Menschlicher Erfindungsgeist scheint keine Grenzen zu kennen, wenn es darum geht, Feinde ins Jenseits zu befördern – oder ihnen zumindest gehörigen Schaden zuzufügen. Kein Wunder, dass selbst Fäkalien immer wieder als Waffe verwendet wurden.
Ein aktuelles Beispiel ist Venezuela. Im Mai 2017 berichteten verschiedene Medien, dass Demonstranten bei ihren Protesten gegen die Regierung von Präsident Maduro die Polizei mit menschlichen und tierischen Fäkalien bewarfen. In Anlehnung an die bekannten Molotow-Cocktails war in den Sozialen Medien von «Poopootow-Cocktails» die Rede.
Das venezolanische Regime fand den Einsatz dieser stinkenden Protestmittel nicht lustig: «Das sind biochemische Waffen», sagte die Generalinspekteurin des Justizwesens, Marielys Valdez, im Staatssender VTV. «Der Einsatz biochemischer Waffen ist ein Verbrechen und zieht harte Strafen nach sich.» Schliesslich könnten die Stinkbeutel in Gewässer gelangen und diese verunreinigen. Besonders gefährdete Personen, etwa Senioren oder Kleinkinder, könnten sich mit Hepatitis oder ähnlichen Krankheiten anstecken.
Etwas weiter zurück in der Vergangenheit: die Skythen. Dieses Reiternomadenvolk, das etwa von 900 bis 400 v. Chr. die Steppengebiete im heutigen Südrussland bewohnte, galt bei Griechen und Römern als unbezwingbar. Ein Grund dafür mag gewesen sein, dass die skythischen Bogenschützen vergiftete Pfeile benutzten. Zu diesem Zweck tauchten sie die Spitzen in ein höchst unappetitliches Gemisch aus Schlangengift, Leichenflüssigkeit, menschlichem Blut und Kot. Das Gemisch hatten sie zuvor in einem verschlossenen Behälter vergraben und eine Weile im Erdreich ruhen lassen, bis alles verwest war. «Selbst Leute, die nicht von den vergifteten Geschossen verwundet wurden, leiden unter deren fürchterlichen Geruch», hielt der griechische Geograph Strabo dazu fest.
Dass China militärtechnisch schon früh auf der Höhe war, beweist die Tatsache, dass dort das Schwarzpulver erfunden wurde. Die chinesischen Feldherren nutzten aber auch andere Substanzen durchaus innovativ – beispielsweise bei der Fên phao kuan fa, der Fäkalien-Schleuderbombe, die in einer Abhandlung des 11. Jahrhunderts beschrieben wird. Sie bestand, wie schon ihr Name vermuten lässt, aus getrockneten und fein gemahlenen menschlichen Fäkalien, denen Öl des Tiglibaumes – das stärkste pflanzliche Abführmittel –, ein wenig Arsensulfid und weitere giftige Zutaten beigemischt wurden. Diese Mischung versetzte man mit Schiesspulver und füllte sie in Hanfbeutel, die angezündet über die Mauern belagerter Städte katapultiert wurden, um die Bewohner zur Aufgabe zu zwingen.
Als die Hussiten im Jahr 1422 die Burg Karlstein bei Prag belagerten, mussten sie feststellen, dass ihre Kugeln aus Kalkstein, die sie aus Steinbüchsen verschossen, die dicken Mauern der Burg nicht durchschlagen konnten. Deshalb griffen sie zu Mitteln der chemischen Kriegsführung: Mit Bliden schleuderten sie mehr als 1800 mit Jauche gefüllte Fässer über die Burgmauern – angeblich aber auch Leichen. Die Belagerten konnten aber die Wirkung der Fäkalien durch ungelöschten Kalk mildern.
Im Vietnam-Krieg legte der Viet Cong Fallen an, deren Zweck vornehmlich darin bestand, feindliche Soldaten zu verletzen. Auf diese Weise wurden mehr Truppen gebunden, da der verletzte Soldat geborgen und in Sicherheit gebracht werden musste. Die Fallen bestanden in der Regel aus zugespitzten und im Feuer gehärteten Bambus-Pfählen, die vertikal im Boden verankert und danach mit Laub, etwas Erdreich oder einer Falltür bedeckt wurden. In vielen Fällen verunreinigte man die Spitzen dieser sogenannten «Punji Sticks» mit Fäkalien, um das Infektionsrisiko zu erhöhen. Auch pflanzliche oder tierische Gifte kamen zum Einsatz.
Im Zweiten Weltkrieg tüftelte das Office of Strategic Services (OSS) – der Vorläufer des heutigen Geheimdienstes CIA – an einer olfaktorischen Geheimwaffe, die gegen deutsche Wehrmachtssoldaten in Frankreich eingesetzt werden sollte. Die Schwefelmischung, die dafür verwendet wurde, bestand zwar streng genommen nicht aus Fäkalien, verströmte aber deren Geruch. Kämpfer der französischen Résistance sollten das «Who me?» genannte Stinkmittel mithilfe von Zerstäubern auf deutsche Besatzungssoldaten sprühen, um sie öffentlich zu demütigen. Allerdings wollte die Sache nicht recht funktionieren: Das Mittel war zu flüchtig und verpestete die gesamte Umgebung, darunter auch den Angreifer selbst. Das Experiment wurde nach nur zwei Wochen abgebrochen.
Diese Waffe kam – zumindest bisher – nie zum Einsatz: 2009 liess der russische Erfinder Aleksandr Georgiewitsch Semenow ein Waffensystem patentieren, das es in sich hat. Im Kern bietet es der Besatzung eines Panzers die Möglichkeit, ihre Notdurft direkt in eine leere Granatenhülse zu verrichten und diese dann mit Explosivstoffen scharf zu machen und zu verschiessen. Diese ingeniöse Vorrichtung schlägt gewissermassen zwei Fliegen mit einer Klappe: Zum einen wird die Besatzung ihre Fäkalien los, die sonst auf eine andere Weise entsorgt werden müssten; zum andern wird der Feind und seine Ausrüstung mit menschlichen Ausscheidungen eingedeckt.
Dass diese Geschichte stimmt, die Jamie Lee Curtis Taete in seinem Artikel «Brown Death: A History of Poop As a Weapon» («Der braune Tod: Eine Geschichte des Kots als Waffe») zum Besten gibt, ist eher unwahrscheinlich. Doch wie die Italiener sagen: Se non è vero è ben trovato.
Laut dem kanadischen Anthropologen Wade Davis soll ein Inuit in den 50er-Jahren ein Messer aus seinen eigenen Fäkalien hergestellt haben. Damals zwang die kanadische Regierung viele Inuit-Gemeinschaften, sich an bestimmten Orten anzusiedeln. Ein älterer Mann widersetzte sich dem, und seine Angehörigen nahmen ihm darauf die gesamte Ausrüstung ab, um ihn zur Aufgabe zu zwingen. Der Mann blieb jedoch und nahm das in die Hand, was ihm geblieben war: seine eigenen Fäkalien. Als sie zu gefrieren begannen, formte er damit ein Messer, mit dem er einen Schlittenhund schlachtete. Aus dessen Rippen improvisierte er einen Schlitten, aus der Haut ein Zaumzeug, in das er einen anderen Hund einspannte. Mit diesem Gespann fuhr er davon.
(dhr)