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Zwillingsstudie mit Scott Kelly zeigt, wie ein Jahr im All sich auswirkt

FILE - In this March 4, 2016, file photo, NASA astronaut Scott Kelly, left, and his twin Mark get together before a press conference in Houston. Scott Kelly set a U.S. record with his a 340-day missio ...
Das gab es noch nie: Eineiige Astronauten. Scott (l.) und Mark Kelly waren beide schon im All. Für die Zwillingsstudie blieb Mark auf der Erde, während Scott auf der ISS war. Bild: AP/AP

Zwillingsstudie zeigt die Folgen eines längeren Aufenthalts im All

Fast ein ganzes Jahr verbrachte Scott Kelly auf der Internationalen Raumstation. Sein Zwillingsbruder Mark Kelly blieb währenddessen auf der Erde. Beide wurden in dieser Zeit intensiv untersucht – jetzt sind erste Ergebnisse da.
12.04.2019, 14:1612.04.2019, 14:59
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Ein längerer Aufenthalt im All scheint die Gesundheit und den körperlichen Zustand von Astronauten nicht nachhaltig zu beeinträchtigen. Dies zeigte ein Vergleich zwischen dem Astronauten Scott Kelly, der fast ein Jahr auf der Internationalen Raumstation ISS gelebt hatte, mit seinem auf der Erde gebliebenen Zwillingsbruder Mark.

Nach Angaben der US-Raumfahrtbehörde Nasa seien die meisten Unterschiede, die während der Zeit im All aufgetaucht waren, nach Abschluss der Mission wieder verschwunden, etwa Veränderungen der Genaktivität. Die Ergebnisse der Zwillingsstudie erscheinen im Fachmagazin «Science».

Wichtig für bemannte Mars-Mission

Zwischen März 2015 und Februar 2016 war Scott Kelly fast ein ganzes Jahr auf der Internationalen Raumstation ISS. Danach ging er in den Ruhestand, er arbeitet aber weiter an der Forschung zu seiner Jahresmission mit. Im Vergleich mit dem in dieser Zeit am Boden gebliebenen, wenigen Minuten älteren Zwillingsbruders Mark, ebenfalls Astronaut im Ruhestand, wollen die Wissenschaftler erforschen, wie sich ein langer Aufenthalt im All auf den Menschen auswirkt. Diese Erkenntnisse sind etwa wichtig für zukünftig geplante, bemannte Missionen zum Mars.

International Space Station (ISS) crew member Scott Kelly of the U.S. shows a victory sign after landing near the town of Dzhezkazgan, Kazakhstan, on Wednesday, March 2, 2016. The Soyuz TMA-18M spacec ...
Nach der Landung fühlte sich Kelly wie ein «alter Mann». Bild: AP/POOL AFP

Die Ergebnisse der aktuellen Studie haben zehn Teams bestehend aus mehr als 80 Wissenschaftlern verteilt über 12 Universitäten erarbeitet. Die Zwillingsstudie ist einzigartig: Zwar sind insgesamt bereits mehr als 550 Menschen ins All geflogen, aber nur acht Missionen dauerten mehr als 300 Tage. Scott Kelly blieb 340 Tage. Er und Mark Kelly sind zudem das bislang einzige eineiige Astronauten-Zwillingspaar. Vor, während und nach der Jahres-Mission wurden die beiden immer wieder untersucht.

Die Internationale Raumstation ISS

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Die Internationale Raumstation ISS
Blick auf die Internationale Raumstation ISS.
quelle: epa/nasa tv file / nasa tv / handout
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Im All sind Menschen unter anderem der Schwerelosigkeit und Strahlung ausgesetzt. Wie sich das genau auf den Körper auswirkt und wie lange eventuelle Veränderungen bestehen bleiben, ist allerdings bislang weitgehend unklar. In seinem im vergangenen Jahr auf Deutsch veröffentlichten Buch «Endurance. Mein Jahr im Weltall» hatte Scott Kelly beschrieben, dass er sich nach der Rückkehr wie ein alter Mann gefühlt habe, mit grausamen Schmerzen in den angeschwollenen Beinen, Übelkeit und brennender Haut.

