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Wie Japan «wissenschaftlichen» Walfang betreibt

Blutiges Geschäft: Das japanische Fabrikschiff Yushin Maru harpuniert einen Wal. 
Blutiges Geschäft: Das japanische Fabrikschiff Yushin Maru harpuniert einen Wal. 
Bild: EPA/GREENPEACE FILE

Jetzt harpunieren sie wieder Wale: Die japanische Legende vom «Forschungsfleisch»

02.12.2015, 18:2303.12.2015, 20:53
Daniel Huber
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Wieder einmal erzürnt Japan Umweltschützer und Tierfreunde: Eine Flotte von Walfangschiffen hat heute Dienstag den Hafen Shimonoseki verlassen und Kurs auf das Südpolarmeer genommen. Und das, obwohl seit 1986 ein Moratorium der Internationalen Walfangkommission (IWC) für den kommerziellen Walfang gilt.

Das Fangverbot für alle Grosswale war eine Reaktion auf den dramatischen Rückgang der Walbestände durch den industriell betriebenen Walfang, dem in den 60er Jahren rund 40'000 Meeressäuger pro Jahr zum Opfer fielen. Von Anfang an bot das Walfangabkommen jedoch Schlupflöcher für die Walfänger – und die waren offensichtlich entschlossen, sie zu nutzen. 

Drei Ausnahmen vom Walfangverbot
1986 setzte die Internationale Walfangkommission (IWC) die Fangquoten für alle Grosswale auf Null, was einem faktischen Walfangverbot gleichkommt. Davon gibt es drei Ausnahmen: 
- ​Jagd durch Ureinwohner in verschiedenen Regionen für den lokalen Verbrauch und zur Selbstversorgung (z.B. die Tschuktschen oder die Inuit).
- Jagd für wissenschaftliche Zwecke (Japan).
- Island und Norwegen: Norwegen legte fristgerecht Einspruch ein und ist juristisch nicht an das Moratorium gebunden. Island trat 1989 aus dem IWC aus und 2002 – unter Vorbehalt des Walfang-Erlaubnis – wieder ein. ​

Hauptsünder ist Japan. Seitdem das Fangverbot in Kraft getreten ist, hat das ostasiatische Land nach Zählung von Tierschützern vermutlich mehr als 15'000 Wale getötet – offiziell allesamt im Namen der Wissenschaft. Auch die aktuelle Expedition segelt unter diesem Deckmantel: Die japanische Fischereibehörde beeilte sich, das Unternehmen als «Walforschung» zu bezeichnen – dabei werden die zu «wissenschaftlichen» Zwecken erlegten Wale noch an Bord des Fabrikschiffs zu supermarkttauglichen Portionen verarbeitet. 

Auf diese Wale haben es die Walfänger besonders abgesehen

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Auf diese Wale haben es die Walfänger besonders abgesehen
Zwerg- oder Minkewal (Balaenoptera arcutorostrata):
Dieser kleinste und am häufigsten vorkommende Furchenwal lebt in drei geographisch isolierten Populationen: im Nordpazifik, im Nordatlantik und in der Südhemisphere. Diese Walart ist das beliebteste Ziel der Walfänger: Zwischen 2001 und 2010 wurden 9231 Minkewale getötet, davon erlegte allein Norwegen 5593 Tiere. (Bild: Shutterstock)
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Der Walfang zu «Forschungszwecken» ist das Schlupfloch in den IWC-Statuten, das dem Mitgliedsstaat Japan ermöglicht, die Meeresriesen weiterhin zu jagen. Schon 1987 initiierte Tokio das «Forschungsprogramm» JARPA 1, das die Tötung von Zwergwalen vorsah – und das ausgerechnet im antarktischen Wal-Schutzgebiet. 1994 kam mit JARPN 2 ein weiteres «Forschungsprojekt» dazu, diesmal im Nordpazifik. 

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Da es sich bei dem angeblichen Forschungsinteresse lediglich um einen Deckmantel für den kommerziellen Walfang handelt, werden bei diesen «Forschungsprojekten» keinerlei wissenschaftlich verwertbare Erkenntnisse gesammelt. Ernst zu nehmende, moderne wissenschaftliche Untersuchungen sind nicht darauf angewiesen, ihren Forschungsgegenstand umzubringen – für DNA-Analysen und GPS-gestützte Überwachungsverfahren, für die Entnahme von Proben aus Fäkalien und dem Blas, der nach dem Auftauchen ausgestossenen Atemluft, braucht es keine getöteten Tiere. 

