Walter Mittelholzer posiert während seines Kilimandjaro-Flugs 1929/30 mit der Freihandkamera vor der Fokker F.VIIb-3m.Bild: ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv/Stiftung Luftbild Schweiz
Der am 2. April 1894 in eine St.Galler
Bäckersfamilie geborene Walter Mittelholzer will hoch hinaus. Als
ausgebildeter Fotograf meldet er sich bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs
freiwillig als Aufklärer zur jungen Fliegertruppe. Im Zivilleben wird
für ihn die Verbindung von Fotografie und Fliegerei zum Erfolgsmodell.
23.07.2018, 22:1224.07.2018, 17:23
Michael Gasser / ETH-Bibliothek
1942, mitten im Zweiten Weltkrieg, wurde zu Ehren Walter Mittelholzers,
der 1937 bei einer Klettertour in der Steiermark tödlich verunglückt
war, beim Flughafen Dübendorf feierlich ein Denkmal eigeweiht. Damit
wurde Mittelholzers Status als Schweizer Nationalheld von General Henri
Guisan, Bundesrat Elio Celio und weiteren anwesenden Ehrengästen
öffentlich zementiert.
Natürlich war der Standort des Denkmals kein
Zufall: Mittelholzer hatte sich als Pilot und Unternehmer um den Auf-
und Ausbau der zivilen Luftfahrt der Schweiz und den Flugplatz Dübendorf
in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg verdient gemacht. Er war
Mitbegründer, Direktor und Chefpilot der Zürcher Fluggesellschaft Ad
Astra Aero. Mit der Fusion der Ad Astra Aero und der Balair zur Swissair
von 1931 wurde Mittelholzer technischer Direktor dieser ersten
nationalen Airline.
Hier bloggt das Schweizerische Nationalmuseum
Drei Museen – das Landesmuseum Zürich, das Château de Prangins und das
Forum Schweizer Geschichte Schwyz – sowie das Sammlungszentrum in
Affoltern am Albis sind unter dem Dach des Schweizerischen
Nationalmuseums vereint.
Im Blog veröffentlichen Mitarbeiter des
Nationalmuseums und renommierte Gastautoren Beiträge zu aktuellen
Themen.
watson übernimmt in loser Folge ausgesuchte Perlen daraus. Der
Beitrag «Walter Mittelholzer – Mit Flugzeug und Kamera» erschien am 20. Juli 2018.
blog.nationalmuseum.ch/2018/07/walter-mittelholzer-mit-flugzeug-und-kamera/Ein vollkommenerer Blick auf die Heimat
Seine Berühmtheit verdankte Mittelholzer allerdings weniger den
leitenden Funktionen in Fluggesellschaften. Entscheidender waren seine
internationalen Flugexpeditionen und seine Talente als Fotograf, Autor,
Filmemacher und Vermarkter seiner selbst. In der Schweiz schuf und
bewirtschaftete er einen Markt für Luftbilder.
Zwar hatte der Schweizer
Ballonfahrer und Pionier der Luftbildfotografie Eduard Spelterini
bereits vor dem Ersten Weltkrieg ausgezeichnete Aufnahmen aus der Luft
gemacht. Nach dem Krieg entwickelte Mittelholzer als Fotograf und
erfahrener Luftaufklärer aber das Konzept rasch weiter. Gezielt fertigte
er etwa Luftaufnahmen von Fabriken an, um diese dann an deren Inhaber
zu verkaufen. Als begeisterter Bergsteiger fotografierte er aus
wackligen Propellerflugzeugen und grosser Höhe die Alpen.
Originallegende: Sarnersee mit Berneralpen von N. (In: Walter Mittelholzer: Alpenflug, 1928).Bild: ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv/Stiftung Luftbild Schweiz
Im Zeitalter von Google Earth ist es schwer nachzuvollziehen, welche
Anziehungskraft die damals aussergewöhnliche Vogelperspektive ausübte.
Mittelholzers Luftaufnahmen hielten den ungewohnten Blick auf die an
sich vertraute Umgebung und Landschaft in einer Weise fest, die als
reale Erfahrung nur dem ganz exklusiven Personenkreis von Piloten und
Flugpassagieren vorbehalten war.
