Am kaiserlichen Hof in Konstantinopel nahm man die Sache nicht sonderlich ernst. Das islamisch-arabische Heer, das im Jahr 629 in die oströmische Provinz Palästina eingefallen war, hatte man mit vergleichsweise geringem Aufwand besiegt. Kein Vergleich zu den Schlachten, die Kaiser Herakleios eben noch gegen die persischen Sassaniden geführt hatte.
Doch die Araber kamen wieder, und diesmal eroberten sie Damaskus in der Provinz Syrien. Jetzt musste Ostrom – das sich allmählich zum Byzantinischen Reich wandelte – reagieren. Im Sommer 636 traf eine zahlenmässig überlegene oströmische Streitmacht beim Fluss Jarmuk auf ein arabisches Heer – und erlitt eine vernichtende Niederlage, die den Lauf der Weltgeschichte veränderte.
Am Vorabend der Schlacht war das Byzantinische Reich stark geschwächt. Mehrere Jahre eines erbitterten Krieges gegen die andere spätantike Grossmacht, das persische Sassanidenreich, hatten Ostrom an den Rand des Untergangs gebracht. Um 620 hatten die Perser sogar zeitweise die Levante und die reiche oströmische Provinz Ägypten besetzt. Persische Armeen waren in Kleinasien eingefallen und hatten Konstantinopel belagert.
Doch dann hatte sich das Blatt gewendet: Herakleios hatte die Sassaniden in einer erfolgreichen Gegenoffensive zurückgedrängt und dann 627 bei Ninive vernichtend geschlagen. Im Sassanidenreich tobte ein Bürgerkrieg – wäre Ostrom nicht vom Krieg erschöpft und von der Pest gebeutelt gewesen, hätte es jetzt dem persischen Rivalen seinerseits grosse Gebiete entreissen können.
Jahrhundertelang hatten sich die arabischen Stämme auf der nach ihnen benannten Halbinsel gegenseitig bekämpft. Eine planmässige militärische Expansion fand nicht statt, lediglich Raubzüge – das arabische Wort dafür liegt unserem Begriff «Razzia» zugrunde – wurden in die angrenzenden Gebiete unternommen.
Diese Situation änderte sich mit dem Aufstieg des Islams. In kurzer Zeit war es dem Propheten Mohammed gelungen, ein politisch-religiöses Gebilde zu formen, das die arabischen Stämme in der muslimischen Gemeinschaft der Umma einte. Unter seinen unmittelbaren Nachfolgern, den vier «Rechtgeleiteten Kalifen», begann die islamische Expansion, die in nur gut hundert Jahren eines der grössten Imperien der Weltgeschichte begründen sollte.
Erleichtert wurde diese Expansion durch die Tatsache, dass sich die beiden Grossmächte der Region – wie erwähnt – zuvor lange gegenseitig zerfleischt hatten. Zudem waren die Randgebiete sowohl des Byzantinischen wie des Sassanidenreiches von arabischen Stämmen besiedelt. Die zum Teil christianisierten Ghassaniden, die südlich von Damaskus lebten, dienten Ostrom als Pufferstaat, während die Lachmiden im Südirak dieselbe Funktion lange für die Perser erfüllten – bis diese deren Reich vernichteten.
Im Mai 636 war das oströmische Heer, das Kaiser Herakleios hatte aufstellen lassen, kampfbereit. Es bestand aus einer Vielzahl von Ethnien – darunter Slawen, Griechen, Armenier und christliche Araber, die Ghassaniden. Während diese byzantinische Streitmacht von Antiochia aus südwärts vordrang, zogen sich die in verschiedene Heere aufgeteilten arabischen Truppen aus Nord- und Zentralsyrien zurück und sammelten sich im heutigen jordanisch-syrischen Grenzgebiet, wo sie auf Verstärkung durch Verbände aus dem Irak warteten.
Schliesslich trafen die beiden Heere im August am Jarmuk, einem Nebenfluss des Jordans, aufeinander. Spätere arabische Quellen sprechen von einer gewaltigen byzantinischen Übermacht, doch dies dürfte massiv übertrieben sein. Vermutlich verfügte der oströmische General Vahan über maximal 50'000 Mann, denen ein kleineres arabisches Kontingent gegenüberstand.