Temporär andere Genaktivität

Bei Scott Kelly entwickelte sich im All unter anderem die Genaktivität anders als bei seinem Zwillingsbruder auf der Erde, heisst es nun in der Studie. Besonders betroffen waren Gene, die im Zusammenhang mit dem Immunsystem stehen. Die Veränderungen seien vergleichbar mit denen, die unter Stress entstehen, etwa beim Bergsteigen oder beim Tauchen. Der Aufbau der Gene selbst blieb unverändert. Mehr als 90 Prozent der Genaktivität entwickelte sich innerhalb von sechs Monaten aber wieder zurück auf das Level vor der Mission.

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Zur Überraschung der Forscher wuchsen im All bei Scott Kelly die Telomere – schützende Kappen an den Enden von Chromosomen. Veränderungen der Telomerlänge werden mit Alterungsprozessen und Krankheiten in Verbindung gebracht. Auch in diesem Fall verschwanden die meisten Veränderungen auf der Erde wieder, einige von Scott Kellys Telomeren sind aber mittlerweile kürzer als zuvor.

#YearInSpace: Mit diesen atemberaubenden Bildern verabschiedet sich Scott Kelly von der ISS

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#YearInSpace: Mit diesen atemberaubenden Bildern verabschiedet sich Scott Kelly von der ISS
#YearInSpace: Nach 340 Tagen verabschiedet sich der Astronaut Scott Kelly von der Internationalen Raumstation ISS mit diesen atemberaubenden Bildern. Hier: La’nga Co, ein Salzwassersee im Westen Tibets, nahe der chinesischen Grenze. Wortwörtlich übersetzt bedeutet der tibetische Name "See der Dämonen".
quelle: scott kelly/nasa
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Zudem veränderte sich Scott Kellys Augapfel, unter anderem wurde ein Nerv in der Netzhaut dicker. Auch die geistige Leistungsfähigkeit nahm in einigen Bereichen ab. Diese Veränderungen könnten aber möglicherweise nicht nur auf den Aufenthalt im All zurückzuführen sein, machten die Autoren der Studie um Francine Garrett-Bakelman von der Weill Cornell Medicine (New York) deutlich.

Wie die Wissenschaftler weiter berichten, wirkt eine Grippe-Impfung im All genauso wie auf der Erde. Und die Darmflora veränderte sich nicht stärker als dies auch auf der Erde unter Stressbedingungen beobachtet wird.

Studie geht weiter

Die Studie sei noch lange nicht abgeschlossen, teilten die Wissenschaftler mit. In einem Kommentar weist der Biologe Markus Löbrich von der Technischen Universität Darmstadt darauf hin, dass die Strahlenbelastung bei einer Mars-Mission deutlich höher sei als bei Aufenthalten auf der ISS. Die gesundheitlichen Folgen dürften demnach zum Teil andere sein.

Dies müsse in weiteren Studien geklärt werden, auch um Strategien dagegen zu entwickeln. Dennoch, so kommentiert Löbrich, die Studie «bedeutet mehr als nur einen kleinen Schritt für die Menschheit in diesem Vorhaben».

(sda/dpa)

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Ausbau der Internationalen Raumstation ISS
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Ausbau der Internationalen Raumstation ISS
November 1998: Der Aufbau der ISS beginnt mit dem russischen Fracht- und Kontrollmodul Sarja. (bild: wikimedia)
quelle: wikimedia
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Wunderschöne Aufnahmen des Polarlichts von der ISS
Video: srf
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18 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Joe Smith
12.04.2019 15:03registriert November 2017
Und was ist mit der Relativitätstheorie? Welcher der beiden ist nun schneller gealtert? Hat man das nicht untersucht?
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N. Y. P.
12.04.2019 14:51registriert August 2018
Scott Kelly beschreibt, dass er sich nach der Rückkehr wie ein alter Mann gefühlt habe, mit grausamen Schmerzen in den angeschwollenen Beinen, Übelkeit und brennender Haut.

Das tönt alles andere als harmlos. Würde er Mars retour (mit Halbtax) buchen, würde sein Körper wohl, zurück auf der Erde, kollabieren.
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