Tokio, Japan, 1968:
Das neue Bildtelefon der Firma Toshiba, das Modell 500 View Phone, wird – ziemlich freudlos – im Hauptsitz des Unternehmens in Tokio getestet.
Arles, Frankreich, 21. Februar 1875 – 4. August 1997:
Das ist Jeanne Louise Calment. Sie wurde sagenhafte 122 Jahre und 164 Tage alt – die bis anhin längste validierte Lebenspanne, die ein Mensch je hinter sich gebracht hat.
2018 hatten zwei russische Forscher die Echtheit ihres Alters angezweifelt und behauptet, Jeanne Calment sei in Wirklichkeit ihre eigene Tochter Yvonne. Doch die These liess sich nicht erhärten, eine Studie kam schliesslich zum Schluss, dass sich Calments Identität angabegemäss belegen liess.
Als sie 12 Jahre alt ist, beginnt der Bau des Eiffelturms, mit 14 begegnet sie dem Maler Vincent van Gogh, einem «schmutzigen, schlecht gekleideten, unhöflichen und hässlichen Mann», mit 21 heiratet sie Fernand Nicolas Calment und fängt mit dem Rauchen an, mit 23 bekommt sie ihre einzige Tochter Yvonne, die bereits mit 36 stirbt.
Es kam der Erste, dann der Zweite Weltkrieg, während dem deutsche Soldaten in ihrem Haus schliefen, «aber nichts stahlen». 1942 stirbt ihr Mann an einer Kirschvergiftung. 1962 verliert sie ihren einzigen Bruder, 1963 ihren Schwiegersohn und ihren einzigen Enkel. Calment ist jetzt 88 Jahre alt.
Sie beginnt mit Fechten und fährt noch mit 100 Jahren Fahrrad. Bis 110 lebt sie alleine, mit 114 spielt sie die Hauptrolle in einem Film über ihr Leben, mit 115 bricht sie sich zwei Knochen und bekommt einen Rollstuhl, mit 117 versucht sie das erste Mal, das Rauchen aufzugeben, fängt mit 118 wieder an, bis sie, 119 und inzwischen fast ganz taub und blind geworden, die Zigarette nicht mehr selbst anzünden kann. Weil sie eine stolze Frau ist, die es hasst, andere Leute um Hilfe zu bitten, lässt sie fortan tatsächlich die Hände von den Glimmstängeln. Ihren scharfen Verstand und ihren Sinn für Humor behält sie bis zuletzt. An ihrem 120. Geburtstag gefragt, was sie für eine Zukunft erwarte, sagt sie: «Eine sehr kurze.»
Und hier sind ein paar weitere ihrer wundervollen Aussagen:
Gaithersburg, Maryland, USA, 1957:
Der amerikanische Ingenieur Russell A. Kirsch kam 1951 zum National Bureau of Standards, wo er zum SEAC-Team stiess. Der SEAC war der erste programmgesteuerte Computer in den USA, der 1950 in Betrieb genommen wurde.
Sieben Jahre später entwickelte er mit seiner Gruppe einen digitalen Bildscanner, das erste darin gescannte Foto zeigte seinen drei Monate alten Sohn Walden.
Louisiana, USA, 1863:
Gordon entkam im März 1863 seinem Sklavenleben auf der Plantage von John und Bridget Lyons.
Als sein Herr seine Flucht bemerkte, rekrutierte er mehrere Nachbarn, die ihn mit einer Meute von Bluthunden verfolgten. Gordon hatte damit gerechnet, dass er verfolgt werden würde, er trug Zwiebeln von der Plantage bei sich, mit denen er nun seinen Körper einrieb, um die Hunde abzuschrecken.
Es funktionierte – und Gordon erreichte zehn Tage und 130 Kilometer später die in Baton Rouge stationierten Unionssoldaten. Das obige Bild des Fotografen William D. McPherson und seinem Partner Mr. Oliver entstand, als man Gordon mit einer Uniform ausrüstete.
Sein von der Peitsche vernarbter Rücken wurde zum Symbol der Sklaverei, eine wortlose Anklage gegen jene ungerechte Institution der Südstaatler, die nach dem Ende des Sezessionskrieges, genauer am 18. Dezember 1865, auf dem gesamten Gebiet der Vereinigten Staaten abgeschafft wurde.
Gordon trat der Unionsarmee bei, drei Monate nachdem die Emanzipationsproklamation die Aufnahme befreiter Sklaven in die Streitkräfte erlaubt hatte.
Auf einer Expedition wurde er von den Konföderierten gefangen genommen; sie fesselten ihn, schlugen ihn und liessen ihn zum Sterben zurück.
Doch Gordon starb nicht. Er schleppte sich zurück in die Linien der Union. Was aus ihm wurde, nachdem er 1863 als Sergeant im Corps d'Afrique in der Schlacht um Vicksburg tapfer gekämpft hatte, weiss man nicht.