Der arabische Befehlshaber Chalid ibn Walid, vielleicht das bedeutendste militärische Talent seiner Zeit, liess sich von der zahlenmässigen Überlegenheit seiner Gegner nicht beeindrucken. Auf sein Betreiben hin hatte sich die arabische Streitmacht in der Ebene des Jarmuk östlich der Golan-Höhen konzentriert, in der sich die Reiterei gut entfalten konnte.
Nach kleineren Scharmützeln kam es zur eigentlichen Schlacht, deren genauer Verlauf Objekt von Mutmassungen ist. Die Kampfhandlungen erstreckten sich vom 15. bis zum 20. August. Am ersten Tag fanden Duelle zwischen einzelnen kampferprobten Kriegern statt, worauf die oströmischen Fusstruppen die arabischen Linien angriffen, die jedoch standhielten.
Im Verlauf der folgenden Tage attackierten die Oströmer mehrmals den rechten Flügel der Araber, den sie zurückwerfen, aber nicht durchbrechen konnten. Der Legende nach wurden die zurückweichenden muslimischen Soldaten von ihren Frauen, die sich im Lager hinter den Truppen aufhielten, mit Steinen beworfen, damit sie in die Schlacht zurückkehrten. Vermutlich war aber der Beitrag der hochmobilen arabischen Reiterei-Reserve, die Ibn Walid je nach Bedarf an Brennpunkten einsetzte, entscheidender.
Die Entscheidung fiel am sechsten und letzten Tag der Schlacht, als Ibn Walid einen kombinierten Angriff der Reiterei und Infanterie auf den bereits geschwächten linken oströmischen Flügel befahl. Dieser wich zurück und kollabierte, worauf auch das linke oströmische Zentrum in Unordnung geriet. Eine allgemeine Flucht war die Folge, doch die arabische Reiterei hatte den Rückzugsweg abgeschnitten. Die fliehenden oströmischen Soldaten wurden von den Arabern, die keine Gefangenen machten, zu Tausenden niedergemacht.
Einer der Gründe für die Niederlage des byzantinischen Heeres lag in der mangelnden Zusammenarbeit seiner Befehlshaber. Zwischen Vahan, der die Truppen im Feld führte, und dem nominellen Oberbefehlshaber Theodorus kam es möglicherweise gerade dann zu einem Konflikt, als der arabische Angriff losbrach. Ein weiterer Grund könnte darin liegen, dass ein Teil der arabischen Ghassaniden während der Schlacht zu den muslimischen Streitkräften überlief.
Es gibt vermutlich nur wenige Schlachten, die derart weitreichende Folgen hatten und heute trotzdem kaum noch bekannt sind. Die Niederlage am Jarmuk erschütterte das Byzantinische Reich bis ins Mark; es besass nicht mehr die Kraft zurückzuschlagen. Der Weg für die arabischen Eroberer war nun frei; die islamische Expansion überrollte Syrien und Palästina, kurz darauf auch die Kornkammer Ägypten und danach, bis zum Ende des Jahrhunderts, den Rest des christlichen Nordafrikas.
Die arabisch-muslimische Eroberung der Levante und Nordafrikas veränderte den Mittelmeerraum entscheidend. Diese Provinzen, die seit Jahrhunderten zum Imperium Romanum gehörten und als erste christianisiert worden waren, wurden nun Teil der islamischen Welt. Damit war die jahrhundertelange Einheit des Mittelmeerraums endgültig Vergangenheit.
Nur äusserst knapp vermochte sich Ostrom zu halten, reduziert auf Kleinasien und Südosteuropa. Immerhin teilte Byzanz nicht das Schicksal des Sassanidenreiches: Kurz nach der Schlacht am Jarmuk erlitten die Perser 638 und 642 in zwei blutigen Schlachten verheerende Niederlagen gegen die Araber, die zum Untergang der Sassanidenherrschaft und der welthistorisch höchst bedeutsamen islamischen Eroberung Persiens führten.