Einen Blick in die nahe Zukunft werfen – wer könnte das besser als ein bekannter Science-Fiction-Schriftsteller? So oder ähnlich wird man Ende 1983 wohl auf der Redaktion der kanadischen Zeitung «The Star» gedacht haben, als man Isaac Asimov dazu einlud, seine Vision der Welt im Jahr 2019 zu schildern.
Anlass dazu war das damals unmittelbar bevorstehende «Orwell-Jahr» 1984. Der britische Autor George Orwell hatte seine berühmte Dystopie 1948 beendet und mit der umgedrehten Jahreszahl «1984» betitelt. Der Roman erschien 1949 – 35 Jahre vor 1984. Asimov sollte nun für «The Star» ebenfalls 35 Jahre in die Zukunft blicken. Seine Sicht auf unsere Gegenwart ist heute noch interessant – auch wenn nicht alle seine Voraussagen eintrafen, wie beispielsweise die BBC berichtet.
Drei Dinge stellt Asimov bei seiner Analyse in den Vordergrund: Atomkrieg, Computerisierung und Nutzbarmachung des Weltraums. Zur Möglichkeit eines Atomkriegs verliert er jedoch nicht viele Worte: Es sei zwar nicht auszuschliessen, dass es zu einem nuklearen Showdown zwischen den USA und der – damals noch existierenden – Sowjetunion komme, doch für diesen Fall könne man sich weitere Überlegungen zur Zukunft sparen. Diese Annahme hat sich zum Glück als tragfähig erwiesen.
Zur Computerisierung macht Asimov ausführlichere, wenn auch einigermassen allgemeine Prognosen. Sie werde ein schmerzhafter Vorgang sein, warnt er. Asimov vergleicht sie mit der Industrialisierung: Wie diese werde sie dazu führen, dass neue Jobs alte, überflüssig gewordene ersetzten. Diese neuen Jobs seien aber nicht identisch mit den alten, sondern verlangten spezifische Kenntnisse, die zahlreiche Menschen nicht mitbrächten.
Aus diesem Grund werde es eine Herausforderung sein, grosse Teile der Bevölkerung Computer-tauglich zu machen, damit sie den Anforderungen einer High-Tech-Welt gewachsen seien. Dies ist heute unter dem Stichwort Digitalisierung nach wie vor aktuell.
Den unaufhaltsamen Vormarsch der Computer sieht Asimov erstaunlich klar. 1984 seien sie bereits unverzichtbar für die Regierungen der Industriestaaten, doch 2019 seien sie längst im Wohnzimmer angekommen. Auch «mobile computerisierte Objekte» – also Roboter – seien 2019 im Haushalt anzutreffen.
Die zunehmende Komplexität der Gesellschaft werde es unmöglich machen, ohne Computer auszukommen. «Jene Teile der Welt, die in dieser Hinsicht zurückfallen, werden so offensichtlich darunter leiden, dass ihre Regierungen so nach Computerisierung schreien werden, wie sie jetzt nach Waffen schreien.»
Auch beim Thema Ausbildung sieht Asimov eine Revolution kommen, die durch den Computer ausgelöst werde: Es werde 2019 zweifellos noch Schulen geben, glaubt er, doch ein guter Lehrer könne nichts Besseres tun, als den Wissensdrang der Schüler zu wecken, den diese dann zuhause an ihrem Computer befriedigen würden. Asimov verwendet in diesem Zusammenhang jedoch nicht den Begriff «Internet», der uns hier unweigerlich in den Sinn kommt – und dies, obwohl die Anfänge des Internets 1983 längst Realität waren.
Asimov stellt sich vor, dass 2019 für jeden Schüler – oder eher für jeden Menschen – die Möglichkeit bestehen wird, das zu lernen, was er will, wie er es will und wie schnell er es will. Die Ausbildung werde zu einer Sache des Vergnügens, weil sie aus eigenem Antrieb und nicht durch äusseren Zwang erfolgen werde. Diese Prognose ist sicherlich nicht so eingetroffen.
Im anderen grossen Themenbereich, dem sich Asimov in seinem Stück widmet, greift er noch deutlicher daneben: Seine Annahme, dass die Menschheit 2019 bereits erste bedeutende Schritte zur Eroberung des Weltraums unternommen haben werde, hat sich nur in bescheidenstem Masse erfüllt.
So geht er davon aus, dass im Jahr 2019 eine Mine auf dem Mond existieren wird, in der ein internationales Team Rohstoffe gewinnen wird. Dieses Mondgestein werde dann zu anderen Orten im Weltraum gebracht, wo es zu Metall, Beton und anderen Baumaterialien verarbeitet werden könne.
Mit diesen Materialien wiederum würden dann grosse Raumstationen im Erd-Orbit gebaut. Asimov sieht einen regelrechten Gürtel von Raumstationen über dem Äquator, die Sonnenenergie sammeln und auf die Erde strahlen. Die Staaten, die kooperieren müssten, um ein solches technisches Grossprojekt unterhalten zu können, wären deshalb nicht mehr in der Lage, untereinander Kriege zu führen.
Wie wir wissen, ist aus diesen Voraussagen nichts geworden. Immerhin hat aber China just in den ersten Tagen des jungen Jahres erstmals eine Raumsonde auf der Rückseite des Mondes abgesetzt. Und Asimov liegt nicht mit all seinen Prognosen zum Weltraum falsch: So hat sich seine Annahme durchaus bewahrheitet, dass «Observatorien im All gebaut werden, die unsere Kenntnis des Universums unermesslich erweitern» werden. Hubble und andere Weltraumteleskope wie Chandra haben unseren Horizont in der Tat massiv erweitert.
Was die Nutzung des Weltraums angeht, so ist er vermutlich davon ausgegangen, dass die USA gleich rasch voranschreiten wie vor 1983. Dass spätere Regierungen aber lieber Steuern senken als Wissen
generieren würden, hat er nicht ahnen können.
Vielleicht wäre ein Zukunftsforscher zu noch treffenderen Voraussagen gekommen.
Weil im Titel steht, was 2019 eintraf... Das Jahr ist gerade mal knapp 4 Tage alt, hoffe es dauert noch etwas länger.
Ansonsten spannender Text.