Bali, 1997:
Victoria Beckham (Posh Spice), Melanie Chisholm (Sporty Spice), Melanie Brown (Scary Spice), Geri Halliwell (Ginger Spice) und Emma Bunton (Baby Spice) sind die Spice Girls, DIE Pop-Girlgroup der 90er.
Die Band verkaufte bisher mehr als 85 Millionen Tonträger.
Sowjetunion, 1985-1988:
Mitte der 1980er Jahre betrug die Lebenserwartung eines sowjetischen Mannes nur etwa 63 Jahre, zwölf Jahre weniger als in den Vereinigten Staaten zur gleichen Zeit. Geschuldet war das vor allem einer Sache: dem Wodka.
Im Mai 1985 wurde deshalb unter dem neuen Generalsekretär der Kommunistischen Partei, Michael Gorbatschow, eine riesige Kampagne zur Eindämmung des Alkoholkonsums gestartet.
Faktisch kam sie einer Halb-Prohibition gleich; Brennereien, Destillerien und fast zwei Drittel aller Alkohol-Verkaufsstellen wurden geschlossen, der Wodkapreis erhöht und in Georgien, der Moldau und Ukraine liess man 140'000 Hektar Weinanbaufläche vernichten. Wer von der Polizei betrunken aufgegriffen wurde, zahlte eine Geldstrafe von einem halben Monatslohn oder musste für 15 Tage ins Gefängnis.
Das riesige Land wurde mit Plakaten tapeziert, die den im Trinken generell ziemlich soliden Sowjetbürger – darunter rund 20 Millionen Alkoholiker – auf die fatalen Folgen des Alkoholmissbrauchs aufmerksam machen sollten.
Die kommunistischen Funktionäre hielten die Trinksucht für ein Produkt bürgerlich-kapitalistischer Institutionen und als solches hatte es in einer «klassenlosen» und «konfliktfreien» sozialistischen Gesellschaft schnellstens zu verschwinden.
Zersetzte er die Gesellschaft dennoch, so wurde dies stets als ein Versagen des Individuums gewertet, als Charakterschwäche, mangelnder Willenskraft oder ausländischen Einflüssen geschuldet. Sicherlich aber war es für sie kein Problem, dass das politische System mitzuverantworten hatte.
Beliebt waren die Massnahmen nicht, aber gesundheitspolitisch von Erfolg gekrönt: Alkoholbedingte, akute Sterbefälle gingen in Russland um rund zwei Drittel zurück, die allgemeine Lebenserwartung stieg um zwei Jahre.
Abgesehen davon, dass der selbstgebrannte Fusel, den nun viele Sowjetbürger heimlich zu brennen begannen, das Land vergiftete. Die Eigenproduktion und der Schwarzmarkt blühten, das war an den Hamsterkäufen von Zucker klar zu erkennen, während die Steuereinnahmen des Staates drastisch sanken.
Selbst nach der Beendigung der Kampagne im Oktober 1988 stiegen die Einnahmen nur sehr langsam; der Staat hatte das Monopol auf die Branntweinherstellung faktisch verloren.
Mit der schrumpfenden Haushaltskasse schwand auch Gorbatschows Beliebtheit, der fortan als «Genosse Orangensaft» und «Mineralsekretär» verspottet wurde.
Das Bitterste aber war, dass auch die Lebenserwartung der Russen wieder rapide sank – sogar unter das Niveau von vor der Kampagne.
Paris, ca. 1875:
Öffentliches Pissoir mit drei Kabinen in der Rue du Maine, fotografiert vom französischen Fotografen Charles Marville (1813–1879).
Del Rio, Texas, USA, 1906:
«A True Girl of the West», besagt dieses Plakat.
Der Homestead Act von 1862 erlaubte jeder Person über 21 Jahren in den USA, sich auf einem bis dahin unbesiedelten Stück Land niederzulassen, sich ein 160 Acre (etwa 64 ha) grosses Land abzustecken und zu bewirtschaften.
Damals fand die grösste Migration der Geschichte der Vereinigten Staaten statt; die Menschen zog es aus den Städten des Ostens in den Wilden Westen, um dort ein neues Leben zu beginnen.
Ein raues, eines, das besonders von den Frauen verlangte, ihre traditionelle Rolle weitgehend aufzugeben.
Pionierinnen mussten sich anpassen, um auf der harten Reise und in der neuen Umgebung zu überleben. Sie übernahmen dieselben Aufgaben wie die Männer. Sie bewirtschafteten das Land, sie banden die Rinder an, lernten schiessen und reiten.
Dies alles war ohne Umstände nur möglich, wenn die Frauen ihre langen Röcke durch Hosen ersetzten, Männerschuhe trugen und den Damensattel aufgaben, um sich rittlings aufs Pferd zu setzen.
Daran erfreuten sich nicht alle. Manche Frauen fürchteten die Verhaftung, andere zogen Weste und Hut an und gaben sich gänzlich als Männer aus; so wie Josephine Monaghan, die sich allein von Buffalo, New York, in den Westen aufmachte, nachdem sie, von ihrem Geliebten verlassen, einen Sohn zur Welt gebracht und so in Ungnade gefallen war. Ihre Schwester adoptierte das Baby, und Joe liess sich in Idaho nieder, wo sie erst als Schaf- und Kuhhirtin arbeitete.