«Die japanische Bevölkerung steht nicht hinter dem Walfang.»
Yves Zenger, Greenpeace

Wie wenig der «wissenschaftliche» Walfang wirklich mit Forschung zu tun hat, wird auch aus der Tatsache ersichtlich, dass ausgerechnet jene Nationen Wale aus vorgeblich wissenschaftlichen Gründen jagen, bei denen der kommerzielle Walfang eine lange und zählebige Tradition ist. Hinzu kommt der Umstand, dass die Mitgliedsstaaten des IWC sich die Sondergenehmigungen für den Walfang zu Forschungszwecken selbst erteilen und die entsprechenden Quoten festlegen können – ohne dabei einer externen Instanz Rechenschaft zu schulden. 

Handgreiflicher Protest: Ein Schiff der Anti-Walfang-Organisation Sea Shepherd (r.) bedrängt das japanische Fabrikschiff Yushin Maru. 
Handgreiflicher Protest: Ein Schiff der Anti-Walfang-Organisation Sea Shepherd (r.) bedrängt das japanische Fabrikschiff Yushin Maru. 
Bild: AP/Institute of Cetacean Research of Japan

Problematisch ist zudem die gut gemeinte Klausel in der Sondergenehmigung, die vorschreibt, dass das Fleisch der angeblich für die Wissenschaft getöteten Meeressäuger so weit wie möglich zu verwerten sei – mithin verkauft oder verschenkt werden soll. Dies kommt dem wahren Zweck des «wissenschaftlichen» Walfangs natürlich sehr entgegen. 

«Es ist sinnlos und unnötig, zu wissenschaftlichen Zwecken Wale zu töten.»
Yves Zenger, Greenpeace

Unverständlich wird der japanische Walfang-Eifer allerdings, wenn man bedenkt, dass die Nachfrage nach Walfleisch in Japan deutlich zurückgeht und grosse Mengen Walfleisch in Kühlhallen lagern. «Die japanische Bevölkerung steht nicht hinter dem Walfang», stellt Yves Zenger von Greenpeace fest. Die Umweltorganisation habe sich immer schon gegen den Walfang eingesetzt, seit Jahren sehr aktiv mit japanischen Organisationen zusammen im Land selber, sagt Zenger. «Wir versuchen die japanischen Behörden von innen her unter Druck zu setzen, damit sie endlich mit dem Walfang aufhören und das Gerichtsurteil von 2014 akzeptieren.»

Das von Zenger angesprochene Urteil ist ein Verdikt des Internationalen Gerichtshofs (IGH) in Den Haag. Nach einer Klage Australiens hatte das UNO-Gericht im März 2014 geurteilt, der japanische Walfang diene nicht wissenschaftlichen Zwecken. Tokio hatte die Jagd daraufhin eine Saison lang ausgesetzt. Trotz scharfer internationaler Proteste – die Organisation Humane Society International warf Japan vor, «ein Verbrechen an der Natur» zu verüben – stechen nun wieder japanische Walfänger in See.

Fleisch von grönländischen Zwergwalen: Die Nachfrage in Japan ist deutlich zurückgegangen; grosse Mengen Walfleisch lagern in Kühlhallen. 
Fleisch von grönländischen Zwergwalen: Die Nachfrage in Japan ist deutlich zurückgegangen; grosse Mengen Walfleisch lagern in Kühlhallen. 
Bild: Shutterstock

Zwar will Japan künftig nur noch 333 Zwergwale statt 900 pro Saison erlegen. Für Zenger ist aber auch diese Quote zu hoch: «333 sind 333 zu viel. Es ist sinnlos und unnötig, zu wissenschaftlichen Zwecken Wale zu töten.» Und auch wenn sich die Bestände von bestimmten Arten wieder etwas erholt hätten, sei dies kein Grund, den Walfang zu verharmlosen. «Walfang ist nur ein Teil der Bedrohung: Lärm, Umweltverschmutzung und die Folgen der Klimaerwärmung gefährden die Meeressäuger ebenfalls.» 

«Japan jagt wieder: Trotz Verbot läuft Flotte zum Walfang aus.»
YouTube/spiegeltv

Die Hartnäckigkeit, mit der Japan trotz internationaler Ächtung und schwindender Nachfrage weiterhin Wale schlachtet, ist vermutlich nicht nur eine Trotzreaktion auf den Druck von aussen. Die japanische Regierung setzt gezielt Entwicklungshilfe ein, um karibische und afrikanische Länder ins Pro-Walfang-Lager zu holen. Tokio fürchtet wohl, wenn der Walfang ausnahmslos verboten werde, könnten auch in anderen umstrittenen Fischereibereichen rigide Fangquoten durchgesetzt werden – zum Beispiel beim Thunfisch. 

«Japanischer Walfänger töten einen Finnwal.» 
YouTube/rechtaufleben
«Walfang in Japan: Schlachten vor den Augen von Schülern.»
YouTube/spiegeltv
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