Für Mittelholzer selbst ist die
Luftbildfotografie ein bildlich festgehaltener Perspektivenwechsel im
übertragenen Sinn. Sie wird zum Mittel einer vollkommeneren Wahrnehmung
der Welt:
«Die Fliegerphotographie ist berufen, eine bedeutungsvolle Rolle in
der Zukunft zu spielen. […] Eine andere, nie gesehene Welt tut sich vor
uns auf. Es ist, als ob die Erde dadurch ein neues Antlitz, der Mensch
ein neues, vollkommeneres Auge gewonnen hätte.»
Diese Sätze schrieb Mittelholzer für seine Publikation «Alpenflug» von
1928. Das Buch ist mit fast 200 Luftbildern von Alpengipfeln und -tälern
illustriert und verkaufte sich tausendfach.
Walter Mittelholzer – Abenteurer und Unternehmer
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Walter Mittelholzer – Abenteurer und Unternehmer
Flugpionier und Fotograf: Walter Mittelholzer vor der Wild WTS, 146 in Dübendorf (1917-1923).
Ein kolonialer Blick auf Afrika
Bestseller waren auch Mittelholzers Bücher, die er in kurzen Abständen
über seine Flugexpeditionen ins Ausland veröffentlichte: «Im Flugzeug
dem Nordpol entgegen» (1924), «Persienflug» (1926), «Afrikaflug» (1927),
«Mittelmeerflug» (1930), «Kilimandjaro Flug» (1930), «Tschadseeflug»
(1932) und «Abessinienflug» (1934).
Wie der «Alpenflug» haben auch diese
Titel umfangreiche Bildteile. Allerdings beschränkte sich Walter
Mittelholzer hier nicht auf Bilder aus der Luft. Ausserhalb der Schweiz
fotografierte und filmte er auch am Boden. In Afrika und im Mittleren
Osten wurde er zum Reportage-Fotografen der eigenen Expedition sowie von
«Land und Leuten».
Originallegende: Unter der Tropensonne des Nyssasees (Walter
Mittelholzer: Afrikaflug, 1927). Bild: ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv/Stiftung Luftbild Schweiz
Die öffentlichen Erwartungen an die Berichte und Bilder, die
Mittelholzer in der Fremde erstellte, waren hoch. So schrieb die NZZ am
22. März 1927 über den Zürcher Empfang für Walter Mittelholzer – die
zwei weiteren Expeditionsteilnehmer am Afrikaflug, Arnold Heim und René
Gouzy, werden nur am Rande erwähnt – nach der Rückkehr aus Kapstadt:
«Mit Spannung wurden im ganzen Land die Etappen und Berichte des
kühnen Fluges verfolgt, die Zeugnis ablegten von schweizerischer
Unternehmungslust, Ausdauer, Forschungstrieb und Flugsicherheit; das
Schweizer Volk weiss, was es von seinem Mittelholzer zu halten hat, der
nicht nur ein Flugzeug über unbekannte Länder zu steuern, sondern im
Flug auch zu photographieren und zu filmen versteht.»
Vor der kolonialen Kulisse exotischer, «unbekannter» Länder sollte
Mittelholzer also eine ganze Reihe zugeschriebener Schweizer Tugenden
verkörpern und öffentlich sichtbar machen. Und die NZZ berichtet weiter,
wie Mittelholzer, ganz Volksheld, diesem Erwartungsdruck standhielt:
«Der Raid, betonte [Mittelholzer], war keine Rekordjagd, sondern
Auskundschaftung in Bild, Wort und Film: mit reicher Beute ist die
Expedition zurückgekehrt im Bewusstsein, die Erwartungen der grossen Öffentlichkeit in der Hauptsache erfüllt zu haben.»
Rückblickend scheint es, dass das erst Jahre später eingeweihte Denkmal schon zu diesem Zeitpunkt in der Luft lag.
Schweizer Flugpionier Walter Mittelholzer
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Schweizer Flugpionier Walter Mittelholzer
Walter Mittelholzer vor einer Haefeli DH-3 (1918). (ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv)
Walter Mittelholzer 1894-1937.
Pilot | Fotograf | Unternehmer
Landesmuseum Zürich20.07. – 07.10.2018
Die
Ausstellung
im Landesmuseum ist in Zusammenarbeit mit der ETH-Bibliothek
entstanden. Das Bildarchiv der ETH-Bibliothek bewahrt das fotografische
Erbe Mittelholzers auf. Die über 18‘000 Aufnahmen sind vollständig
erschlossen und über
E-Pics Bildarchiv Online frei zugänglich.
Geschichte – die Vergangenheit lebt!
Unglaubliche Landung – Pilot wird alles abverlangt
Video: watson/nico franzoni
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