Sie lernte das Reiten auf Wildpferden und wurde eine gute und von den anderen Cowboys respektierte Schützin. Little Joe, wie sie fortan genannt wurde, gelang es schliesslich, ein Gehöft im Südosten von Oregon zu erwerben, das sie im Laufe von zwei Jahrzehnten zu einer Ranch mit fünfzig Pferden und mehreren hundert Rindern ausbaute.
In der nächstgelegenen Stadt Rockville war Little Joe ein angesehenes Mitglied der Gemeinde, nahm an Wahlen teil und sass in mehreren Geschworenengerichten. Dass ihr das damals noch gar nicht zugestanden hätte, bemerkte man erst, als man ihren Körper nach ihrem Tod 1903 für die Beerdigung vorbereitete – Little Joe war eine Frau!
London, 1940:
Ein Kaninchen sitzt auf dem Erdhügel, der den Luftschutzbunker im Garten einer Familie bedeckt.
Was soll mit all den Haustieren geschehen, wenn der Krieg ausbricht? Diese Frage stellte sich die britische Regierung 1939 – und gründete das National Air Raid Precautions Animals Committee (NARPAC), um sie zu beantworten.
Das Komitee befürchtete, die Haustierbesitzer würden bei einer Lebensmittelknappheit ihre spärlichen Rationen mit ihren Katzen und Hunden teilen – oder sie verhungern lassen.
Um dem vorzubeugen, veröffentlichte das NARPAC eine Broschüre mit dem Titel «Ratschläge für Tierbesitzer». Darin wurde empfohlen, Haustiere wenn möglich aus den Grossstädten aufs Land zu bringen. Und weiter:
Und als dann der Krieg und besonders die Bomben kamen, überschwemmten die Menschen in ganz Grossbritannien die Tierkliniken und Heime, um dort ihre Tiere einschläfern zu lassen. Über 750'000 fanden so den Tod.
Es gab aber auch die andere Seite. Diejenigen, die die Tiere aus den Trümmern retteten, sie während des Krieges versorgten oder einen Haustierfriedhof einrichteten.
Oder diejenigen, die wie der Erfinder C.H. Gaunt, einen gasdichten Schutzraum für Tiere entwarfen.
Viele der Tierhalter, die ihre Liebsten einschläfern liessen, bedauerten ihre Entscheidung, nachdem ihnen der erste Schrecken des Krieges aus den Gliedern gefahren war. Die Schuld an der Hysterie gaben sie der Regierung.
London, 1922:
Eine Nanny ist mit einem motorisierten Kinderwagen unterwegs. Im Kinderwagen befindet sich ein Golliwog, eine damals sehr populäre schwarze Kinderpuppe, die einer Kinderbuchfigur nachempfunden war. Der Golliwog als rassistischer Stereotyp kam seit den Siebzigerjahren ausser Mode.
London, 1956:
Das Zirkusbaby Yvonne Kruse wird vom Elefanten Kam, einem Schützling ihrer Mutter Gösta, im Kinderwagen geschoben.
Eine Arbeit des britischen Prothesen-Pioniers und Schuhmachers James Gillingham (1839–1924).
Bei seinem so genannten «Lederbein» passte Gillingham das Leder genau an die Gliedmasse des Patienten an, bevor er es härtete.
Bis 1910 hatte er die Mobilität und Funktion von mehr als 15'000 Patienten wiederhergestellt. Er machte Schwarz-Weiss-Fotos, um die Details und den Sitz jeder Prothese zu dokumentieren.
Das vielleicht Bemerkenswerteste an Gillinghams waren die Handprothesen, die er aus fein geschnitztem Holz anfertigte. Diese war zwar nicht besonders praktisch, weil sich die Finger nicht bewegen liessen, dafür aber sehr edel. Sie gaben seinen Kunden, besonders den Frauen, das Gefühl eines unversehrten Aussehens zurück.
Für diejenigen, die einem weniger vornehmen Beruf nachgingen, schuf Gillingham verschiedene praktische Aufsätze wie Haken, Ringe, Messer und Gabeln, Federklammern und sogar Strick- und Häkelnadeln.
Washington, D.C., Juni 1944:
Mitarbeiter der Nachrichten- und Presseagentur Associated Press (AP) betrachten in ihrem Büro die durch Bildtelegrafie hereingekommenen 153 Bilder der ersten viereinhalb Tage der Invasion in der Normandie.
Camp David, Catoctin Mountain, Maryland, USA, 1991:
Ein entspannter US-Präsident George H. W. Bush* schlittelt mit einem weniger entspannten Arnold Schwarzenegger (damals noch nicht Gouverneur von Kalifornien) ein Hügelchen in Camp David herunter.
* In einer früheren Fassung des Artikels hiess es irrtümlich, George Bush sei damals noch nicht Präsident gewesen.