheit». Einige später prominente Nazis gehörten zu den Artamanen, so der «SS-Reichsführer» Heinrich Himmler, der Auschwitz-Kommandant Rudolf Höss oder der «Reichsbauernführer» Richard Walther Darré.
Die rassisch reinen Wehrdörfer der Artamanen inspirieren heute noch Rechtsradikale: Neo-Artamanen versuchen seit rund 20 Jahren, vor allem in Mecklenburg-Vorpommern, ähnliche Siedlungsprojekte aufzuziehen. Diese Ökofaschisten geben sich äusserlich harmlos, sie kämpfen gegen Gentechnik und verkaufen ökologische Baustoffe. Aber auch sie verschmelzen Rassismus, Blut-und-Boden-Ideologie und Neuheidentum zu einem braunen Cocktail.
Die Ecopop-Mitglieder sind mit Sicherheit weit von solchen Vorstellungen entfernt. Möglicherweise ist aber nicht allen bewusst, wie bedeutend die braune Geschichte des Umweltschutzes ist. Dies dürfte auch für manche der Schweizer Politiker gelten, die im Wahljahr 2011 noch für eine Zuwanderungsbegrenzung waren, wie der «Tages-Anzeiger» kürzlich schrieb.
dorobo
Roboter
Ideen wie die von Ecopop nach genauerem überlegen noch unterstützt muss sich schon fragen ob er vielleicht auch selber ein braunes Hemd anziehen sollte.
Dass die ganzen Rechts-Trolle nun schon aus den anderen News Portalen zu Watson gekommen sind, war ja abzusehen, schade. Total Normcore.
André Dünner
Anstehende Aufgaben, auch weltweite, können nur gemeinsam gelöst werden. Heisst aber auch nicht einer Welt-Regierung.
Und daher werde ich wohl nur schwer von meinem Nein zur Initiative abzubringen sein. Umwelt schützen tun nicht nur einige wenige mit stimulierenden Argumenten und Kosten abwälzend auf andere, sondern ist Aufgabe von allen zusammen.