Gemeinsam mit zwei Kollegen fälschte James Lindsay in 10 Monaten etwa 20 wissenschaftliche Aufsätze und schickte sie an akademische Zeitschriften. «Den besten Journals in den entsprechenden Gebieten», wie sie schreiben.
Das Resultat: Sieben Papers wurden akzeptiert, sieben sind noch in Überprüfung, der Rest wurde abgelehnt. Er wolle mit diesen «Fake News» gezielt auf Missstände im akademischen Betrieb aufmerksam machen, sagte Lindsay zum Wall Street Journal.
Dabei zielten die drei Kollegen vor allem auf akademische Zeitschriften, die sozialwissenschaftliche Themen abdecken. Insbesondere wurden die von Lindsay als «Grievance Studies» bezeichneten Studienrichtungen aufs Korn genommen. Gemäss The Economist versteht Lindsay unter diesen «Beschwerde-Studien» eine Subkategorie von Ethnien-, Gender-, Fett- und Sexualitätsforschungen.
Auszüge aus den veröffentlichten Papers zeigen: Die drei Autoren schickten tatsächlich kompletten Schwachsinn ein. Harvard-Dozent Yascha Mounk hat diese auf Twitter geteilt. Da war etwa das Werk, das empfiehlt, dass weisse Männer im Unterricht nicht mehr sprechen dürfen. Die Lehrer werden zudem ermutigt, weisse Schüler auf dem Boden sitzen zu lassen und ihnen «leichte Ketten» anzulegen.
There's the paper that doesn’t just advocate stopping white males from speaking in class; it encourages teachers to institute a form of “experiential reparation” by making their white students sit on the ground bound in chains.
— Yascha Mounk (@Yascha_Mounk) 3. Oktober 2018
5/n pic.twitter.com/cBDPKHM6FF
Ein anderes Paper handelt von masturbierenden Männern. Würden diese während der Selbstbefriedigung an eine Frau denken und hätten sie bei dieser vorher nicht eine Einwilligung geholt, so seien diese eigentlich Sexualverbrecher, heisst es im veröffentlichten Artikel.
There is the paper that labels men who masturbate while thinking about a woman without gaining her prior consent as perpetrators of sexual violence.
— Yascha Mounk (@Yascha_Mounk) 3. Oktober 2018
6/n pic.twitter.com/uJ5yWZAYGz
In einem weiteren Paper wird argumentiert, dass die westliche Astronomie sexistisch und imperialistisch sei. Empfohlen wird, dass Physiker stattdessen feministische Astrologie studieren sollten.
There is the paper that dismisses western astronomy as sexist and imperialist, making a case for physics departments to study feminist astrology instead.
— Yascha Mounk (@Yascha_Mounk) 3. Oktober 2018
7/n pic.twitter.com/AKe61qsYBz
In einer Studie brachten die Autoren sogar mehrere Ausschnitte aus Hitlers «Mein Kampf» unter. Sie wurde veröffentlicht.
There is the paper that’s LITERALLY A RE-WRITE OF SECTIONS OF MEIN KAMPF.
— Yascha Mounk (@Yascha_Mounk) 3. Oktober 2018
8/n pic.twitter.com/8D5qKigBjn
In einer anderen Studie wurde die Rape Culture in einem Hundepark in Oregon untersucht. Vom Verhalten der Hunde wurde auf jenes der Menschen geschlossen. Auch dieses Werk wurde veröffentlicht.
And then there’s the coup de grace: a paper, already published in Gender, Place & Culture, which claims to be based on in situ observation of canine rape culture in a Portland dog park.
— Yascha Mounk (@Yascha_Mounk) 3. Oktober 2018
9/n pic.twitter.com/NzBH1qpJGD
In einer anderen gefälschten Studie stellten die Autoren die These auf, dass homophobes und transphobes Verhalten von heterosexuellen Männern mittels «penetrativem Gebrauch von Analsexspielzeug» verändert werden könne. Diese Studie wurde ebenfalls publiziert, trotz Peer-Review.
Ein Peer-Review ist ein Verfahren der Qualitätssicherung. Dabei sollten bei einem wissenschaftlichen Artikel zwei unabhängige Forscher aus dem gleichen Fachbereich den zu publizierenden Artikel überprüfen.
Lindsays gefälschte Artikel führten zu viel Kritik aus dem Wissenschaftsbetrieb, trafen allerdings auch einen wunden Punkt. Wie kann es sein, dass provokante Artikel trotz Überprüfung publiziert werden, obwohl diese gefälscht sind? Gemäss Lindsay seien die Daten unschwer als gefälscht zu erkennen gewesen, aber niemand fragte nach den Daten.
Herausgeber von wissenschaftlichen Magazinen kritisierten aber die Einstellung Lindsays, dass er sie bewusst hinters Licht führen wollte. Es widerspräche der wissenschaftlichen Ethik, solche gefälschten Studien einzureichen. Auch wurde kritisiert, dass es Lindsay und Kollegen lediglich auf gewisse Studienrichtungen der Sozialwissenschaften abgezielt hätten.
Die Autoren der gefälschten Studien wehrten sich gegen Vorwürfe, dass sie sexistisch, rassistisch oder sonst was seien. Sie hätten auf ein Problem aufmerksam machen wollen, dass von «grösster Bedeutung» sei.
The authors rightly emphasize that topics like race, gender, or sexuality should be the object of serious study.
— Yascha Mounk (@Yascha_Mounk) 3. Oktober 2018
Their problem is that the kind of bullshit that now counts as scholarship in some quarters of the academy does not constitute anything like that.
10/n pic.twitter.com/5fxFn5Cav4
Wurde das Vertrauen in die Wissenschaft durch diese Fake-Studien komplett erschüttert? Kann noch geglaubt werden, was in wissenschaftlichen Magazinen steht?
Nochmals Yascha Mounk: Die Papers, welche die gefälschten Stücke veröffentlicht hätten, seien zwar in ihren Bereichen führend. Dies bedeute jedoch nicht, dass Fake-Studien auch in etablierten Wissenschaften wie in Politologie oder Soziologie veröffentlicht würden. Dort seien die Standards höher. «Im Grossen und Ganzen bleibt die Wissenschaft eine ernsthafte Suche nach der Wahrheit», so der Harvard-Dozent. (cma/jaw)